Der Kerl war sein „Adjutant“, denn natürlich hielt der Admiral die militärische Fachsprache für angebracht. Er hatte auch einen „Stab“, der sich aus den Kapitänen der beiden anderen Schaluppen und seinem Adjutanten zusammensetzte.
Der Adjutant, zugleich Campos’ engster Vertrauter, hieß Carlos Molino und war – schlicht gesagt – ein kleiner mieser Drecksack. Er war nur auf der Welt, um andere zu beklauen, zu betrügen und zu schmarotzen. Er lebte grundsätzlich auf Kosten anderer und hurte, hungerte und soff sich durch sein erbärmliches Leben. Das war zwanzig Jahre lang gutgegangen und würde auch noch ein paar weitere Jahre gutgehen, bis Molino eines Tages in ein Messer fiel, an einem Strick aufgehängt oder von den Haien gefressen wurde.
Er war etwas kleiner als der Admiral, gerissen, durchtrieben und hinterhältig wie die meisten anderen Kerle auch.
Er stand vor dem Admiral und blickte aus rötlichen Augen zu ihm auf. Er wirkte auch noch leicht verkatert, denn er hatte die ganze Nacht durchgezecht, um auszukundschaften, wie die Spelunke am besten auszunehmen war.
„Du bist reichlich spät dran, Molino“, sagte der Admiral ungnädig. „Ich hoffe, du hast dich nur deshalb verspätet, weil du gute Nachrichten bringst.“
Auf der Gaunervisage des Adjutanten lag ein schmieriges Grinsen, als er heftig nickte.
„So ist es, Admiral, ich habe mich genau umgesehen und umgehört und dabei allerlei erfahren. Diese Spelunke da oben am Berg ist eine wahre Goldgrube. Sie ist jeden Abend bis zum Morgen brechend voll. Der Wirt heißt Diego, ein dicker, feister Kerl, der die Münzen mit beiden Händen scheffelt. Er nimmt jeden Abend ein kleines Vermögen ein. Die Münzen rollen nur so. Er hat auch eine ganze Menge Weiberchen da oben, die ihm zusätzliches Geld einbringen.“
„Hört, hört!“ sagte der Admiral grinsend. „Weiberchen also auch. Hast du auch herausgefunden, wo er die Münzen versteckt hat?“
„Er nimmt sie mit in die Küche. Offenbar versteckt er sie dort. Aber den genauen Platz werden wir schon erfahren, wenn wir ihn ein wenig ausfragen.“
„Sehr richtig, Molino. Man muß nur richtig fragen, dann singen die Vögelchen alle ganz lustig. Du bist also der Ansicht, daß es sich für uns lohnen würde?“
„Unbedingt, Admiral, unbedingt“, versicherte Molino eifrig. „Ich habe einen Blick dafür.“
„Dann schicke nachher noch zwei Mann los. Sie sollen weiter beobachten, was sich in der Spelunke tut, aber sie sollen sich unauffällig verhalten. Am besten schickst du Pablo und Escola los, die fallen nicht so sehr auf.“
„Zu Befehl, Admiral.“
Der Admiral rieb sich die Hände. Dieser Spelunkenwirt versprach eine fette Beute zu werden, wenn er das Geld nur so scheffelte.
Etwas später meldete sich ein Ausguck aus den Bergen mit der Nachricht, daß ein „ziemlich dickes Schiff“, offenbar ein Zweidecker, Kurs auf die Insel halte und wohl den Hafen anlaufe.
„Wir werden unauffällig in der Nähe des Hafens einsickern“, sagte der Admiral, „und uns einen Überblick verschaffen. Wir beide bleiben gleich bis zum Abend da. Die anderen folgen später. Man muß immer Augen und Ohren offenhalten und gut informiert sein, wenn man etwas vorhat.“
Molino gab dem Kapitän recht. Er gab ihm immer recht und kaute alles nach, was der Admiral vorkaute. So war er immer am besten gefahren und hatte keinen Streit mit dem Admiral gekriegt, der sehr biestig werden konnte, schnell mit den Fäusten und noch schneller mit dem Messer war.
Ein paar seiner Kumpane hatten diese Erfahrung bereits hinter sich, doch sie nutzte ihnen nichts mehr.
Gut eineinhalb Stunden später war der Admiral mit seinem Adjutanten am Hafen „eingesickert“, wie er das nannte. Er strich mit eitler Geste sein Bärtchen und sah einer Frau nach, die einen Wäschekorb schleppte. Schließlich pfiff er anerkennend hinter ihr her.
Die Frau drehte sich um, blieb stehen, lächelte flüchtig und ging dann weiter, während der Admiral wie ein Pfau umherstolzierte.
