Es bumste zweimal. Beim ersten Mal, als Hammer und Kinn aufeinandertrafen, und das zweite Mal – einen Lidschlag später –, als der Schädel des Waldschrats an den Mast krachte.
Der Waldschrat schaute überkreuz, dann wurden seine Augen wieder glasig, und er nippelte ab – dies stehenden Fußes, da er ja fest an den Mast gewickelt war. Nur der Kopf sackte ihm nach vorn, wobei der Pelzhut auf die Planken fiel. Der Profos beförderte ihn mit einem Fußstoß, der wieder einmal eine Staubwolke erzeugte, außenbords.
„Schade“, sagte Hasard. „Ich hätte mich gern mit ihm verständigt, daß er seinen Leuten verklaren soll, hier ein für allemal abzuziehen.“
„Sir“, entgegnete der Profos, „dieser Mistkerl hätte dir was gehustet – oder er hätte dich auch angespuckt. Wetten?“
„Lieber nicht.“
Auf der Gegner-Schaluppe kletterte der letzte Schiffbrüchige an Bord – der Hackklotz. Das Bad hatte ihn keineswegs abgekühlt. Er brüllte deren Kapitän an, als sei der schuld, daß auf der Führer-Schaluppe die Drehbasse auseinandergeflogen war.
„Wir greifen an!“ rief Hasard zu Don Juan hinüber. „Aber von zwei Seiten! Ich gehe nach Westen!“
Don Juan zeigte verstanden, ließ die Fock bakhalten und fiel auf Südkurs ab. Hasard kreuzte nach Westen auf und ging dann ebenfalls auf Südkurs. Auch die Schaluppe segelte diesen Kurs. Die Kerle hatten wohl eingesehen, daß ihre Chancen, dem Gegner einzuheizen, mit dem Verlust einer Schaluppe erheblich vermindert waren. Die Situation hatte sich gewandelt. Jetzt waren sie nicht mehr Jäger, sondern Gejagte.
Hasard und Don Juan holten mit ihren Schaluppen auf, Hasard westwärts des Gegners, Don Juan ostwärts. Aber es war ein Rennen gegen den sinkenden Tag. Die Sonne stand über dem westlichen Horizont, in diesem Fall der Bergkette, die sich tiefer im Land von Süden nach Norden hinzog und bis nach oben zur Nordküste von Mindanao reichte.
Hasard erkannte, daß es ein totes Rennen werden würde. Sie würden erst auf Schußweite heran sein, wenn die Dunkelheit anbrach. Und dann wurde die Situation unübersichtlich. Er ging auf Südostkurs, kreuzte das Kielwasser der Gegner-Schaluppe und ließ Carberry einen Musketenschuß in die Luft abfeuern.
Don Juan wandte den Kopf, und Hasard stieß den Arm nach Osten, um anzudeuten, daß sie sich dort treffen sollten. Don Juan verstand und fiel vor den Wind ab.
Die Kerle grölten, und dieses Grölen drückte Erleichterung aus. Sie hatten schon mächtig geschwitzt.
Don Juan wartete, bis Hasard zu ihm aufgeschlossen hatte und längsseits glitt. Die Dämmerung lag jetzt über dem Golf von Davao. Die Bergkette im Westen schimmerte noch rot.
„Na?“ fragte Don Juan lächelnd. „Hatte keinen Zweck mehr, wie?“
Hasard nickte. „Ich wollte ein Nachtgefecht vermeiden und schlage folgendes vor: einer von uns bleibt hier und hält die Kerle ein bißchen in Trab – mit der gebotenen Vorsicht, versteht sich, aber so, daß sie keinen Spaß an der Nachtruhe und noch weniger am Bäumefällen haben. Der andere segelt nach Davao, alarmiert die Arwenacks und lotst die ‚Santa Barbara‘ hierher, das heißt, an einen Punkt nördlich des Lagers, wo der größte Teil der Mannen an Land gesetzt wird, um das Lager aufzurollen und den Kerlen Manieren beizubringen.“
„Einverstanden. Wer bleibt hier, wer segelt nach Davao?“
„Du hast unseren Scharfschützen an Bord“, erwiderte Hasard grinsend, „und sonst bist du ja auch ziemlich scharf.“
„Das heißt, ich bleibe hier?“
„Du mußt nicht, bewahre! Ich übernehme das genauso gern, mein Guter!“
„Nein, nein!“ sagte Don Juan hastig.
„Na also. Braucht ihr noch was? Essen oder was zum Gluckern? Munition?“
Al Conroy meldete sich: „Drehbassenkugeln und Pulver, Sir!“
„Geht klar.“
Und so wurde Hasards Schaluppe um das Gewünschte geleichtert, und Carberry reichte Al Conroy eine Buddel „Zielwasser“ übers Schanzkleid, da kannte er nichts, da war er heroisch.
