„Ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln. Was ist es?“
Porfirio nahm einen weiteren Schluck Wein. „Ich habe über einen berühmten Engländer gelesen, einen gewissen Sir Walter Raleigh.“
„Ist mir bekannt“, sagte Blacky.
„Persönlich?“ Der Händler sperrte die Augen weit auf.
„Natürlich nicht. Ich bin ein einfacher Decksmann, Porfirio, kein Mann von Adel. Der Kapitän unserer Crew, Sir Philip Hasard Killigrew, hat den ausreichenden Rang, um mit einem Sir Walter zu verkehren.“
„Nun, ihr Engländer seid in solchen Dingen ein bißchen zu genau.“ Porfirio winkte ab. „Aber darum geht es mir nicht. Dieser Sir Walter, heißt es, habe eine bei uns unbekannte Pflanze mitgebracht, die man Tabak nennt. Oder Tobak, Tobacco oder so. Lassen wir es bei Tabak, das klingt am einfachsten. Was weißt du darüber?“
„Nicht viel.“
„Sag es mir!“ drängte Porfirio. „Jede Kleinigkeit kann für mich wichtig sein. Sag mir alles, was du weißt.“
„Warum, zum Teufel?“ Blacky setzte sein Glas an und nahm genußvoll einen langen Schluck. „Ich bin doch völlig unmaßgeblich. Außerdem weiß ich auch nur das, was ich von anderen gehört habe.“
„Stell dein Licht nicht unter den Scheffel. Du bist in der Welt herumgekommen, ich dagegen über die Stadtgrenzen von Cagliari nicht hinaus. Sag schon! Was hast du von Sir Walters Tabak gehört?“
„Man stopft das Zeug in tönerne Pfeifen, zündet es mit einem Kienspan an und atmet den Qualm ein.“
„Wer ist ‚man‘?“
„Die Ladys und Gentlemen in Adelskreisen. In London soll es sogar schon sogenannte Rauchsalons geben. Aber ich habe nie einen gesehen. Das kann ich also nicht bestätigen.“
„Aber es kommt in Mode, das Rauchen?“
Blacky nickte. „In den größeren Städten der Neuen Welt stolzieren die Dons qualmend herum. Daß sie damit eine Angewohnheit des roten Mannes nachahmen, stört sie kein bißchen.“
„Und ihr Engländer? Ahmt ihr Sir Walter nach?“
„Ich jedenfalls nicht. Und er hat diesen Tabakkram von einer Expedition mitgebracht. Ob die königliche Lissy davon erbaut war, ist mir nicht bekannt. Jedenfalls hat sie die Qualmerei nicht verboten.“
„Daran hat sie gutgetan“, sagte Porfirio mit eifrigem Nicken. „Wie ich schon sagte: England gehört die Zukunft.“
„Ich verstehe nicht, was die Zukunft mit Tabak zu tun hat.“ Blacky blickte unauffällig an der Schulter seines Gastgebers vorbei. Porfirio hatte nicht bemerkt, daß das Klappern in der Küche verstummt war.
Gigliola lehnte im offenen Durchgang zwischen den beiden Räumen und sah Blacky voller Sehnsucht an.
Er versuchte, ihr seinerseits mit Blicken mitzuteilen, daß er sich mächtig anstrengen würde, um das Gespräch unter Männern so bald wie möglich zu beenden. Gigliola zog sich leise seufzend zurück und fuhr fort, in der Küche zu hantieren – wohl mehr, weil ihr nichts anderes übrigblieb.
Porfirio ergriff Blackys Unterarm. „Tabak, mein Junge, ist die Zukunft. In England hat man erkannt, welche Bedeutung diese neue Ware und welche Bedeutung der Handel damit hat. Die Spanier haben das noch nicht begriffen. Und jene, die sich drüben in Neu-Spanien am Tabakrauch erfreuen, denken nur über eins nach – wie sie ihren Tagesablauf so angenehm wie möglich gestalten können. Nicht aber über die großen, weltweiten Zusammenhänge.“
Blacky ergriff die Weinflasche und schenkte das Glas seines Gegenübers voll.
