Von Prados Floß erklang Gelächter, erst leise, dann lauter werdend, was Acosta zur wilden Verzweiflung trieb.
Obwohl der Blunderbuss auf ihn gerichtet war, bückte er sich erneut und wollte nach der Muskete greifen.
„Er will unbedingt ein Loch in seinem verdammten Schädel haben“, sagte Morro mit gellendem Lachen.
Acosta ließ die Muskete fallen, als sei sie aus glühendem Eisen.
Der Dürre war auch schon drauf und dran, abzudrücken und hätte sicher keinen Augenblick gezögert.
„Na schön“, knirschte Acosta. „Dann fahrt zur Hölle! Der Teufel soll euch alle holen, und wenn ihr Bastarde je wieder meinen Kurs kreuzt, dann gibt es Zunder.“
„Das gilt auch für dich“, sagte Prado. „Paß auch gut auf, daß dir nicht ein paar von deinen Kerlen ins Kreuz springen, wenn du dich umdrehst.“
Er stänkerte noch ein bißchen, um die anderen aufzuhetzen, doch die meisten hatten noch Angst vor Acosta. Sie ergriffen allerdings auch nicht seine Partei und blieben sehr wortkarg.
Dann winkte Prado Acosta lässig mit der Hand zu, als wolle er ein paar Hühner verscheuchen.
Acosta änderte den Kurs, zähneknirschend und von einer berstenden Wut erfüllt. Am liebsten hätte er Prado und seine fünf Kerle vom Floß geschossen, doch das Kräfteverhältnis war gut verteilt, denn auch die anderen waren alle bewaffnet.
„Nun reg dich wieder ab“, sagte Dino kleinlaut. „Wir brauchen die anderen ja nicht unbedingt.“
Acosta war so von Wut erfüllt, daß er eine ganze Weile lang nicht antworten konnte. Mit Haß in den Augen starrte er dem Floß nach, auf dem die „Fahnenflüchtigen“ und „Abtrünnigen“ hockten und in aller Seelenruhe dem weißen Strand einer Insel zupaddelten.
„Ich lege diesen Schweinehund um“, sagte Acosta heiser. Er wollte schon wieder zur Muskete greifen, aber Esposito drückte den Lauf mit sanfter Gewalt zur Seite.
„Bringt doch nichts ein“, sagte er ruhig. „Die zielen im Augenblick mit vier Musketen auf uns.“
Acosta hatte das in seiner grenzenlosen Wut nicht einmal bemerkt. Jetzt sah er, daß vier grinsende Kerle höhnisch über ihre Musketen das Floß anvisierten.
Da legte er die Waffe mit einem Fluch zurück. In seinen Augen aber loderte ein unversöhnliches Feuer, das vom Haß genährt war.
„Drecksbande, verfluchte“, knurrte er. „Aber wir schaffen es auch allein, ohne die Mistkerle.“
„Richtig“, stimmte Miguel zu. „Du wolltest uns doch noch deinen Plan verklaren.“
So langsam beruhigte Acosta sich wieder.
„Ja, ich habe vor, die Insel da drüben anzulaufen.“
„Da, wo Prado hin will?“
„Nein, verdammt, die andere da drüben. Dort können uns die Kerle von der Karavelle nicht sehen. Auf der Insel warten wir die Dunkelheit ab und kehren dann wieder zurück. Bei der richtigen Finsternis entern wir die Karavelle, nachdem wir uns rangepirscht haben.“
„Wir sind aber nur sechs Mann“, gab Dino zu bedenken.
„Das weiß ich selbst. Aber ich will das Gold haben, bevor es den anderen Dreckskerlen in die Finger fällt. Deshalb entern wir eben mit nur sechs Mann. Das hat auch gleich noch den Vorteil, daß wir dann um so schneller das Gold kriegen.“
Miguel und Esposito kratzten sich die Schädel, weil sie Acostas Gedankengänge nicht ganz begriffen. Die drei anderen sahen ebenfalls verunsichert aus.
„Das kapiere ich nicht ganz“, sagte Miguel lahm. „Wieso kriegen wir das Gold dann schneller?“
Acostas Gesicht nahm wieder einen hinterhältigen Ausdruck an. Er grinste jetzt auch etwas schief, denn er glaubte, wieder einmal ganz genial zu handeln.
„Ganz einfach. Wenn wir entern, dann schnappen wir uns den erstbesten Kerl, überwältigen ihn und nehmen ihn in die Mangel. Dann werden die anderen schon aufstecken, wenn sie nicht das Leben ihres Kumpans riskieren wollen.“
„Und wenn sie es trotzdem tun?“
So ganz waren die anderen von der Theorie des schnellen Goldes noch nicht überzeugt.
