„Ihr erhaltet jeder eine angemessene Belohnung“, sagte der Präfekt. „Vorausgesetzt, ihr erreicht vor den Hundesöhnen Arica.“
„Wir schaffen das“, versicherte ihm Delon. „Ganz sicher sogar. Wieviel erhalten wir?“
„Jeder fünfzig Dukaten.“
„Sehr gut“, sagte Ventura. „Aber wir brauchen eine gute Ausrüstung. Vor allem auch Waffen, falls wir mit diesem Dreckspack zusammenstoßen sollten.“
„Es ist bereits für alles gesorgt“, sagte der Präfekt.
Und so wurden die beiden Männer über alles informiert, was sie für ihren Auftrag wissen mußten. Sie erhielten das Schreiben, wurden ausgerüstet und zogen noch am Vormittag des 30. Dezember westwärts.
Als sie mit den vier Maultieren eine Anhöhe erreicht hatten, blieben sie stehen und drehten sich noch einmal um.
„Bald kehren wir zurück und bauen hier etwas auf“, sagte Delon. „Ich bin die längste Zeit Aufseher gewesen. Entweder eröffne ich eine Spielhölle oder ein Hurenhaus.“
„Ich bin mit dabei.“
„Und wenn wir es nicht schaffen?“
„Wir schaffen es“, sagte Ventura. „Und wir kassieren unsere Belohnung, das schwöre ich dir.“
Sie gingen weiter, Potosi blieb hinter ihnen zurück. Sie rechneten sich aus, daß sie den Banditentrupp auf dem Altiplano überholen konnten, was dann nachts geschehen mußte, wenn die „Bastarde“ und „Hurensöhne“ irgendwo campierten.
Auch der Bote nach Sucre war unterdessen mit zwei Maultieren aufgebrochen. Die Soldaten sollten so schnell wie möglich die Verfolgung der Flüchtigen aufnehmen.
Der Bürgermeister von Potosi war der festen Meinung, mit dem Trupp, der sich aus Arica in Bewegung setzen würde, und den Soldaten aus Potosi könne man die Bande von Fremden gewissermaßen von zwei Seiten packen. Der Trupp aus Potosi würde sie dem Trupp von Arica praktisch vor die Musketen treiben.
Aber es wurde auch noch ein dritter Bote in Marsch gesetzt. Er trug ebenfalls ein Schreiben bei sich, wieder vom Bürgermeister verfaßt. Es war an den Vizekönig in Lima gerichtet.
In diesem Schreiben, das von dem gesamten Stadtrat aufgesetzt worden war, wuschen die Señores ihre Hände in reiner Unschuld. Die Schuld für das, was in Potosi passiert war, schoben sie dem hochwohlgeborenen Señor Provinzgouverneur in die Schuhe, der ja nun leider entführt worden war.
Die Señores mußten zwar bekennen, daß der gesamte Minenbetrieb im Cerro Rico auf unabsehbare Zeit lahmgelegt war, zogen sich aber aus der Affäre, indem sie in dem Schreiben erklärten, sie hätten sich den Befehlen des Provinzgouverneurs Don Ramón de Cubillo beugen müssen. Im übrigen sei das Leben aller bedroht gewesen, denn die Banditen seien mit unerhörter Brutalität vorgegangen.
Natürlich mußte der Vizekönig in Lima entscheiden, was im Fall Potosi zu tun war. Don Ramón de Cubillo hatte man somit bereits abgeschrieben. Es mußte ein neuer Provinzgouverneur ernannt und eingesetzt werden, denn Don Ramón hatte eindeutig versagt. Vielleicht würde es der jetzige Bürgermeister sein? Der Bürgermeister hegte in dieser Beziehung einige Zuversicht. Schließlich war er derjenige, der im entscheidenden Moment wieder einen klaren Kopf gezeigt und die richtigen Beschlüsse gefaßt hatte.
Um den Silberabbau überhaupt wieder aufnehmen zu können, brauchte man in Potosi vor allem Arbeitskräfte. Des weiteren brauchte man einen Ersatz für die zerstörten Gerätschaften, und man brauchte auch Soldaten, mehr Soldaten für den Schutz der Stadt und ihrer Mine.
Das alles waren Angelegenheiten, die nur der Vizekönig regeln konnte. Der Bote würde Lima nicht so schnell erreichen. Also würden der Bürgermeister und die Stadträte ziemlich lange auf die Antwort des Vizekönigs warten müssen.
Am Nachmittag dieses Tages kehrten die Soldaten nach Potosi zurück. Der Stadtkommandant hatte bereits auf eigene Faust die Umkehr beschlossen. Er hatte begriffen, daß er auf einen Schwindel hereingefallen war, auf einen frechen, ungeheuerlichen Betrug von nicht zu ermessender Tragweite.
