Im übrigen war er ehrgeizig und auf Orden und Beförderungen versessen, dieser Gomez. Ein knarscher Typ, bei dem die Soldaten nichts zu lachen hatten.
Er wird es schaffen, dachte der Stadtkommandant. Er malte sich bereits aus, wie der Kopf des Oberbanditen, dieses schwarzhaarigen Bastards, im Triumphzug durch Potosi getragen wurde.
Salimbene, El Moreno und Rubirosa beobachteten von ihrem Versteck aus das Davonziehen des Trupps und grinsten.
„Seht euch diese Narren an“, sagte Salimbene. „Sie ahnen nicht, was ihnen blüht.“
„Was blüht ihnen denn?“ fragte Rubirosa. „Sie sind den Fremden, die da irgendwo durch die Berge ziehen, doch überlegen.“
„Diese Fremden“, sagte Salimbene, „haben bereits bewiesen, wie schlau und gerissen sie sind. Die werden dem Trupp da eine schöne Falle stellen, verlaßt euch drauf.“
„Na dann, zum Wohl“, sagte El Moreno und hob den Weinbecher. „Laßt uns auch darauf einen trinken, Amigos. Ich kann den Soldaten nur wünschen, daß sie sich gegenseitig den Schädel einrennen. Je weniger von ihnen in Potosi sind, desto besser ist es für uns.“
Sie lachten und stießen mit ihren Bechern an. Sie waren bereits ziemlich stark angetrunken. Es würde noch ein langer, feuchter Abend und eine ebensolche Nacht werden.
Don Ramón de Cubillo war sicher, daß er innerhalb der nächsten Stunde sterben mußte. Jagend ging sein Atem, sein Herz hämmerte wie verrückt. Er war naß vor Schweiß, und seine Knie waren weich wie die Götterspeise, die er sich in der Residenz immer gern von seinen Indiosklavinnen hatte zubereiten lassen. Wieder fiel er hin. Er wäre nicht wieder aufgestanden, wenn das Ungeheuer – Carberry – ihn nicht unsanft auf die Beine gestellt hätte.
Es war der Vormittag des 31. Dezember. Hasard und sein Trupp hatten die Cordillera de los Frailes erreicht und legten wieder eine kurze Rast ein. Aufmerksam hielten sie Umschau, aber nirgendwo in der zerklüfteten Felsenlandschaft zeigte sich auch nur der Schatten eines Verfolgers.
„Das bedeutet noch nicht, daß sie nicht hinter uns her sind“, sagte der Seewolf. „Wir halten auch weiterhin die Augen offen.“
Don Ramón legte, von Carberry angetrieben, die letzten Schritte zurück, dann plumpste er wie ein prall gefüllter Mehlsack zu Boden.
„Ich will sterben!“ jammerte er.
„Du willst nicht sterben“, sagte Carberry barsch. „Du weißt ja gar nicht, wie das ist.“
„Wie soll er es auch wissen?“ fragte Matt grinsend. „Er ist ja noch nie gestorben.“
„Wenn ich ihn so betrachte, erscheint es mir, als sei er ein bißchen dünner geworden“, sagte Ribault.
„Dünner ist gut“, sagte Gary Andrews. „Er hat wohl nur ein paar Pfunde abgespeckt.“
„Immerhin.“ Stenmark grinste breit. „Die Kur bekommt ihm gut, er begreift es nur nicht.“
Dan seufzte. „Wie sollte er auch? Der nötige Weitblick fehlt ihm ja. Er hat immer nur in Saus und Braus gelebt und sich von vorn bis hinten bedienen und in seiner Sänfte herumtragen lassen. So was schränkt die allgemeine Betrachtungsweise erheblich ein.“
„Hört mit euren dämlichen Sprüchen auf“, sagte der Profos. „Der Kerl ist für uns ein Klotz am Bein.“
„Ja, aber du kümmerst dich ja wohlwollend um ihn“, sagte Hasard. „Nur weiter so, und wir schaffen unser Tagespensum auch heute.“
„Was sagen diese Männer?“ fragte Don Ramón Pater David, der gerade in seiner Nähe stand. „Sie reden über mich. Sie verhöhnen mich.“
„Du verstehst also ihre Sprache?“ fragte der Gottesmann.
„Nein, kein Wort.“
„Wie kannst du dann wissen, daß sie dich verhöhnen?“
Don Ramón schluchzte vor Erschöpfung und Verzweiflung.
„Ich spüre es – ich weiß es“, stammelte er.
