Er passierte die Deckung Don Juans.
Der glitt hinter ihm hoch und donnerte ihm den Pistolengriff auf die Pelzmütze. Aus dem Ding stieg eine Staubwolke auf. Der Waldschrat grunzte, drehte sich um und starrte den schlanken großen Spanier an, als sei der selbst ein Schrat, einer mit Ochsenhörnern und funkenschnaubenden Nasenlöchern. Den Hieb mit der Pistole hatte er weggesteckt, als sei das ein freundlicher Stups gewesen.
„Chottverdomme“, murmelte er, ließ den Schiffshauer fallen, packte die Muskete mit beiden Händen unten am Lauf, schwang sie zurück und setzte zu einem Hieb an wie mit der Axt.
Da hatten inzwischen Hasard und Dan O’Flynn Zeit genug gehabt, ihrerseits zu reagieren. Dan O’Flynn befand sich hinter dem Kerl rechts in unmittelbarer Nähe der herumschwingenden Muskete. Er packte den Kolben und entriß dem Waldschrat die Waffe.
Hasard war links hinter dem Kerl aufgetaucht, der ihm in dem Moment den breiten Rücken zudrehte, als sich Dan die Muskete bereits geschnappt hatte.
Der Seewolf klopfte dem Waldschrat den Pistolengriff nicht auf die Pelzmütze, sondern an die Schläfe. Sekunden später hieb er ihm den Pistolenlauf ins Genick.
Der Waldschrat stand still, sagte „Uaahh!“, hatte plötzlich glasige Augen und sackte in sich zusammen.
Carberry und Al Conroy tauchten auf. Don Juan wischte sich den Schweiß von der Stirn und schob die Pistole wieder unter den Gurt.
„Mann“, murmelte er, „ist das ein Brocken. Der muß einen Schädel aus Eisen haben.“
„Du hättest die Pelzmütze einkalkulieren müssen“, sagte Hasard. „Wahrscheinlich ist die doppelt und dreifach abgefüttert.“
Carberry hatte sich die Pelzmütze schon gegriffen und betrachtete sie grinsend.
„Die wär was für unseren Polaraffen, den Wikinger“, sagte er. „Ob wir sie ihm als Geschenk mitbringen? Ich meine, als Ersatz für seinen verdammten Helm. Dann hätten es seine Polarläuse darunter auch wärmer.“
„Rede keinen Unsinn, Ed“, sagte Hasard streng. „Hier wird nichts geklaut. Setz ihm das Ding wieder auf, vielleicht sind tatsächlich Läuse oder Flöhe drin. Fesselt und knebelt den Kerl. Wir nehmen ihn mit an Bord.“
Carberry knallte dem Waldschrat den Pelzhut wieder auf den Schädel, und eine zweite Staubwolke stieg auf. Der Profos hustete und wedelte mit der Hand.
„Die sollte mal gewaschen werden“, murmelte er.
Sie mußten den Waldschrat zu viert an Bord schleppen, wo sie ihn mittschiffs an Deck packten und zusätzlich mit Leinen an Klampen vertäuten. Sicher war sicher, denn der Kerl mußte über die Kraft mehrerer Ochsen verfügen, wie der gebaut war.
Hasard spähte noch einmal zum Lagerplatz der Mijnheers. Dort war nichts bemerkt worden. Sie errichteten gerade ein viertes Zelt. Über der Feuerstelle hing an einem Dreibeingestell ein mächtiger Eisenkessel. Weiteres Feuerholz wurde gehackt. Alle Kerle befanden sich an Land. Der stiernackige Kerl mit dem Hackklotzkinn war mit zehn Axtmännern zu den Muskatnußbäumen gestiefelt und tönte dort herum.
Hasard kehrte an Bord zurück und gab knapp seine Anweisungen. Es war soweit. Bei dem ablandigen Wind konnten sie noch in der Bucht die Segel setzen und hintereinander auslaufen. An Backbord und Steuerbord der beiden Schaluppen waren jeweils drei Drehbassen auf den Schanzkleidern montiert. Auf beiden Seiten waren sie feuerbereit. Ferner stand auf beiden Schaluppen noch einmal je eine Drehbasse vorn und achtern, ebenfalls bereits geladen und klar zum Schuß.
Als die beiden Schaluppen auf Kurs lagen, südwärts, Abstand zur Küste etwa vierzig Yards, waren nur ihre beiden Rudergänger und jeweils ein Mann zur Bedienung der Schoten zu sehen – auf der vorderen Schaluppe Hasard und Carberry, auf der folgenden Schaluppe Don Juan und Al Conroy. Es wirkte, als seien auf jeder Schaluppe nur zwei Mann an Bord, denn die anderen Mannen lagen in der Deckung des Schanzkleides auf der Steuerbordseite.
Die Segel waren auf halben Wind getrimmt, die beiden Einmaster liefen gute Fahrt über Backbordbug und näherten sich rasch ihrem Ziel.
