Kunststoffe können auch gezielt für den Brandschutz eingesetzt werden. Die Eigenschaften bestimmter Kunststoffe können genutzt werden, um im Falle eines Brandes mehr Sicherheit zu erreichen.
Ein Beispiel ist der Einsatz von thermoplastischen Verglasungen als Lichtkuppeln. Diese werden bei der Konzeption von Gebäuden oft als Öffnungen für den Rauch- und Wärmeabzug eingeplant, da sie im Falle eines Brandes schnell schmelzen und somit Öffnungen entstehen, durch die der nach oben strebende heiße Rauch abziehen kann.
Bei Rohren kann das thermoplastische Verhalten der eingesetzten Kunststoffe einen Beitrag zur Brandsicherheit leisten. Wenn Rohre durch Brandwände geführt werden (die im Falle eines Brandes feuerwiderstandsfähig sein sollen, also einen Branddurchtritt in angrenzende Räume verhindern), können die Rohrdurchführungen Schwachstellen sein. Bei Verwendung thermoplastischer Rohre in Verbindung mit Produkten die im Brandfall aufschäumen, ist es möglich, einen Branddurchtritt zu verhindern, da die thermoplastischen Rohre durch die Hitzeeinwirkung erweichen. Diese können dann von dem aufschäumenden Brandschutz-Produkt (z. B. auf Basis von Wasserglas oder Blähgraphit) in einer Brandschutzmanschette zusammengedrückt werden – die Öffnung wird vollständig verschlossen und Flammen, Hitze und Rauch können nicht in angrenzende Räume durchtreten.
Ein weiteres Beispiel sind Dichtmassen, die beim Brandschutz eine große Rolle spielen können, z. B. bei Türen, Durchgängen und Trennwänden. Neben schwerentflammbaren Produkten spielen hier reaktive Produkte eine große Rolle. Sie bestehen in der Regel aus einer Grundmasse aus Kunststoff mit Zusatzstoffen, wie Blähgraphit. Solche Dämmschichtbildner können bis auf das 70-fache ihrer Ausgangsdicke aufschäumen. Durch diesen Effekt verschließen sie Öffnungen und Hohlräume und hindern das Feuer daran, sich weiter auszubreiten. Je nach den gestellten Anforderungen gibt es Produkte mit unterschiedlichem Blähdruck, unterschiedlicher Reaktionszeit und Wirkungsrichtung. Die komplexen und vielschichtigen Eigenschaften von Dämmschichtbildnern erlauben den individuell definierten und gezielten Einsatz und garantieren den optimalen Wirkungsgrad im Brandfall.
Kunststoffe sind brennbar, können aber dennoch im Bauwesen so verwendet werden, dass im Brandfall kein Risiko für die Bewohner entsteht. Bei einer Reihe von Anwendungen können sie sogar zur Verbesserung der Brandsicherheit eingesetzt werden.
Das Brandverhalten von Kunststoffen für den Einsatz im Bauwesen wird nach verschiedenen Prüfmethoden beurteilt. Wie bisher in Deutschland, gibt es jetzt in Europa ein Prüf- und Klassifizierungssystem, mit dem brennbare Baustoffe in verschiedene Klassen eingeteilt werden.
Die Beurteilung der werkstoffspezifischen Eigenschaften alleine hat jedoch oft wenig mit den Risiken beim tatsächlichen Anwendungsfall zu tun. Es ist und bleibt zwar sinnvoll (in Deutschland sogar vorgeschrieben), keine leichtentflammbaren Produkte zu verwenden, da diese ein besonderes Risiko für die Brandentstehung z. B. in der Bauphase darstellen, selbst wenn sie in der Endanwendung vor dem Angriff von Hitze und Flammen geschützt sind. Aber die Art und Nutzung des Gebäudes, die Verwendung und der Einbau der jeweiligen Produkte und die Eigenschaften von Verbundkonstruktionen sind entscheidende Faktoren, um für das Gebäude insgesamt ein sinnvolles brandschutztechnisches Konzept realisieren zu können. Die Bestrebungen der Gesetzgeber in vielen europäischen Ländern gehen dahin, ihre Vorschriften weiterzuentwickeln, sodass nicht mehr die bisher übliche isolierte Betrachtung von Werkstoffeigenschaften im Vordergrund steht, sondern eine brandschutztechnisch sinnvolle Gesamtkonzeption von Gebäuden. Im Rahmen von Brandschutzkonzepten können dann die jeweiligen Eigenschaften von Kunststoffen optimal genutzt und Risiken durch entsprechende konstruktive Maßnahmen minimiert werden.
[1] Study to evaluate the need to regulate within the Framework of Regulation (EU) 305/2011 on the toxicity of smoke produced by construction products in fires, 17.01.2018.
[2] Final Technical Report – SBI 2nd Round Robin, Januar 2005.
[3] Fraunhofer ISE (2020) Aktuelle Fakten zur Photovol-taik in Deutschland , 26.03.2020.