„Das ist das schlechte Gewissen“, sagte Pater David. „Und es sind deine Sünden, die so schwer auf dir lasten. Paß auf, daß sie dich nicht erdrücken.“
Don Ramóns Augen verengten sich, sein Gesicht nahm einen verschlagenen Ausdruck an. „Glaub nur nicht, daß ich dich um die Beichte bitte.“
„Ich würde sie dir auch gar nicht abnehmen“, entgegnete Pater David. „Auch eine Million Vaterunser würden nicht ausreichen, dich zu entlasten. Kein Geistlicher kann dich von dem befreien, was an Schuld auf dir lastet.“
„Was ist denn meine Schuld?“ zischte der Dicke. „Daß ich der Provinzgouverneur von Potosi bin? Ich habe nur meines Amtes gewaltet. Und wer seid ihr, daß ihr euch anmaßt, über mich zu urteilen?“
„Du bist ein Mörder“, sagte Pater David ruhig. „Du hast nicht nur genehmigt, daß die Indios im Cerro Rico zu Tode gequält werden, du hast es befohlen. Du bist ein Massenmörder, Don Ramón de Cubillo.“
„Das Indio-Pack ist von Gott dazu auserwählt, für die spanische Krone zu arbeiten“, sagte Don Ramón leise. „Das weißt du so gut wie ich, Padre.“
„Wo steht das? In der Bibel?“
„Nein. Das sagt unser König.“
„Dieser frömmelnde Halunke“, sagte Pater David erbost. „Aber das Jüngste Gericht wartet auch auf ihn, verlaß dich drauf.“
Don Ramón riß die Augen weit auf. „Was? Du versündigst dich gegen Seine Allerkatholischste Majestät? Das ist – Verrat!“
„Nenn es, wie du willst“, sagte der Gottesmann. Er blieb auch weiterhin völlig gelassen. „Aber die Verbrechen, die Spanien mit Genehmigung der Kirche in der Neuen Welt verübt, sind ungeheuerlich. Das alles wird ein böses Ende nehmen. Mord, Ausbeutung, Bestechung – Spaniens Niedergang ist schon jetzt abzusehen. In wenigen Jahren ist Spanien das Armenhaus Europas. Gold und Silber helfen nicht, sie führen zum Ruin.“
„Verräter!“ kreischte Don Ramón, aber er hatte nicht auf Carberry geachtet, der hinter ihm stand. Carberry riß ihn hoch und trat ihm mit Kraft und Wonne in seinen fetten Allerwertesten. Don Ramón stolperte ein Stück vorwärts, ruderte mit den Armen und stürzte jammernd auf seinen durchlauchten Bauch.
„Aufstehen!“ brüllte der Profos. „Auf die Beine, Dicker! Wird’s bald? Marsch! Es geht weiter! Du wirst marschieren, bis dir das Wasser dort kocht, wo du drauf sitzt!“
Don Ramón schaute auf, als Carberry bereits wieder bei ihm war und sich mit in die Seiten gestemmten Fäusten über ihn beugte.
„Nicht mehr treten“, jammerte der Dicke.
„Wirst du marschieren?“
„Ja, ich werde marschieren.“ Aus eigener Kraft rappelte sich der Dicke wieder auf und wankte voran – verfolgt von den Blicken der Männer. Er taumelte an den Maultieren vorbei – und genau in diesem Augenblick ließ Diego eins seiner fürchterlichen Hinterbackensignale los.
Don Ramón stöhnte auf.
„Gemein!“ schluchzte er. „Ihr wollt alle nur, daß ich sterbe!“
Wimmernd watschelte er weiter, gefolgt von Carberry, der Diego zugrinste und sagte: „Na, du Furzesel, was hast du denn auf dem Herzen? Willst du uns vor den Soldaten warnen? Laß die nur kommen, dann werden sie schon sehen, was sie davon haben.“
Der Trupp setzte sich wieder in Bewegung, die Rast hatte nicht lange gedauert. Tiefer drangen die Männer in die bizarre Felsenregion ein. Noch am frühen Nachmittag gelangten sie auf ein Plateau, an dessen Rand sich Berghöhlen befanden.
„So, hier bleiben wir“, sagte der Seewolf. „Das wird unser Biwak.“
Zu dem Plateau führte nur ein schmaler Bergpfad. Rechter Hand, von Potosi aus gesehen, nördlich also, waren zerklüftete Steilfelsen, die am Pfad aufragten, links ging es steil ab in unauslotbare Tiefen. Von den Steilfelsen aus, in die man aufsteigen konnte, hatte man einen hervorragenden Blick ostwärts. Von dort aus schlängelte sich der Bergpfad heran.
„Da sind zwar Biegungen und Felsnasen dazwischen, aber wir erkennen rechtzeitig genug, ob sich jemand nähert“, sagte Jean Ribault nach einer ersten Inspektion.
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