Birnen, Zwetschgen, Pflaumen, Aprikosen, rote Weinbergpfirsiche und Stachelbeeren. So haben wir auch im Winter unser eigenes Obst. Unsere Kellerregale sind voll mit Obst- und Marmeladengläsern. Ab dem ersten Dezember backt die Mama Plätzchen und Stollen für den Weihnachtsmarkt in unserer Scheune: Zimtsterne, Haselnussmakronen, Walnussplätzchen, Butterplätzchen und feines Spritzgebäck. Und es gibt mit brauner Schokolade überzogene Walnüsse und Haselnüsse. Das Trockenobst überzieht die Mama mit weißer Schokolade. Und sie verpackt es in durchsichtigen Beuteln und bindet ein Schleifchen und einen Strohstern an jeden Beutel. Ich mag am liebsten die mit weißer Schokolade überzogenen Aprikosen. Und der Opa und der Papa auch. Schade, dass es diese guten Sachen nur zur Weihnachtszeit gibt. Die Mama versteckt die Weihnachtsnaschereien immer Haus. Aber wo die Schachteln versteckt sind, das verrät sie noch nicht einmal dem Papa. Aber ich glaube, die Plätzchen sind beim Opa im Zimmer. In seinem Wäscheschrank vielleicht? Oder in der großen weißen Schachtel unter seinem Bett? Der Opa verschwindet oft mal für eine Weile in seinem Zimmer. Und wenn er wieder herauskommt, hat er meist volle Backen. Und er hat ein schelmisches Grinsen im Gesicht. So, wie mein Bruder, wenn er einen Streich gemacht hat.
Unser Hofladen ist im Advent auch sonntags geöffnet. Aber nur nachmittags. Von 15 Uhr bis 18 Uhr. Da backt die Mama Waffeln. Und sie kocht zwei große Töpfe mit Weihnachtspunsch. Einen Topf mit Alkohol und einen Topf ohne Alkohol. Die Waffeln gibt es mit Apfelmus oder mit Kirschen und Schlagsahne und Zucker und Zimt. Und es gibt verschiedene Teesorten zum kostenlosen Probieren. Handgepflückt und getrocknet von der Mama: Pfefferminztee, Lindenblütentee, Melissentee, Lavendelblütentee, Hagebuttentee, Kräutertee und Früchtetee und Kamillentee. Es gibt auch Kaffee, aber den muss man bezahlen. Weil der Kaffee von einem anderen Land kommt. Und teuer ist.
Unser Scheunenweihnachtsmarkt ist sehr beliebt. Da kommen die Menschen aus den umliegenden Dörfern nur so angeschwärmt. Und die wunderschönen Weihnachtsgestecke und die schönen Plätzchen meiner Mama sind immer ganz schnell ausverkauft. Die Mama macht die schönsten Weihnachtsgestecke weit und breit. Ich will auch einmal solche kunstvollen Gestecke machen können.
Meine Mama kann auch schön nähen und stricken und basteln. Sie strickt Wollsocken und Schals und Handschuhe und Mützen für Menschen und für Puppen. In allen möglichen Farben und Größen. Die Mama bietet auch getrockneten Lavendel an. Den hat sie in selbst genähte Leinenbeutel verpackt. Die Leinenbeutel hat sie mit goldenen Sternchen bestickt. Die Mama lässt sich immer was Besonderes einfallen für den Scheunenweihnachtsmarkt. Manchmal macht sie sogar Seifen. Und Cremes. Die Mama bastelt auch gerne. Strohsterne für den Speisesaal im Pflegeheim zum Beispiel. Und bunte Girlanden für den Gemeindesaal im Nachbardorf. Dort treffen sich einmal im Monat die Landfrauen mit dem Herrn Pfarrer und schauen sich Filme aus anderen Ländern an. Der Herr Pfarrer ist weit gereist. Er war sogar schon einmal in Peru. Und das ist am Ende der Welt.
