An den Tischen vor der Trattoria herrschte eindeutig Frauenüberschuß. Die wenigen Seeleute, die der Sprache nach aus Sizilien und Spanien stammten, reichten an Zahlenstärke nicht aus, um die Unterhaltung der Ladys zu gewährleisten – wozu in erster Linie eine gewisse Zahlungskraft gehörte.
Die Arwenacks, das sagte der weiblich-fachmännische Blick auf Anhieb, waren nicht nur verteufelt prächtige Mannsbilder, sondern sie sahen auch ganz danach aus, daß sie die Puppen tanzen lassen konnten.
Der Profos und seine Gefährten suchten sich einen Tisch ganz vorn aus, unmittelbar an der Piazza. Der Inhaber erschien zusammen mit einem Gehilfen, um sich nach ihren Wünschen zu erkundigen. Die Arwenacks entschieden sich für Rotwein, Schinken und frisches weißes Brot.
Der geräucherte Schinken, zum knusprigen Brot in hauchzarte Scheiben geschnitten, zerging auf der Zunge. Und der Rotwein rann so sanft in die Kehle, daß die Männer an englisches Bier, schottischen Whisky und karibischen Rum keinen Gedanken mehr verschwendeten.
Die weibliche Gesellschaft ließ nicht lange auf sich warten.
Kichernd und schnatternd, hüftenwiegend und glutäugig schoben sich die Signorinas heran. Eine Verständigung, die ohnehin nicht möglich schien, erübrigte sich vorerst. Gesten genügten. Die Wahl einer drallen Brünette fiel nach kurzem und tiefem Blickkontakt auf Carberry. Sie ließ sich neben ihm auf der Bank nieder.
Der Gehilfe des Inhabers brachte neue Trinkbecher und nachgefüllte Weinkrüge. Die Stimmen der Arwenacks und auch der übrigen Seeleute wurden lärmender und ausgelassener. Die Signorinas kreischten gelegentlich, wenn eine allzu vorwitzige Hand in Gegenden vordrang, deren Erkundung zu diesem Zeitpunkt noch nicht genehm war.
Carberry hatte inzwischen herausgefunden, daß seine Brünette auf den Namen Consuela hörte und einen spanischen Vater und eine sardische Mutter hatte. Consuela beherrschte ein paar spanische Wörter. Indem sie sich an den großen Mann mit dem Narbengesicht schmiegte, gestand sie ihm, daß er ihr mächtig gut gefalle. Er blickte sie grinsend von der Seite an, um den Wahrheitsgehalt ihrer Äußerung zu prüfen.
Mindestens zur Hälfte, so stellte er fest, stimmte es. Das Prachtweib war eine Sünde wert.
Consuela strich mit den Fingerkuppen über seine Armmuskeln.
„Starker Mann!“ hauchte sie voller Bewunderung.
„Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben“, entgegnete er auf Spanisch und grinste dazu.
Consuela kicherte und hielt sich die Hand vor den Mund. Plötzlich verstummte sie, als hätten ihre Stimmbänder auf einmal alle Kraft verloren.
Auch die anderen wurden still. Überall auf der Piazza versickerten die Gespräche. Nur die Arwenacks und die übrigen Seeleute, die nicht aus Cagliari stammten, begriffen nicht auf Anhieb, was los war.
Carberry sah Consuela an, und dann blickte er auf die Piazza, wohin ihre dunklen Augen starr gerichtet waren. Die restlichen Männer von der Schebecke wurden ebenfalls in diesen Sekunden aufmerksam.
Jene, auf die sich alles Interesse konzentrierte, stolzierten von stadteinwärts auf die Piazza. Dreizehn geschniegelte Affen, wie Carberry nach raschem Zählen feststellte.
Auf Anhieb fühlten sie sich als Beherrscher der Szene. Das zeigten allein ihre hoch erhobenen Nasen, die blasierten Mienen und die gespreizte Art ihres Gangs. Alle dreizehn trugen blitzblanke Schnallenschuhe, weiße Strümpfe, dunkle Beinkleider und silber- und golddurchwirkte Oberbekleidung. Auch ihre Pistolen und Dolche hatten überwiegend ziselierte Griff stücke.
Wie es das Verhängnis wollte, steuerten die Geschniegelten ausgerechnet auf jene Trattoria zu, vor der sich die Arwenacks niedergelassen hatten.
Der Anführer, der seine Anweisungen mit knappen Handbewegungen gab, war ein mittelgroßer, breitschultriger Kerl mit düsterem Vollbart. Er zog sein Barett vom Kopf, und eine kurzgeschorene schwarze Haarmatte wurde sichtbar, als er zu einem freien Tisch in der Nähe der Arwenacks wies.
