„Keine Sorge“, entgegnete sie kichernd. „Ich habe mir vorgenommen, dich zu verwöhnen. Aber vielleicht solltest du dir in diesem Fall die Belohnung erst verdienen.“
Sie stieß einen kleinen Schrei aus, als er sie in den Hüften packte, ein Stück hochhob und sie im nächsten Atemzug langsam auf sich niedersinken ließ. Ihre Stimme versiegte, und sie schlang die Arme um seinen Kopf.
Etwas krachte.
Jäh füllte es den kleinen Raum wie mit einem Donnerschlag aus.
Blacky spürte, wie Gigliola über ihm zusammenzuckte und vor Schreck erstarrte.
Er selbst überwand den Schreck schneller, aber da war die junge Frau, die ihn mit ihrem atemberaubenden Körper behinderte.
Dem Krachen folgte ein Splittern von Glas. Scherben klirrten zu Boden.
Tür und Fenster waren gleichzeitig aufgebrochen worden.
Blacky schaffte es fast, sich von der angstgelähmten Gigliola freizukämpfen.
Aber die Gestalten waren bereits zur Stelle. Daß sie nach dem Lärm jetzt auf leisen Sohlen huschten, erschien Blacky widersinnig. Ihm fiel jedoch ein, daß sie diese Lautlosigkeit gebraucht hatten, um in das Haus einzudringen und sich unbemerkt anzuschleichen.
Er wollte vom Bett hochfahren und nach seinen Waffen greifen.
Zu spät.
Vier Kerle waren in diesem Sekundenbruchteil neben dem Bett, und sie gingen kein Risiko ein. Mit den Kolben ihrer Pistolen schlugen sie zu.
Blacky hörte noch, wie Gigliola vor Entsetzen schrie und gleich darauf mit einem Fausthieb zum Verstummen gebracht wurde. Dann explodierte grellfarbener Schmerz vor seinen Augen. Auch die schwächere Schmerzexplosion eines zweiten Hiebes nahm er noch wahr. Im nächsten Augenblick versank er in tiefe Bewußtlosigkeit, die ihm jegliche Empfindung ersparte.
Als er erwachte, durchfuhr ihn etwas von der Kälte eines Eiszapfens. Etwas das schlimmer war als körperlicher Schmerz.
„Gigliola!“ stöhnte er und tastete mit beiden Händen um sich. Sehen konnte er noch nichts.
In seiner unmittelbaren Umgebung, so weit seine Hände reichten, war nur Stein. Rauhe Platten mit Fugen dazwischen. Ein Fußboden.
Das Heulen des Windes drang in sein Bewußtsein.
Gigliolas Nähe war zu berauschend gewesen. Um so grausamer drang es jetzt in sein zurückkehrendes Bewußtsein, auf welche Weise er von ihr weggerissen worden war. Ohnmächtige Wut packte ihn.
Und damit setzten die Schmerzen in seinem Kopf ein.
Es hämmerte und dröhnte, als hätte sich eine fremde Macht in seinem Kopf eingenistet, um ihn von innen zu sprengen. Wahrnehmungen und Gedanken wurden betäubt. Er lag regungslos auf dem Rücken, rührte sich nicht und versuchte, die Schmerzen zu überwinden. Dazu mußte er die Wut bezwingen, die sein Blut in Wallung brachte.
Nach Minuten, die ihm wie Ewigkeiten erschienen, hatte er sich an das Hämmern und Dröhnen so weit gewöhnt, daß es seine Sinne nicht länger lahmlegte.
Langsam, mit beträchtlicher Mühe, drehte er sich auf den Bauch und kroch so weit, bis er mit den Händen gegen eine Wand stieß. Jetzt hörte er wieder das Heulen des Windes. Es war kalt. Er begann zu frieren, Zugluft strich über ihn hinweg. Abermals drehte er sich herum, lag eine Sekunde lang schwer atmend auf dem Rücken und fing dann an, sich aufzusetzen.
Es war eine höllische Anstrengung.
Die Kerle mußten ihn halb totgeschlagen haben.
Vielleicht hatten sie ihn tatsächlich für tot gehalten. Himmel, das konnte bedeuten, daß sie ihn in eine Gruft geworfen hatten – in ein gemauertes Geviert mit einer Granitplatte obendrauf!
Panik erfaßte ihn, und sofort setzten die Schmerzen wieder heftiger ein. Keuchend zwang er sich zur Ruhe. Noch konnte er atmen, und da war auch dieser Luftzug. Er sagte sich, daß er während seiner Bewußtlosigkeit längst erstickt wäre, wenn es sich tatsächlich um eine dicht abgeschlossene Gruft gehandelt hätte.
