Bismarcks Plan, Deutschland zu einer Weltmacht umzugestalten, war ehrgeizig, vielschichtig und zweifellos äußerst schwierig, wenn nicht gar unmöglich zu verwirklichen. Er war höchst pragmatisch ausgerichtet, ohne jedes idealistische Element. Indem er wuchtig in Preußens schweren Rüstungen auftrat, nutzte er, was er besaß, zu seinem Vorteil und überwand die Hindernisse, indem er Krieg führte oder mit Krieg drohte, um zu bekommen, was er wollte. Deutschland lag hinsichtlich seiner Industrialisierung vor 1850 weit hinter Großbritannien, Frankreich und Belgien zurück. Aber es verfügte, laut Wikipedia, über »sehr gut ausgebildete Arbeitskräfte, ein gutes Erziehungssystem, eine strenge Arbeitsethik, hohe Lebensstandards und eine solide protektionistische Strategie«. Bismarck verband diese Stärken in einer sehr effektiven Agenda, so dass Deutschland bis 1900 eine Führungsmacht in der Industrialisierung war, auf Augenhöhe mit England und den Vereinigten Staaten! Und dies trotz der Tatsache, dass »die Gilden, der Landadel, die Kirchen und die Regierungsbürokratien so viele Regeln und Restriktionen hatten, dass das Unternehmertum auf einer Stufe geringer Wertschätzung gehalten wurde und wenig Hoffnung auf Entwicklung besaß« – laut Wikipedia.
Dies war in der Tat eine beachtliche Leistung und bezeugt Bismarcks gewaltige und einzigartige psychische Stärke – eine Eigenschaft, die wir nun mit den Reptiloiden zu identifizieren wissen. Sie trug dazu bei, dass Bismarck keiner bestimmten Ideologie wirklich anhing, was ihm eine perfekte Flexibilität verschaffte, und dass er faktisch ein Diktator war. Dadurch war er in der Lage, das zu nutzen, was als »Realpolitik« bekannt wurde, das heißt, wenn dieses Prinzip Weltmachtgeltung erlangt: »Mit allen Mitteln zum Ziel« oder »Der Zweck heiligt die Mittel«. Es kann auch »Machtpolitik« genannt werden, da Macht auf internationaler Stufe das einzig Bedeutende ist. Manchmal wird es auch als »Frieden durch Härte« bezeichnet. Realpolitik ist eine alte, wohlbekannte Technik, die seit der Antike von hochgeschätzten Führungspersönlichkeiten angewandt wurde.
Vielleicht am bekanntesten für die Verherrlichung und Umsetzung dieses Prinzips waren Niccoló Machiavelli, der italienische politische Philosoph, der die weltweit bekannte Abhandlung Der Fürst schrieb, Friedrich der Große von Preußen, Carl von Clausewitz, der Verfasser des Buches Vom Kriege , und natürlich Napoleon Bonaparte. Adolf Hitler war sich möglicherweise nicht bewusst, dass er philosophisch in die Fußstapfen dieser Männer trat, erwies sich aber als gelehriger Schüler der Realpolitik, als er die Tschechoslowakei und Österreich vereinnahmte, ohne einen einzigen Schuss abzufeuern. Es geht weniger darum, dass diese Männer äußerst skrupellos waren, vielmehr verstanden sie die wahren Grundlagen der Macht einfach besonders gut und wussten sie sich zunutze zu machen.
Mit seinen politischen Machenschaften schuf Bismarck ein Klima, in dem die Industrie gedeihen konnte und sich infolgedessen große deutsche Konzerne entwickelten, die schnell mit jenen des Westens gleichzogen. Bismarck unterstützte sie, indem er bereits in den 1880er Jahren Wohlfahrtsprogramme für deutsche Industriearbeiter einrichtete. Er führte eine Rentenkasse sowie Unfall-, Kranken- und Arbeitslosigkeitsversicherungen ein, wodurch er Deutschland geradezu in einen Sozialstaat verwandelte. Wenn die Arbeiter zufrieden waren, machte dies auch die Konzerneigentümer zufrieden und erlaubte Deutschland, an die Weltspitze der Industriestaaten aufzusteigen. Insbesondere die deutschen Chemie-, Bergbau-, Stahl-, Eisenbahn- und Agrarkonzerne wurden, vor allem durch die Bildung von Kartellen, zu Weltklasseunternehmen. Die Eisen- und Stahlfirmen kauften die Kohleminen, wodurch zusammenhängende Produktionsanlagen entstanden, denn die Stahlindustrie bedarf großer Mengen an Kohle. Diese gemischten Firmen, so genannte Konzerne, wuchsen rasend schnell, so dass die Kohle-Produktion von zwei Millionen Tonnen im Jahre 1850 auf einhundertdreißig Millionen Tonnen 1940 anstieg und damit das Fundament für die gewaltigen Krupp-Werke sowie die furchtbare NS-Waffenschmiede des Zweiten Weltkriegs legte.