„Na, wirke ich nicht auf Frauen, Molino?“ fragte er stolz. „Ein Pfiff, und die Weiber bleiben stehen.“
„Sie wirken sehr anziehend auf Frauen, Admiral, ganz ungeheuer“, lobte Molino. „Alle Frauen bewundern und himmeln Sie an, Admiral.“
Luis Campos hörte solche Schmeicheleien gern. Sie gingen ihm runter wie warmes Öl, und so nickte er seinem Adjutanten wohlgefällig und gönnerhaft zu.
Sie standen etwas abseits und beobachteten den unheimlich und düster wirkenden Zweidecker, der in den Hafen einlief und mit letzter Restfahrt an die Pier ging.
„Ein tolles Schiff“, sagte der Admiral bewundernd. „Wenn ich ein solches Schiff hätte, könnte ich mir ganz große Raids leisten. Wunderbar, dieser Kasten, zum Verlieben schön.“
„Ja, das wäre ein Schiff für Sie, Admiral, das wäre genau das richtige Schiff. Aber es hat eine ziemlich starke Besatzung, da sind ja an die hundert Mann drauf“, sagte Molino verwundert.
„Ja, das fiel mir auch schon auf. Na, vielleicht bleiben ein paar Kerle hier.“
Er sah wieder zu dem düsteren Zweidecker und war fasziniert. Von oben bis unten und von vorn bis achtern musterte er das Schiff. Der Gedanke, es in seinen Besitz zu bringen, fraß sich in ihm fest und nahm konkrete Formen an. Hm, das war ein schwerer Brocken, und es waren hartgesichtige Kerle an Bord, die so aussahen, als würden sie sich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen. Aber das Schiff ließ ihm keine Ruhe mehr, es beschäftigte ihn pausenlos.
Mit dem Schiff und seiner starken Armierung könnte er in der Karibik kräftig auftrumpfen. Da konnte er sich ohne weiteres an die spanischen Handelsfahrer heranwagen, wenn sie Gold und Silber nach Spanien brachten.
In Gedanken sah er sich auf dem Achterdeck dieses Zweideckers stehen, die Hände auf den Rücken gelegt, von einer Seite zur anderen gehen und Befehle geben. Aber dazu mußte man das Schiffchen erst einmal haben.
Molino sah, wie es hinter der Stirn des Admirals arbeitete. Vermutlich sah der sich bereits als Admiral auf dem Zweidecker, denn er starrte das Schiff verträumt und besitzergreifend zugleich an.
„Sie stellen sicher taktische Überlegungen an, wie man an das Schiff herankönnte, Admiral, und sicher haben Sie auch schon einen Gedanken“, schmeichelte Molino.
„Hm, hm, ich überlege noch. Wenn da nur nicht so viele Kerle an Bord wären. Das irritiert mich ein wenig.“
„Vielleicht ginge es draußen auf See, Admiral. Hier im Hafen können wir kaum etwas ausrichten. Aber wenn wir ihn uns draußen überraschend mit unseren drei Schiffen schnappen, dann sieht das alles schon ganz anders aus.“
„Hm, hm, das muß sorgfältig überlegt werden. Aber wenn ich mir vorstelle, daß ich da auf dem Achterdeck stehe und … Zum Teufel“, unterbrach er seinen Redeschwall, „ist das nicht eine Frau, oder sehe ich schlecht?“
Dem Achterdeck hatten sie ihr Interesse nicht sonderlich gewidmet, aber jetzt starrte Luis Campos dorthin, und da traf ihn fast der Schlag. Er schluckte hart und stierte die Frau an.
„Himmel noch mal“, murmelte er fassungslos. „Die scheint auf dem Schiff die Befehle zu geben. Ja, gibt es denn so etwas? Das ist doch gar nicht möglich.“
Siri-Tong drehte sich um und sah in ihre Richtung. Aber den Admiral sah sie nicht, der verschwand in der Menge buntgekleideter Gestalten und dem Gewimmel am Hafen.
Luis Campos fühlte, wie ihm der Hals trocken wurde. Er sah ein ebenmäßiges, unwahrscheinlich hübsches Gesicht mit zwei etwas schräggestellten kohlschwarzen Augen, eine zierliche gerade Nase und einen sinnlichen Mund. Die Frau war schlank und zartgliedrig, sie trug blaue Hosen und eine knallrote Bluse, unter der sich ihre Formen klar und deutlich abhoben. Zwei Knöpfe dieser roten Bluse standen offen, und darauf stierte der Admiral jetzt mit Triefaugen.
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