Die Geschniegelten ließen sich nieder. Ihre Sprache klang so geziert wie ihr gesamtes Auftreten. Der Inhaber der Trattoria eilte mit zwei Gehilfen herbei, und alle drei mußten vor lauter Verbeugungen Mühe haben, mitzukriegen, was die hochwohlgeborenen Gäste bestellten. Weinkrüge wurden herbeigeschleppt, Brot in flachen Körben, die mit weißen Tüchern ausgelegt waren. Den Schinken servierte der Inhaber persönlich auf silbernen Platten.
„Scheint so, als ob die Kerle vor Geld stinken“, sagte Carberry gallig.
Die Arwenacks grinsten und nickten zustimmend.
Consuela legte warnend den Zeigefinger auf die Lippen. Eine unerklärliche Anspannung hatte sie und ihre Gefährtinnen erfaßt.
Die bevorzugten Gäste des Hauses waren mit allen Gaumengenüssen versorgt. Der bärtige Anführer sah sich kurz um. Dann schnalzte er zweimal mit den Fingern.
Die Signorinas, die den Arwenacks und den anderen Seefahrern Gesellschaft leisteten, sprangen auf und eilten zum Tisch der Geschniegelten, wo sie sich neben den Kerlen niederließen und sich bereitwillig den gierigen Händen aussetzten.
Carberry sprang auf und hieb mit der Faust auf den Tisch, daß es krachte.
„Ho, ho!“ brüllte er und fuhr auf spanisch fort, das die meisten hierzulande verstanden: „Scheint so, als ob ich meinen eigenen Augen nicht mehr trauen kann, was, wie? Ihr seid auf der Stelle wieder hier, Signorinas, oder wir holen euch!“
Die Geschniegelten bedachten ihn nur mit einem flüchtigen Blick und nahmen keine weitere Notiz. Consuela, von dem Bärtigen mit Beschlag belegt, schüttelte den Kopf und versuchte dem Profos mit verzweifelter Miene zu verklaren, daß man sich um Himmels willen nicht mit diesen Männern anlegen dürfe.
Doch solche Hinweise drangen in den Schädel Carberrys beim besten Willen nicht vor. Und bei seinen Gefährten verhielt es sich kaum anders.
Er stand auf. „Sieht so aus, Freunde, als ob dies ein gemütlicher Abend wird.“
Die Arwenacks grinsten und erhoben sich ebenfalls.
Am Nachbartisch führten die Geschniegelten näselnd ihre Gespräche und betätschelten dabei die bereitwilligen Ladys.
Der Profos hielt seine Gefährten noch für einen Moment zurück.
„Consuela!“ rief er dröhnend. „Habt ihr nicht gehört? Was fällt euch ein, einfach abzuhauen? Ich zähle bis drei. Wenn ihr dann nicht wieder hier seid …“ Er ließ den Rest seiner Drohung unausgesprochen, damit jeder, den es anging, sich seinen Teil denken konnte.
Consuela verdrehte entsetzt die Augen.
Die Geschniegelten taten noch immer, als wären sie die einzigen Gäste der Trattoria.
„Eins!“ donnerte die Stimme des Profos.
Der Bärtige unterbrach mit unwilliger Miene das Gespräch mit seinem Nebenmann und hob den Kopf, als sei eine vorwitzige Mücke an seiner Nase vorbeigeschwirrt.
Consuela und ihre Gefährtinnen sahen aus, als würden sie am liebsten im Erdboden versinken.
„Zwei!“
Batuti und Smoky setzten sich als erste in Bewegung – langsam, scheinbar noch zögernd. Matt Davies folgte dem Beispiel des Gambianegers und des muskulösen Decksältesten. Wie unbeabsichtigt hob Matt seine Rechte mit der furchterregenden Hakenprothese.
Consuela sprang als erste auf und nahm mit einem spitzen Schrei Reißaus. Die anderen folgten ihr im Abstand von Sekundenbruchteilen.
„Drei!“ brüllte Carberry und stemmte die Fäuste in die Hüften.
Mit gespielter Verwunderung blickte er den Signorinas nach, die in die nächstgelegene Gasseneinmündung flohen. Ihre Angstschreie und die trippelnden Schritte waren noch zu hören.
„Ja, hat man da Töne!“ sagte der Narbenmann kopfschüttelnd. „So was von Ungehorsam!“
Der Bärtige bereitete sich nicht einmal die Mühe, aufzustehen. Die anderen taten noch immer, als seien die Arwenacks Lebewesen von einer fremden, minderen Art, die zu beachten sich nicht lohne.
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