Die Eisenbahnen waren entscheidend für die deutsche Vereinigung. Während der 1830er Jahre bekam jeder der siebenunddreißig Staaten sein eigenes Eisenbahnsystem, und schon bis in die 1840er Jahre waren diese einzelnen Bahnnetze durch Hauptlinien verbunden. So war das nationale Eisenbahnnetz zur Zeit der Gründung des Deutschen Reiches 1871 eingerichtet, wuchs an und erreichte bald Gleichstand mit dem britischen System. Dies spornte das Wachstum und die Nationalisierung, insbesondere die Urbanisierung, der Stahlindustrie an, die dann schnell Fortschritte machte und an den Universitäten Forschungs- und Entwicklungszentren ausbildete. Ein Ergebnis dieser Verbindung zwischen Forschungslaboren und Produktionsstätten lag darin, dass Deutschland eine reiche und hochentwickelte chemische Industrie entwickelte und bald zu einer Führungsnation in der Chemiebranche wurde. Die Gründung der Bayer-Werke und der BASF-Labore in den 1880er Jahren katapultierte Deutschland an die weltweite Spitze der chemischen Industrie, so dass es 1914, beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs, neunzig Prozent des internationalen Handels mit chemischen Produkten beherrschte!
Wie wir noch sehen werden, hatte diese frühe Monopolisierung der chemischen Industrie gravierende Auswirkungen auf den Zweiten Weltkrieg, als diese beiden gewaltigen Firmen gemeinsam mit vier anderen das gigantische Kartell der I.G. Farben bildeten.
Abb. 3.1. Robert Friedrich Stieler: BASF-Werk Ludwigshafen (Postkarte 1881) .
Abb. 3.2. Hauptsitz der I.G. Farben in Frankfurt am Main, dem damals größten Chemie- und Pharmaunternehmen der Welt, entstanden 1925 aus dem Zusammenschluss von Agfa, BASF, Cassella, Chemische Fabrik Griesheim-Elektron, Chemische Fabrik vorm. Weiler Ter Meer, Höchst und Chemische Fabrik Kalle .
Faschismus durch Kartellbildung
Es war jedoch das Bankwesen, das den deutschen Kartellen die stärksten Wachstumseffekte brachte. Durch die Konzentration von Geld zu Investitionszwecken und die Vermeidung sämtlicher destruktiver Wirkungen des Wettbewerbs waren die deutschen Banken in der Lage, die Finanzierung bedeutender Industrien präzise zu steuern. Und dieses Ziel wiederum war dem Druck der Regierungspolitik unterworfen. Infolgedessen gehorchten die Banken Bismarcks Befehlen zur Finanzierung seiner Kriege. Gemeinsam ließen sie große Kapitalmengen in diejenigen Industrien fließen, die Bismarck für seine politische Agenda wichtig erschienen. Es war ein genial geschmiedeter Plan.
Frei von der Zeit- und Geldverschwendung, die der Wettbewerb durch ein freies Spiel der Markteilnehmer mit sich bringt, konnte Deutschland die Wirkungen des Sozialismus ohne dessen negative Aspekte genießen. Mit negativen Aspekten ist gemeint, dass alle individuellen Erfolgsanreize verschwinden, wenn die Unternehmen von der Regierung unterstützt werden. Einer der Vorteile des Sozialismus besteht ja gerade darin, dass nicht Individuen oder Konzernen die Produktionsmittel gehören, sondern der Regierung. Theoretisch erlaubt das dem Volk, eine wesentliche Stimme bezüglich der Finanz- und Produktionspolitik der Regierung zu erheben und die Gewinne zu verteilen. Wie gesagt, theoretisch. Da die Kartelle in diesem Fall zahlreiche Eigentümer haben, ist das System beinahe sozialistisch.
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