„Wir können nur eins tun“, sagte Hasard, „und zwar, ihnen den Spaß an der Holzhackerei zu vermasseln. Wenn sie damit anfangen, sind sie abgelenkt. Das ist der Moment, zuzuschlagen. Der Wind ist ablandig. Wir segeln an ihrer Landestelle vorbei und decken ihre Schaluppen mit unseren Drehbassen ein. Es müßte zu schaffen sein, wenigstens zwei Schaluppen so anzuschlagen, daß sie zumindest gefechtsuntauglich sind. Dann haben wir es noch mit den beiden anderen Schaluppen zu tun, die uns wahrscheinlich verfolgen werden. Da können wir es darauf ankommen lassen, ob wir den Kampf annehmen. Wir müssen nicht. Wir können ein bißchen die Hacken zeigen, also ausreißen, und abwarten, was sie tun. Wenn sie uns nicht weiter verfolgen, kehren wir wieder um und bieten uns an.“
„Du willst sie ärgern, wie?“ fragte Don Juan.
„Klar will ich das. Ärgern und ablenken. Wir müssen sie zwingen, daß sie sich mit uns beschäftigen – statt mit den Muskatnußbäumen. Oder hast du einen besseren Vorschlag?“
Don Juan schüttelte den Kopf. „Nein, deine Taktik ist gut, sie ist das Bestmögliche in unserer Situation.“
Eine halbe Stunde später ließen die Holländer ihre vier Schaluppen auf den Strand auflaufen, der dort seicht verlief. Es war genau jene Stelle, wo landeinwärts der Kahlschlag aufhörte und die ungefällten Bäume begannen.
Die Kerle sprangen in das flache Wasser und zogen die Schaluppen höher auf den Sand, so daß sie wie zu einer Parade nebeneinander aufgereiht waren, und zwar ziemlich dicht, was die Trefferquote der Drehbassenschüsse erhöhen würde, wie Hasard zufrieden feststellte.
Die Kerle lärmten und lachten und führten sich ganz so auf, als gehöre ihnen dieser Küstenstrich. Sie schienen sich völlig sicher zu fühlen.
Die Schaluppen wurden ausgeräumt. An einer Stelle sammelten sich langstielige Äxte und Eisenkeile an. An einer anderen Stelle wurde ein Faß aufgebockt. Daneben bereiteten ein paar Kerle eine Feuerstelle vor.
Und dann staunten die drei Beobachter doch, als die Mijnheers anfingen, Zelte zu errichten.
„Die wollen sich hier offenbar häuslich niederlassen“, sagte Don Juan verbiestert. „Das ist ja wohl der Gipfel der Unverschämtheit.“
„Ist doch praktischer“, sagte Hasard. „Da brauchen sie nicht immer hin und her zu segeln, sparen Zeit und können die Bestände an Muskatnußbäumen hier in einem Aufwasch aus der Welt schaffen. Das nenne ich nützliches Wirtschaften.“ Er hob die Hand, als Don Juan aufbrausen wollte. „Nun reg dich nicht gleich auf, alter Freund. Man muß das doch ganz sachlich sehen. Außerdem läßt es Rückschlüsse zu – zum Beispiel den, daß die Kerle einen guten Planer haben müssen, einen, der nüchtern nachgedacht und sich gesagt hat, wenn die Spanier seit soundso vielen Monaten noch nicht auf unsere Kahlschläge reagiert haben, dann sollten wir jetzt davon abgehen, unsere Unternehmungen nachts durchzuführen. Wenn wir bei Tageslicht mit der Axt arbeiten, schaffen wir die Kahlschläge in kürzerer Zeit als nachts. Ist doch klar. Oder etwa nicht?“
„Du gehst mir auf den Nerv mit deiner Sachlichkeit“, knurrte Don Juan.
Hasard und Dan O’Flynn grinsten sich an. Der gute Don Juan war wohl doch noch etwas empfindlich, wenn es um eine spanische Sache ging, die wie in diesem Fall seitens seiner Landsleute absolut sauber und nicht leicht zu beanstanden war. Denn gegen das Abernten von Muskatnüssen zum Zwecke der Geschmacksbereicherung von Speisen war nichts einzuwenden. Nein, hier waren ausnahmsweise einmal nicht die Spanier die Sünder und Bösewichte, sondern die Holländer, und denen wäre Don Juan am liebsten gleich an die Gurgel gesprungen, ohne lange zu fackeln.
„Man muß“, sagte Hasard, „einen Gegner immer kühl analysieren, sonst unterlaufen einem Fehler. Wenn es ein letzter Fehler war, folgt nur noch die Himmelfahrt.“
„Jaja“, maulte Don Juan. Er war wirklich gereizt.