Tatsächlich wurden sie ziemlich spät gesichtet. Verwunderte Rufe ertönten an Land – zunächst keineswegs alarmierend, denn da segelten ja „nur“ zwei Schiffchen heran, besetzt mit je zwei Kerlen, die dumm zu glotzen schienen, offenbar überrascht von dem, was sich ihren Blicken darbot.
Doch das änderte sich jäh, als der schwarzhaarige Riese an der Pinne der vorderen Schaluppe einen knappen Befehl rief. Plötzlich fuhren am Steuerbordschanzkleid vier Gestalten noch – dort, wo die Drehbassen in den Halterungen steckten. Und schon schwenkten sie die Läufe, zielten kurz, es krachte, und drei weißrote Blitze rasten aus den Mündungen.
Die Mijnheers standen starr und stumm.
Die Ladungen der drei Drehbassen hieben krachend und berstend in die auf den Strand geschobenen Schaluppen. Holzfetzen wirbelten durch die Luft. Bei einer Schaluppe waren Heck und Ruder zertrümmert. Zwei Kerle brüllten und wankten, getroffen von irgendwelchen herumfliegenden Holzsplittern.
Jetzt brüllten sie alle wie die Stiere. Einige hatten sich zu Boden geworfen. Der stiernackige Kerl mit dem Hackklotzkinn stürmte axtschwingend von den Muskatnußbäumen zum Strand, die anderen zehn Kerle hinter ihm her.
Als sie die Feuerstelle mit dem Kessel passierten, wurde die achtere Drehbasse der vorderen Schaluppe abgefeuert. An ihr stand ein fürchterlicher Kerl mit zernarbtem wilden Gesicht, jener, der vorher die Schoten bedient hatte. Sein Schuß hieb mit seltsamem Laut in den brodelnden Kessel, schmetterte ihn vom Dreibein und verteilte heiße Suppe. Da wurde gejault. Qualm stieg von der Feuerstelle auf.
Der Hackklotzkerl hüpfte auf einem Bein herum und hielt sich das andere mit beiden Pranken fest – kochende Suppe kann ganz schön schmerzhaft sein. Er jaulte ebenfalls. Seine Axt war einem anderen Kerl auf die Zehen geflogen. Der tanzte auch herum und heulte den Himmel an.
Mit der Suppe war’s vorerst Essig. Außerdem hatte der Kessel zwei mächtige Löcher, wüst gezackt und kaum reparierbar. Da würde der Kesselflicker kaum noch Spaß dran haben und das Ding als Schrott bezeichnen.
Indessen stand jetzt die achtere Schaluppe querab vom Schauplatz. Und auf ihr wurden die Drehbassen in dem Moment abgefeuert, als sich ein paar der Kerle berappelt und zu den Musketen gegriffen hatten, um auf die Frechlinge zu schießen.
Bei den vier Schüssen war eine gehackte Ladung dabei – rostige Nägel und Splinte. Abgebrochene Feilen und sonstige Metallstücke. Diese Ladung streute und erfaßte jene Gruppe, die mit den Musketen hantierte. Da war Holland in Not.
Und bei den vier Schaluppen flogen erneut die Holzfetzen. Ein Mast neigte sich splitternd und knirschend, stürzte auf die Zelte und schlug sie platt. Kein ganz plattes, aber ein krummes Kreuz hatte einer der Kerle, der sich fluchend aus den Zelttrümmern wühlte. Wenn er dort ein Nickerchen gehalten hatte, dann war ihm das gründlich vermiest. Er taumelte gramgebeugt und krumm, sich das Kreuz reibend, über den Sand, prallte gegen den immer noch hüpfenden Häuptling, und der verbat sich das, indem er das Hüpfen einstellte und ihm das Hüpfbein in den Hintern trat.
Mit dem Kopf voran sauste der Gramgebeugte gegen den durchlöcherten Kessel, daß es nur so schepperte. Der auf diese Weise fortgekickte Kessel rollte ins Wasser. Dem Gramgebeugten blutete der Kopf, weil er mit dem gegen die zerfransten Zacken des Ausschußloches gestoßen war. Da herrschte keine Freude.
Nein, da war alles durcheinander, sozusagen chaotisch. Die Suppe war zum Teufel, der Kessel ebenso. Der Suppeninhalt samt Fleischbatzen verschmorte stinkend auf der Feuerglut, die Zelte bildeten samt Mast einen Wirrwarr von Stangen, Segeltuch und Spannleinen, und zumindest zwei. Schaluppen – die mastlose und jene, die kein Heck und Ruder mehr hatte – waren derart ruiniert, daß sie nicht benutzt werden konnten. Und es gab jede Menge Verletzte, solche mit Brandblasen und solche, die Splittern oder der gehackten Drehbassenladung im Wege gestanden hatten.
Читать дальше