„Stellt keine dämlichen Fragen“, sagte Acosta. „Dann schnappen wir uns eben den nächsten Kerl. Ich möchte wissen, was da schiefgehen soll! Wir müssen nur vorsichtig sein.“
Einer hatte aber doch noch Einwände, und das war der glatzköpfige Esposito, der mißtrauisch Acosta anblickte.
„Da sind immer noch zwei Sachen, die mir nicht gefallen. Die Kerle haben Drehbassen an Bord. Wenn sie uns rechtzeitig bemerken, dann werden sie uns mit Blei beharken, daß es nur so raucht.“
„Wir werden eben so leise heransegeln, daß sie uns nicht bemerken. Und was mißfällt dir sonst noch?“
„Die Sache mit Prado. Was tun wir, wenn wir mit dem gleichzeitig bei der Karavelle sind?“
„Sind wir nicht“, behauptete Acosta. „Wir werden eher da sein, weil wir eher aufbrechen. Von dem Gold werden Prado und seine Dreckskerle überhaupt nichts sehen, und wenn sie glauben, sie könnten es uns später auf die laue Tour abnehmen, dann sind sie geliefert.“
„Hoffentlich geht alles glatt“, sagte Miguel zweifelnd, aber auch diese Bedenken räumte Acosta schnell aus.
„Sicher geht alles glatt. Einesteils bin ich ganz froh, daß Prado mit den anderen Bastarden verschwunden ist. Das hat für uns nämlich noch einen weiteren Vorteil.“
Die anderen hörten wieder interessiert zu, denn Acosta sprach diesmal mit solcher Sicherheit, als hätten sie das edle Metall bereits eingesackt.
„Welchen Vorteil?“
„Na, überlegt doch mal: Wenn die sechs Kerle weg sind, brauchen wir das Gold auch nicht mit ihnen zu teilen. Dann gehört uns alles.“
Rein rechnerisch hörte sich das gut an. Es gab nicht mehr Hälften, sondern nur noch eine Masse, die durch sechs geteilt werden mußte, obwohl sich Acosta als der Initiator wohl den größten Teil der Beute bewilligen würde. Aber dann hatten sie immer noch genug. Schließlich war es eine ganze Schiffsladung voller Goldbarren, die auf sie wartete.
Sie steuerten die Nachbarinsel an und zogen das Floß auf den Strand.
Die Dunkelheit war schon zu ahnen. Nicht mehr lange, und die Sonne würde hinter der westlichen Kimm verschwinden.
Acosta rieb sich die Hände und freute sich auf die Dunkelheit. Wenn ihnen nur einer der Kerle in die Finger fiel, dann konnten sie ihn so lange in die Mangel nehmen und piesacken, bis er das Versteck mit dem Gold verriet.
Das waren Acostas Gedanken, und daher konnte er es kaum erwarten, endlich loszuschlagen.
Auf der anderen Insel rieb man sich ebenfalls die Hände.
„Den Dreckskerl sind wir los“, sagte Prado zufrieden. „Sollen sie nur entern und sich die Schädel einrennen. Die haben offenbar die Drehbassen auf der Karavelle vergessen. Sobald die lieben Freunde bemerkt werden, ist es aus mit ihnen. Die Kerle werden sie wegputzen wie alte Lappen.“
„Hoffentlich“, sagte Senona, ähnliche Gedanken hegend wie Acosta. „Dann wird der Batzen für uns auch größer bei der Teilung.“
Das freute auch die anderen sehr.
„Weiter, weiter“, drängte Santos, „was tun wir dann?“
„Ich bin davon überzeugt, daß sich das Gold nach wie vor auf der Insel befindet, wo wir mit der ‚San Jacinto‘ gestrandet sind. Das ist für mich so sicher wie das Amen in der Kirche. Es kann gar nicht woanders sein.“
Darin stimmten ihm alle zu.
„Keiner wird so dämlich sein und sich damit abplagen, das Gold auf eine andere Insel zu schaffen“, meinte Normando.
„Richtig, das können wir voraussetzen. Wir werden daher auch in der Nacht zurückkehren, aber nicht, um die Karavelle zu entern, denn das dürfte uns nichts einbringen, wie ich schon gesagt habe.“
„Du willst Acosta das Gold holen lassen und es ihm dann bei günstiger Gelegenheit abnehmen?“ fragte Santos.
„Der hat es noch gar nicht. Wir werden die Insel anlaufen und uns dort festsetzen, um alles genau zu beobachten. Das kann ruhig einige Zeit dauern.“
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