„Her mit dem blöden Kessel“, sagte Eric Winlow, der sich von dem Kellenhieb erholt hatte. „Ich repariere die Kette. Und dann rein mit dem Wasser, es wird Zeit mit dem Frühstück.“
Der Kutscher konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. Carberry indes schien nicht mehr zu wissen, ob er brüllen, lachen oder weinen sollte. Er sah nur Smoky an und fragte: „Die sind alle nicht ganz echt, wie?“
„Nun ja, wer weiß“, erwiderte Smoky. „Aber wer ist nun der erste Schiffskoch?“
„Ich“, erwiderte Cookie. „Weil ich der Koch der ‚Caribian Queen‘ bin.“
Carberry packte ihn und zerrte ihn wieder zu sich hoch. Er betrachtete ihn so geringschätzig, wie man ein Bündel alter, weggeworfener Lumpen anzusehen pflegt. In der Tat war mit einem Mann wie Cookie nicht viel Staat zu machen. Er wirkte nicht nur schmierig, er war es auch.
Seine Pfannen waren wahrhaftig nicht die saubersten, und seine Töpfe klebten. An einer Kakerlake in der Suppe sei noch niemand gestorben, außer der Kakerlake, das war seine Devise. Rod Bennet hieß er mit seinem richtigen Namen und stammte – zur Schande der Königin und ihres Volkes – aus England.
Mitte der Vierzig war er, dick und träge und von Mutter Natur mit einem einzigartigen Phänomen ausgestattet. Links hatte er keine Haare auf dem Kopf. Deshalb borgte er sie sich von rechts, und wenn sie im Wind flatterten, waren sie fast einen halben Yard lang. Mit Öl pflegte er sie sich an den Schädel zu pappen, und auch das wirkte alles andere als appetitlich.
Ja, und wenn das Essen mal wieder mißlungen war, setzten ihn Siri-Tongs rauhe Kerle wirklich schon mal auf den heißen Herd – oder ins Feuer. Das endete jedesmal mit einer Prügelei in der Kombüse.
Was nun die vorübergehende Anwesenheit vom Kutscher, Mac und Winlow an Bord betraf, so war die Crew der „Caribian Queen“ nur froh, denn endlich gab es mal „was Anständiges“ zu beißen.
„Mister Chefkoch“, sagte Carberry. „Ich gehe jetzt raus und zählte bis zweihundert, schön langsam, klar? Und wenn bei zweihundert nicht das heiße Gesöff in den Kesseln blubbert und der Marmeladenzwieback auf den Backs steht, weißt du, was ich dann mit dir tue?“
„Nein, Sir.“
„Es ist aber leicht zu erraten“, sagte Mac.
Cookie wurde frech und sagte: „Von Ihnen nehm’ ich keine Befehle entgegen, Mister Carberry.“ Seine Augen huschten hin und her, und er gewahrte, daß der Profos bereits wieder zur Suppenkelle griff. „Äh, ja – natürlich!“ stieß er schleunigst hervor. „Wird erledigt, Sir! Sofort! Auf mich kannst du dich verlassen!“
„In Ordnung“, sagte Carberry und ließ ihn los. Cookie wankte und ruderte mit den Armen, setzte sich dieses Mal aber nicht auf seine Kehrseite, weil Mac ihn auffing.
Carberry und Smoky verließen die Kombüse und traten in das zunehmende Licht hinaus. Carberry blieb stehen und blinzelte ein bißchen, dann fuhr er seine Männer an: „Was glotzt ihr mich so blöd an? Habt ihr sonst nichts zu tun?“
„Rod“, sagte Mac Pellew mit todtraurigem Gesicht. „Wir bereiten jetzt das Frühstück, und nachher geht’s weiter. Dann reparieren wir alles, was kaputt ist und klaren weiter auf. Du kratzt den Dreck aus den Ritzen, und ich schabe die Kruste von den Planken, nicht wahr, Mister Chefkoch?“
„Ja“, erwiderte Cookie, denn etwas anderes blieb ihm bei der Übermacht und dem absolut demokratischen Stimmenverhältnis von drei zu eins nicht übrig.
Die Ausguckposten wurden abgelöst. Barry Winston, Dan O’Flynn, Hilo und Jack Finnegan enterten ab und begaben sich vorläufig in die Koje. Pedro Ortiz und Diego Valeras’ enterten in den Hauptmars und Vormars auf. Auf Doppelausgucks konnte Siri-Tong jetzt, bei Tageslicht, verzichten.