Hasard runzelte die Stirn, sagte aber dennoch freundlich: „Juan, wenn wir nachher kämpfen, dann denke bitte daran, daß du die Verantwortung für ein Schiff und eine Mannschaft hast.“
„Weiß ich.“
„Dann ist es ja gut“, sagte Hasard. „Aber wenn du nachher den wilden Stier spielst, nur um deine Aggressionen loszuwerden, dann ziehe ich dir die Ohren lang – so wir uns wiedersehen. Hast du verstanden?“
Don Juan biß sich auf die Lippen und erwiderte: „Aye, aye, Sir, verstanden. Ich bin ein Hitzkopf, wie?“
„Das hast du gesagt. Aber richtig, wir brauchen einen kühlen Kopf, wenn wir uns mit den Kerlen einlassen.“
„Du sprachst eben von dem ‚guten Planer‘“, sagte Don Juan. „Aber so gut ist der gar nicht.“
„Wieso nicht?“
„Für die Holländer wäre es ein Spaziergang, Davao zu überfallen und die kleine Stützpunktbesatzung in die Hölle zu jagen. Sie könnten sich dort festsetzen und brauchten die Muskatnußbäume nicht mehr zu fällen, sondern nur noch abzuernten.“
„Ein guter Einwand“, sagte Hasard. „Aber vermutlich wissen die Mijnheers nicht, wie schwach der Stützpunkt besetzt ist.“
„Entschuldige bitte, Hasard“, sagte Don Juan, „aber daraus kann ich nur den Schluß ziehen, daß die Käsefresser weder einen guten Planer haben noch nüchtern nachdenken. Wer den einzigen Stützpunkt des Gegners im weiten Umkreis nicht erkundet, handelt einfach dumm. Für mich sind das Hornochsen.“
„Mag sein, daß es stimmt, was du sagst“, meinte Hasard, „aber auch Hornochsen würde ich nicht unterschätzen. Sind wir uns in diesem Punkt einig?“
„Einverstanden.“
Inzwischen hatten die „Mijnheers“ weiter ausgepackt, auch Kisten und Säcke, in denen sie offenbar Lebensmittel hatten. Es sah ganz so aus, als hätten sie die Absicht, sich erst einmal zu stärken, bevor sie die Äxte schwangen. Auf der Kochstelle wurde ein Feuerchen entfacht. Allerdings waren ein paar, andere Burschen damit beschäftigt, die Äxte zu schärfen. Vielleicht futterten sie schichtweise.
Bei dem ganzen Haufen gab ein stiernackiger, rotgesichtiger Kerl den Ton an, ein Kerl wie ein Hackklotz bis hin zum Kinn, auf dem man Holz spalten konnte. Unter dem knappen, vorn weit offenen Hemd, das eine blondbehaarte Brust freigab, wölbten sich Muskelberge. Mit den langen Affenarmen konnte er sich in den Kniekehlen kratzen.
Einmal war er verärgert und langte einem der Kerle ein Ding an die Ohren. Das Klatschen war bis zu den Mangroven zu hören. Dan O’Flynn war es, der dabei ein bißchen zusammenzuckte. Der Kerl überkugelte sich in einer Sandwolke. Und als er sich wieder aufgerappelt hatte, törnte er wacklig ins Wasser, weil ihm wohl der Durchblick fehlte oder abhanden gekommen war. Die anderen Holzhacker lachten sich halbtot.
Das hätte Carberry sehen müssen, dachte Hasard.
Indessen palaverte der Hackklotz bereits mit einem anderen Waldschrat herum, deutete nach Norden und schien ihm Anweisungen zu erteilen.
So war es. Der Waldschrat, bärtig und trotz der Hitze mit einer Pelzmütze auf dem massigen Schädel, nickte mehrere Male, schulterte dann eine Muskete und marschierte los – nordwärts, auf das Mangrovendickicht zu.
Ob der Kerl auf die Jagd geschickt worden war oder nach Norden hin Ausguck halten sollte, war unerheblich. Aber wenn er die Bucht erreichte, würde er die beiden Schaluppen entdecken.
Hasard zog die Pistole aus dem Gürtel, Don Juan und Dan ebenfalls. Hasard nickte ihnen stumm zu und drang mit ihnen etwas nach Süden vor, dorthin, wo der Kerl vermutlich das Mangrovendickicht erreichen würde. Sie verteilten sich und gingen zwischen den Stelzenwurzeln der Mangroven in Deckung.
Der Waldschrat brach wie ein massiger Elch in das Dickicht ein und bolzte sich eine Schneise. Wo er sich nicht hindurchdrängen konnte, setzte er einen Schiffshauer ein, daß die Fetzen flogen.
Читать дальше