[4] Solar America Board for Codes and Standards (2010) Fire classification rating testing of stand-off mounted photovoltaic modules and systems [online] http://www.solarabcs.org/about/publications/reports/flammability-testing/pdfs/Solar%20ABCs-36-1-pager.pdf.
[5] Steemann Kristensen, J.; Merci, B.; Jomaas, G. (2017) Fire-induced reradiation underneath photovoltaic arrays on flat roofs, Proceedings of the Fire and Materials .
Edith Antonatus
B 2
Brandschutzbekleidungen und -beschichtungen
Dipl.-Ing. Peter Proschek
Riemeisterstr. 50, 14169 Berlin
Studium des Bauingenieurwesens an der Ruhr-Universität Bochum. Tätigkeit in Ingenieurbüros (Statik, Baukonstruktion). Laufbahnausbildung für den höheren feuerwehrtechnischen Dienst. Leitungsaufgaben in verschiedenen Bereichen der Berliner Feuerwehr. Referatsleiter Brandverhalten von Baustoffen, Brandschutzbeschichtungen beim Deutschen Institut für Bautechnik in Berlin.
Inhaltsverzeichnis
1 Brandschutztechnische Bekleidungen und Beschichtungen
2 Bauprodukte zur Verbesserung des Brandverhaltens2.1 Feuerschutzmittel und kesseldruckimprägniertes Holz 2.1.1 Verwendung 2.1.2 Baurechtliche Nachweise 2.2 Brandschutzgewebe zur Umhüllung von Leitungsanlagen2.2.1 Verwendung 2.2.2 Baurechtliche Nachweise
3 Bauprodukte, die zum Feuerwiderstand von Bauteilen beitragen3.1 Plattenförmige Brandschutzbekleidungen 3.1.1 Verwendung 3.1.2 Baurechtliche Nachweise 3.2 Brandschutzputzbekleidungen3.2.1 Verwendung 3.2.2 Baurechtliche Nachweise 3.3 Reaktive Brandschutzbeschichtungen auf Stahlbauteile3.3.1 Verwendung 3.3.2 Baurechtliche Nachweise 3.4 Brandschutztechnisch wirksame Bekleidung3.4.1 Verwendung 3.4.2 Baurechtliche Nachweise 3.5 Dämmschichtbildende Baustoffe3.5.1 Verwendung 3.5.2 Baurechtliche Nachweise 3.6 Ablationsbeschichtungen3.6.1 Verwendung 3.6.2 Baurechtliche Nachweise
4 Literatur
Der gleichnamige Beitrag aus dem Bauphysik-Kalender 2016 wurde aktualisiert und ergänzt.
1 Brandschutztechnische Bekleidungen und Beschichtungen
Brandschutzbeschichtungen und -bekleidungen sind Bauprodukte, die das Brandverhalten von Bauprodukten verbessern bzw. dazu beitragen, den Feuerwiderstand von Bauteilen zu gewährleisten. Die Verbesserung des Brandverhaltens von Holzwerkstoffen wird durch Kesseldruckimprägnierung oder durch Beschichten mit einer Brandschutzbeschichtung (Feuerschutzmittel) erzielt. Bei elektrischen Leitungen und Leitungsanlagen wird das Brandverhalten durch Umhüllen mit einem mit dämmschichtbildendem Baustoff beschichteten Brandschutzgewebe verbessert. Für den Feuerwiderstand von Bauteilen kommen plattenförmige Bauteile, Brandschutzputzbekleidungen, reaktive Brandschutzbeschichtungen und dämmschichtbildende Baustoffe zur Anwendung.
Im Folgenden werden brandschutztechnische Bekleidungen und Beschichtungen sowie die bauordnungsrechtlich erforderlichen Nachweise erläutert.
2 Bauprodukte zur Verbesserung des Brandverhaltens
2.1 Feuerschutzmittel und kesseldruck imprägniertes Holz
2.1.1 Verwendung
Holz ist ein brennbarer Baustoff, der bei Temperaturen > 200 °C brennbare Gase freisetzt. Die Entzündung erfolgt durch direkte Flammeneinwirkung oder durch Hitzestrahlung. Es kann zu einer schlagartigen Entzündung großer Flächen (Flashover) kommen. Der Oberflächenbrand breitet sich in der Regel schnell aus. Er ist nach Wegnahme der Zündquelle nicht selbstverlöschend. Holz ist mit einer Dicke t > 2 mm mit einer Rohdichte von > 400 kg/m 3oder mit einer Dicke t > 5 mm mit einer Rohdichte von > 230 kg/m 3ein normalentflammbarer Baustoff der Baustoffklasse B 2 nach DIN 4102-4 [1]. Für die Anwendungsfälle, in denen bauordnungsrechtlich schwerentflammbare Holzbaustoffe gefordert werden, kann dies erreicht werden durch:
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