„Sag mal, Ed“, fragte Hasard, „wie viele Rumbuddeln hast du hier eigentlich an Bord geschleppt?“
„Ich?“ Der Profos tat sehr erstaunt. „Das war Mac Pellew, Sir, mein Freund und Blutsbruder.“
„Wie viele?“ bohrte Hasard.
„Äh!“ Der Profos kratzte sich im Genick. „Ich glaube, es sind sechs für jeden von uns eine, nicht? Und jetzt verzichte ich auf meine und hab sie Al gegeben, damit er sich etwas Gutes antun kann, und weil die Nächte immer so lausig sind, nicht?“
Hasard seufzte nur. Carberry war das Salz dieser Erde – und zugleich der letzte Sargnagel. Sechs Flaschen Rum für eine nachmittägliche Trimm- und Spähfahrt! Na ja, jetzt ging es in die Nacht.
„Habe ich nicht gut vorgesorgt, Sir?“ tönte prompt der Profos. „Denn wir werden uns ja auch die Nacht um die Ohren schlagen müssen, was, wie?“
„Das konntest du aber vorher nicht wissen, Ed“, sagte Hasard sanft. „Oder trittst du jetzt in Konkurrenz zu Old Donegal?“
„Das bestimmt nicht, Sir“, versicherte der Profos. „Aber schau mal, der Mister Tucker braucht immer leere Flaschen für seine Flaschenbomben, nicht? Und er hat mich gebeten, ihm zuzuarbeiten, was bedeutet, ihm leere Flaschen zu besorgen. Und ich ersehe es als meine Pflicht, seine Bitte getreulich zu erfüllen, woraus folgert, daß ich mich um das Leeren von Flaschen kümmern muß. Je schneller wir sie austrinken, desto früher kann Mister Tucker einen Vorrat an Flaschenbomben anlegen. Ist doch logisch, nicht?“
Da seufzte Hasard ein zweites Mal.
Carberry faßte das als Zustimmung auf, strahlte und sagte: „Siehst du, Sir, es hat alles seine Richtigkeit. Und was mein Zuarbeiten für Mister Tucker betrifft, da kannst du dich voll und ganz auf mich verlassen.“
„Das glaube ich“, sagte Hasard aus tiefster Überzeugung und mit dem gewissen Ton, den auch Carberry kannte, nämlich als Warnung, seinen Kapitän nicht für dumm zu verkaufen.
So wurde dieses Thema nicht weiter ausgesponnen. Die Dunkelheit war da, es wurde Zeit, sich zu trennen. Von der Küste drüben im Westen war nichts mehr zu sehen – nur ein roter Lichtpunkt, der andeutete, daß dort wieder ein Feuerchen brannte. Aber die Kerle würden nicht merken, daß eine Schaluppe nordwärts segelte und die andere zunächst weiter im Wind liegen blieb.
Hasard und Don Juan sprachen sich noch kurz ab, dann löste sich Hasards Schaluppe von der anderen und ging auf Nordkurs. Minuten später wurde ihr Schatten von der Dunkelheit verschluckt.
Don Juan war sich sicher, daß die Kerle nach allem, was bisher passiert war, scharf aufpassen und ihr Lager nach allen Seiten abschirmen würden, also auch zur See hin. Es gehörte nicht viel Scharfsinn dazu, davon auszugehen, daß sie ihr besonderes Augenmerk nach Norden richten würden, wo Davao lag und von wo die beiden Gegner-Schaluppen herangesegelt waren.
Daher ging er jetzt auf Südkurs in der Absicht, sich dann auch von Süden her an das Lager heranzupirschen und von Land her die Lage zu peilen, bevor er – nach einer Formulierung des Siri-Tong-Steuermanns Barba – „die Kuh fliegen ließ“. Er mußte wissen, ob sich südlich des Lagers ein Posten befand.
Als Gary Andrews vom Bug der Schaluppe aus weit voraus an Backbord den roten Lichtpunkt des Feuers sah und meldete, drehte Don Juan auf Land zu und ließ die Schaluppe in einer kleinen geschützten Bucht auf den Sand laufen. Sie warteten ab und lauerten. Der Küstendschungel wirkte wie eine dunkle schweigende Wand. Nur vom Lagerplatz her ertönten gedämpfte Geräusche – Männerstimmen, Klopfen und Hämmern. Es konnte sein, daß die Kerle den Mast der am Heck beschädigten Schaluppe auf die andere Schaluppe ummontierten und dort aufriggten. In unmittelbarer Nähe der kleinen Bucht tat sich nichts. Nur auf dem schmalen Sandstrand krabbelten hurtig ein paar Krebse mit rundem Rückenschild herum und verschwanden in winzigen Löchern.
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