In unserem Dorf gibt es noch einen anderen Bauernhof, der gehört der Familie Schmitz. Die Schmitzes haben zwei Kinder. Zwei Buben. Marco und Danielle. Und ganz viele Schweine und Hühner und Ziegen. Sie verkaufen geräucherten Schinken und Leberwurst und Blutwurst in Ringen. Und Bratwurst und andere Wurstsorten in Dosen. Herr Schmitz ist nicht nur Landwirt. Er ist auch Fleischermeister von Beruf. Auf dem Schmitzhof gibt es einen ganzen Kellerraum voll mit Würsten. Die Dosen stehen in Regalen. Die Ringe hängen zum gut durchtrocknen an Stangen in der Luft. Die Schinken auch. Die Schwarzwurst im Ring ist so hart, da habe ich Angst, ich könnte mir einen Zahn ausbeißen. Auf dem Schmitzhof gibt es auch Apfelsaft in Flaschen zu kaufen. Und Holunderbeerensaft. Und Johannisbeersaft. Und Rhabarbersaft mit Erdbeeren. Und Nudeln. Viele verschiedene Sorten von Nudeln. Breite Nudeln, dünne Nudeln, Hörnchennudeln und sogar Spaghetti. Und Tomatensoße, abgefüllt in Gläsern. Manchmal bringt die Mama Schinken und Bratwurst in der Dose und Ziegenmilch und Ziegenkäse mit nach Hause, wenn sie bei der Frau Schmitz zu Besuch war. Ich mag keine Ziegenmilch und auch kein Ziegenkäse und Ziegenfleisch erst recht nicht. Das Ziegenzeugs stinkt. Aber der Schinken von den Schmitzes schmeckt mir gut. Und die Bratwurst auch. Und die selbst gemachten Nudeln erst. Ich könnte jeden Tag Spaghetti mit Tomatensoße essen. Wir tauschen manchmal unsere Sachen. Kartoffeln gegen Nudeln zum Beispiel. Das finde ich sehr lustig. Zwei alte Tanten und ein alter Onkel von Frau Schmitz machen gerade Urlaub auf dem Schmitzhof. Sie kommen aus Italien. Das ist ziemlich weit weg, sagt mein Bruder. Die alten Menschen wohnen im Nebengebäude, im ersten Stock. Und sie sitzen fast immer auf der Bank vor dem Haus und beobachten den Himmel, die Vögel, die Katzen, die Hühner. Und die Schmetterlinge. Nur zu den Essenszeiten gehen sie ins Haus rein. Und zum Mittagsschlaf machen. An den Schmetterlingen haben die alten Menschen die größte Freude. Sie freuen sich auch immer sehr, wenn sie mich und den Michel sehen. Und das ist ziemlich oft. Ein paar Mal am Tag. Sie winken und lachen uns zu. Und wir winken zurück und freuen uns, dass es ihnen so gut gefällt hier. Ich lache, wenn ich mit dem Springseil an den Hühnern vorbei hüpfe und sie erschreckt davon laufen. Und die alten Leute lachen auch. Sehr sogar! Sie halten sich die Bäuche vor Lachen. Und dem alten Mann rinnen oft die Tränen über die Backen beim Lachen. Die drei alten Menschen singen oft italienische Lieder. Das hört sich sehr schön an. Schade, dass ich nicht verstehen kann, was sie singen. Aber ich denke, es sind schöne Liedertexte. Die Musik klingt so lustig. Die Frauen klatschen den Takt mit den Händen mit. Und der Onkel schlägt sich mit beiden Händen auf die Schenkel beim Singen. Ich kann seine Zahnlücke sehen, wenn er singt. Auch wenn er lacht. Vielleicht hat der Onkel Angst vor dem Zahnarzt? Wie unser Opa.
Seit ein paar Tagen wohnt eine Frau auf dem Schmitzhof. Sie kommt aus Polen und heißt Nathalie. Ich habe sie aber noch nicht gesehen. Nur auf Fotos. Die Nathalie kocht und backt und macht die Wäsche für die Familie Schmitz. Weil auf den Äckern gerade so viel zu tun ist. Und irgendwann in den nächsten Tagen wird noch ein junger Mann auf den Schmitzhof kommen. Er heißt Alexander. Und er wird in den Ställen und beim Eierverpacken und auf den Feldern helfen. Das hat mir der Michel erzählt. Alexander kommt auch aus Polen. Da wird die Nathalie sich freuen. Die Nathalie wohnt im Nebengebäude. Direkt unter dem Dach. Da, wo die vielen Schwalbennester sind.
Die Nathalie hat niemand, mit dem sie in ihrer Sprache reden kann. Deutsch sprechen kann sie nämlich nicht viel. Nur, guten Tag sagen, kann sie. Und, guten Morgen. Und, gute Nacht. Und, guten Appetit. Und, danke. Und, bitte. Man muss sich doch miteinander unterhalten können. Sonst wird man ja ganz dumm im Kopf. Aber bald kommen noch mehr Erntehelfer aus Polen auf den Schmitzhof. Und ein Freund des Herrn Pfarrers, wird ihnen Deutschunterricht. Dann können die Menschen endlich miteinander sprechen.
Seit der Verwandtenbesuch auf dem Schmitzhof ist, gibt es bei den Schmitzes noch mehr Spaghetti als sonst. Fast jeden Tag. Und wir werden oft eingeladen, zum Spaghetti mit Tomatensoße essen. Der Opa mag aber nicht so gerne mit auf den Schmitzhof zum Essen. Er isst lieber unsere Kartoffeln. Mit Quark. Und Schnittlauch obenauf. Das mag der Opa ganz gerne. Der Papa hat viele verschiedene Sorten Kartoffeln gepflanzt. Festkochende, mehlige, gelbe, weiße und sogar blaue. Aber die blauen Kartoffeln will niemand kaufen. Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht, meint der Papa. Die Mama kneift den Papa in den Arm. Sie mag es nicht, wenn der Papa so daherredet.
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