Es existierte keine „Truppe“, von der die Stadt umstellt worden war. Man war auf ein Bubenstück von beispielloser Dreistigkeit hereingefallen – nur elf Männer, darunter zwei Padres, hatten dieses Gaunerstück vollbracht. Eine Blamage sondergleichen.
Als er Potosi wieder betrat, konnte der Stadtkommandant bereits besser abschätzen, welche Auswirkungen der Überfall gehabt hatte. Alles war ausgeplündert worden, die Mine und die Münze gab es praktisch nicht mehr. Als er vom Bürgermeister und vom Polizeipräfekten vernahm, was sich in der Nacht abgespielt hatte, erlitt er einen Wutanfall.
„Schweinerei!“ tobte er. „Diese Hurensöhne! Ich stelle sie alle an die Wand!“
„Sprechen Sie jetzt von den Banditen oder von den Plünderern?“ fragte ihn der Präfekt ironisch.
„Von allen! Diese Bastarde! Ich bringe sie eigenhändig um!“
„Wir konzentrieren uns zunächst auf die Verfolgung der Banditen“, sagte der Bürgermeister. „Das ist vordringlich. Wir senden ihnen dreißig Soldaten nach.“
Der Stadtkommandant beruhigte sich ein wenig.
„Das Problem ist das Pulver“, sagte er. „Wir müssen uns das Zeug überall zusammensuchen, denn der Pulverturm ist ja gesprengt worden.“
„Dann vorwärts“, sagte der Bürgermeister und musterte den Kommandanten dabei aufmerksam. Wenn er zum Provinzgouverneur ernannt wurde, würde er diesen Mann dann in seinem Amt belassen? Oder war es besser, ihn abzusetzen? Schließlich hätte er auch viel eher bemerken können, daß er einem Schwindel aufgesessen war. Mal sehen, dachte der Bürgermeister. „Auf was warten Sie noch, Señor?“ fragte er kühl.
Der Stadtkommandant schickte seine Soldaten los. Sie mußten überall nach Pulver für ihre Waffen suchen. Sie trieben auch gut drei Dutzend volle Hörner und sechs Fäßchen auf, mit denen sie auf die Plaza eilten, wo der Kommandant die Männer auswählte, die die „Strafexpedition“ gegen die Banditen durchführen sollten.
Alvaro Gomez hatte sich längst freiwillig gemeldet.
„Teniente“, sagte der Kommandant jetzt. „Sie werden den Trupp anführen.“
„Danke, Señor Comandante.“
„Denken Sie daran, daß keiner dieser Hunde überleben darf, wenn Sie sie gefunden haben.“
„Ich werde Ihre Befehle ausführen, Señor Comandante.“
„Und Sie werden mir auch den Kopf des Anführers bringen“, sagte der Stadtkommandant voll Haß. „Den Kopf dieses teuflischen schwarzhaarigen Bastards.“
„Darauf können Sie sich verlassen“, entgegnete Gomez. Er hatte sich aber auch geschworen, sich an dem Narbenmonster mit dem Rammkinn zu rächen. Langsam würde er diesen Hund krepieren lassen, und anschließend würde er ihn enthaupten. Er konnte es kaum erwarten, aufzubrechen.
Die dreißig Soldaten waren schnell herausgesucht. Sie wurden mit Musketen und Tromblons, Pistolen und Säbeln bewaffnet. Gomez kontrollierte sie genau, dann meldete er dem Kommandanten, daß sie abmarschbereit wären.
„In Ordnung“, sagte der Kommandant. „Brechen Sie auf, Teniente. Viel Erfolg. Ich erwarte spätestens in vier Tagen Ihre Meldung vom Gelingen der Expedition.“
„Jawohl, Señor. Verlassen Sie sich auf mich“, erwiderte Gomez. Dann trat er an die Spitze des Trupps, ließ wenden und marschierte mit den Soldaten von der Plaza nach Westen aus der Stadt hinaus – vorbei an den frischen Gräbern, in denen man die Toten der Nacht beigesetzt hatte. Zehn Maultiere, die die Ausrüstung trugen, wurden mitgeführt.
Der Stadtkommandant, der Polizeipräfekt und der Bürgermeister waren sich einig: Alvaro Gomez war genau der richtige Mann für das Unternehmen. Er schäumte vor Wut und Haß über die Schmach, vor den Augen der Soldaten verprügelt worden zu sein, er konnte es nicht vergessen. Sein Haß trieb ihn voran. Er würde nicht ruhen, bis er die Banditen gestellt hatte.
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