„Ich verstehe“, sagte er, während er in sein eigenes Glas nur ein paar Tropfen fließen ließ. „Du bist also der Meinung, daß die Engländer den künftigen Welthandel mit Tabak an sich reißen werden.“
„Vielleicht nicht auf die Dauer. Aber sie werden immer ein gewichtiges Wort mitzureden haben. Davon bin ich überzeugt.“
Blacky hob sein Glas und prostete ihm zu. „In Ordnung, und warum erzählst du mir das alles?“
Porfirio trank und senkte seine Stimme abermals zum Flüsterton. „Ich will in den Tabakhandel einsteigen, mein Junge. Und du könntest mir dabei helfen. Verstehst du? Knüpfe in England für mich Verbindungen an, werde mein Agent, mein Dolmetscher und, wenn du dich mit Gigliola gut verstehst, auch …“ Er grinste und winkte ab. „Lassen wir das. Zuviel Zukunftsmusik bringt Unglück. Halten wir uns an das, was wirklich greifbar ist. Und das ist der Tabak. Ich werde hier in Cagliari das Monopol haben, Blacky. Und wenn wir beide clever genug sind, bauen wir sogar das Monopol für ganz Sardinien auf. Wir werden unvorstellbare Gewinne einstreichen.“
Blacky stieß die Atemluft durch die Nase. „Es fällt mir schwer, das zu glauben, Porfirio.“
„Warum?“
„Ein gewisser Don Marcello Struzzo würde dir beim Gewinn-Einstreichen bestimmt nicht tatenlos zusehen.“
Porfirios Gesicht verlor an Farbe. Er leerte sein Glas in einem Zug und schob es Blacky zum Nachfüllen hin.
„Wir werden uns eben etwas einfallen lassen müssen“, sagte der Händler unsicher. Seine Zunge stieß beim Sprechen bereits kaum merklich an. „Klippen sind schließlich dazu da, daß man sie umschifft, nicht wahr?“
Blacky nickte, lächelte und bediente ihn mit einem vollen Glas.
Die laue Luft des frühen Abends strich über den Hafen von Cagliari. Der Windhauch hätte kaum ausgereicht, um dem Dreimaster die Segel zu füllen. Eine Atmosphäre von Entspanntheit bestimmte das Geschehen in der Stadt.
Carberry spürte es genauso wie die Arwenacks, die sich seinem „Kommando“ angeschlossen hatten. Batuti, Smoky, Roger Brighton, Paddy Rogers, Gary Andrews, Jeff Bowie, Sam Roskill und Matt Davies schlenderten gemeinsam mit dem Profos durch die stadteinwärts führenden Gassen.
Wo sie auftauchten, verstummten Gespräche und richteten sich Blicke auf sie. Staunen und Bewunderung paarten sich in den Augen der Einheimischen, deren abendliches Leben sich auf Bänken oder Stühlen vor den Hauseingängen, unter Vordächern und in sonnenverbrannten Vorgärten abspielte. Besonders der Profos mit seiner riesenhaften Statur, der herkulisch gebaute Gambianeger und die beiden Männer mit den Hakenprothesen fielen auf.
Matt Davies, dessen Haar nach einer Nacht unter Haien vollständig ergraut war, trug am rechten Unterarm die von Ferris Tucker gefertigte Prothese mit dem spitzgeschliffenen Eisenhaken. Jeff Bowie trug einen ähnlichen Ersatz links. Piranhas hatten ihm vor Jahren die Hand abgefressen.
Die Cagliari-Einwohner, die den Arwenacks nachblickten, ahnten mit einem leichten Erschauern, was für Rauhbeine da an ihnen vorbeispazierten. Unschwer vorzustellen, wie diese Kerle selbst den Teufel und alle Naturgewalten herausforderten, wenn es sein mußte.
Durch verschachtelte Gassen, die mit beträchtlicher Steigung stadteinwärts führten, erreichten die Arwenacks die kleine Piazza. Die Giebelseiten der Häuser waren dem gepflasterten Platz zugewandt. Platanen spendeten Schatten für die Eingänge und Fenster der Häuser. Über die Dächer an der Nordwestseite fiel der Blick auf das bergige Landesinnere. Heitere Stimmen erfüllten die Piazza. Bei mindestens einem Drittel der Gebäude handelte es sich um Schenken der unterschiedlichsten Art.
Carberry und seine Begleiter sahen sich kurz um.
Sie brauchten nicht lange zu überlegen.
Eine Trattoria mit einem Dutzend langer Tische vor der Hausfront war genau richtig für sie. Noch nicht einmal die Hälfte der Tische war besetzt, und die Signorinas, die dort ohne männliche Begleitung ausharrten, sahen zum Anbeißen aus. Die schmachtenden Blicke, die sie herüberwarfen, waren gut eingeübt – was ebenso mit der Nähe des Hafens zu tun haben mußte wie die Anwesenheit der Signorinas überhaupt.
„Kurs auf die Ladys!“ entschied Carberry.
Die Männer fügten sich willig seinem Kommando.
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