Pedro Ortiz, ein Mann aus Portugal, wurde auch „Pedro sin obras“ genannt, „Pedro ohne Taten“. Aber das traf nicht ganz zu. Pedro, der knapp über dreißig Jahre alt war und pechschwarze Haare hatte, zeichnete sich als guter Rudergänger, hervorragender Seemann und mutiger Kämpfer aus. Sein Fehler war nur, daß er alles versprach und nie etwas hielt. Thorfin Njal hatte ihn seinerzeit in einer Hafenkneipe von Tobago aufgelesen, und zwar zusammen mit Pedros Freund Diego Valeras und Hilo.
Diego Valeras war Pedros bester Freund. Beide sahen zudem noch aus wie Brüder, waren aber grundverschieden. Diego hatte mehr Energie und Ehrgeiz. Er konnte lesen und schreiben und war ein Mann der Tat.
Aufmerksam beobachteten Pedro und Diego von nun an die Kimm, vor allem im achterlichen Bereich des Schiffes. Wieder zeigten sich die Verfolger nicht. Die Wahrscheinlichkeit, daß der Admiral die absurde, unsinnige Jagd aufgegeben hatte, nahm von Stunde zu Stunde zu.
„Das ist doch sonnenklar“, sagte der Boston-Mann zu Barba. „Bei Tage haben die Kerle mit ihren unterarmierten Schaluppen, die ja nur mit Drehbassen bestückt sind, keine Chance, das Abwehrfeuer unserer ‚Queen‘ zu durchbrechen, um längsseits zu gehen und zu entern.“
„Sie wären wahnsinnig, wenn sie es versuchen würden“, sagte Barba. „Aber auch bei Nacht wäre es ein höllisches Risiko. Dieser Hund wird doch seine Kerle nicht allesamt verheizen wollen.“
„Das glaube ich aber doch“, sagte der Boston-Mann. „Es würde diesem eitlen Pfau nämlich ähnlich sehen.“
„Und seine Kerle spielen damit, wie?“
„Das wäre hoch die Frage“, entgegnete der Boston-Mann und begann, über diesen Punkt nachzudenken. Nach wie vor hielt er es nämlich nicht für ausgeschlossen, daß die Schaluppen doch noch auftauchten. Sie waren schneller als der Zweidecker – und wendiger, das durfte man nicht vergessen.
Der Boston-Mann war ein großer, hagerer, dunkelhaariger Engländer aus Boston, der ehrlichste Mann aus Siri-Tongs Crew. Er war meistens eher schweigsam und sprach nur kurze Sätze. Im linken Ohr trug er einen großen, goldenen Ring. An seiner rechten Hand fehlte der Daumen. Seinen richtigen Namen kannte niemand, vielleicht nicht einmal er selbst. Er war ein verwegener und harter Kämpfer mit einem kühnen, scharfgeschnittenen Profil. Meistens, wie auch heute, trug er ein rotes Kopftuch und eine Art roter Schärpe über dem Hemd. Er war dunkeläugig, sein Gesicht war von der Sonne der Karibik verbrannt. Wenn er etwas sagte, dann behielt er meistens recht, und so sollte es auch dieses Mal sein.
Die Zeit verstrich. Gegen elf Uhr hatte die „Caribian Queen“ die Südwestspitze Haitis hinter sich gelassen und hielt weiterhin Kurs Südsüdwest. Als soeben der Klang der Glocke verstummt war, die das Durchlaufen des Stundenglases verkündete, ertönte aus dem Hauptmars die Stimme von Pedro Ortiz.
„Deck! Mastspitzen achteraus!“
Siri-Tong, Araua und die Männer richteten ihre Blicke sofort nach achtern, und wenig später hatten auch sie mit ihren Kiekern die Mastspitzen entdeckt, die sich wie feine Nadeln aus der See hoben.
Eine halbe Stunde später stellte sich heraus, daß es zwei Zweimastschaluppen waren.
„Der Admiral“, sagte die Rote Korsarin mit grimmiger Miene. „Also doch.“
„Offenbar ist es den Kerlen gelungen, auf der angeschossenen Schaluppe den Vormast erneut zu riggen“, sagte Hasard. „Eine beachtliche Leistung, das muß man ihnen bei objektiver Betrachtung der Dinge lassen.“
„Das klingt ja beinah anerkennend“, sagte sie und war alles andere als entzückt.
„Soll es aber nicht sein“, sagte der Seewolf. „Sie sind auch mir lästig.“
Jean Ribault unkte: „Das kommt noch so weit, daß uns diese Bastarde bis San Blas auf der Pelle sitzen und zuschauen, wie wir an Land gesetzt werden.“
„Hör bloß auf“, sagte Siri-Tong. „Das fehlte noch.“
„Mir drängt sich da ein Vergleich auf“, sagte Ribault. „Wir sind der edle Hirsch, der von Kötern angekläfft wird.“
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