Nach einer wiederum quälend langen Zeitspanne schaffte er es endlich, sich mit dem Rücken an der Wand hochzuschieben.
Sitzend hielt er inne und wartete, bis sein Atem langsamer ging und auch die Schmerzen wieder geringer wurden. Sie mußten ihm mörderische Schläge verpaßt haben. Doch sie konnten ihn nicht wirklich für tot gehalten haben. Sie mußten seinen Herzschlag und seinen Atem festgestellt haben.
Also hatten sie einen Grund, ihn am Leben zu lassen.
Ihm wurde bewußt, daß er die ganze Zeit über die Augen offen gehabt hatte. Aber erst jetzt wich ein tief schwarzer Schleier, der sein Sehvermögen fast völlig ausgeschaltet hatte. Er sah das Mondlicht und hätte einen Freudenschrei ausstoßen können. Doch dieses Mondlicht hatte nichts von jener anheimelnden Wärme, die in Gigliolas Kammer geherrscht hatte. Es war kalt und abweisend, und es wurde in kurzen Zeitabständen von Wolken verdüstert, die der Wind vorübertrieb.
Blacky wußte nicht, wieviel Zeit vergangen war, als seine Kräfte endlich zurückkehrten und er den Schmerz bis auf einen geringen Rest bezwingen konnte. Er richtete sich vollends auf und taumelte noch ein wenig, stand dann aber sicher auf den Beinen.
Der Raum, in dem er sich befand, war rund. Es gab vier schmale Fenster, die von außen vergittert waren. Zwei Fenster waren undicht, die Zugluft, die er wahrgenommen hatte, strömte in scharfen kleinen Stößen herein. Der Fußboden bestand aus jenen Steinplatten, die er bereits ertastet hatte. Was sich über der Decke aus dunklen Brettern befand, konnte er nicht herausfinden – vermutlich das Dach.
Denn es war eine Turmkammer, in die sie ihn gesteckt hatten.
Draußen konnte er das Meer sehen. Ein auflandiger Nachtwind hatte dem Wasser deutliche weiße Schaumkronen aufgesetzt.
Landeinwärts befanden sich Gebäude und Parkanlagen. Ein Castello. Einzelheiten waren in der geringen Helligkeit nicht zu erkennen.
In der Mitte der Turmkammer stieß Blacky mit der Fußspitze gegen eine Kante. Er ging in die Knie, um tastend herauszufinden, was es war. Seine Fingerkuppen berührten Holzbohlen von zwei Zoll Stärke.
Eine Luke, ebenfalls kreisrund wie der ganze Raum.
Vorsichtig hob er die Luke an, nur um Handbreite.
Aus unendlich scheinender Tiefe drang ein Tosen und Gurgeln herauf.
Blacky spähte durch den Lukenspalt. Etwas Eisiges kroch über den Rücken.
Nur undeutlich, durch den weißschäumenden Gischt wenig erhellt, ließen sich Einzelheiten erkennen. Es schien aber eindeutig, daß der Turm über einem Felsenkamin gebaut war. Insgesamt mußte er eine Tiefe von mindestens 200 Fuß haben. Dort unten brodelte und schäumte das Wasser über die Uferklippen.
Blacky schloß die Luke.
Das Tosen war nicht mehr zu hören.
Es änderte nichts daran, daß seine Zukunft alles andere als rosig aussah.
Die Holzscheite im Kaminfeuer prasselten und krachten unter den Flammen.
Don Marcello hob sein Glas, so daß er den Wein vor dem Hintergrund des Feuers betrachten konnte.
„Ein achtundachtziger Frascati“, sagte er schwärmerisch. „Mein Gott, die Römer haben schon immer gewußt, was gut ist. Hast du jemals einen köstlicheren Tropfen genossen, Emiliano?“
Emiliano Cóstola, der Mann mit dem Rabengesicht, zog gequält die Mundwinkel nach unten. „Machen Sie sich nicht über mich lustig, Don Marcello. Sie wissen, ich bevorzuge Rotwein.“
„Aber den Weißwein der Römer trinkst du doch nicht nur mit mir, um mir einen Gefallen zu tun, sondern weil er dir schmeckt! Wenn du den Frascati so verabscheuen würdest, rührtest du ihn nicht an. Habe ich recht?“
Cóstola sah den dunkelblonden Mann mit dem kantigen Gesicht an und bemühte sich, seine innere Verzweiflung nicht zu zeigen. Manchmal war es verteufelt schwer, die richtigen Antworten zu geben. Er wußte, in diesem Moment wollte ihn Don Marcello dazu bringen, sich selbst zu widersprechen, um dann in lärmenden Triumph auszubrechen.
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