„Sicher haben Sie eine – äh, Unterredung mit Seiner Majestät“, sagte der Alcalde. „Oder wie nennt man das?“
„Eine Audienz bei Hofe. Natürlich, das ist durchaus üblich, zumal wir ja adligen Kreisen entstammen. Seine Majestät möchte natürlich über die Mission genau informiert werden.“
Der Hafenmensch rieb sich aufgeregt die Hände. Dann wischte er sie an seiner Uniformhose hastig ab.
„Äh – ich – ich meine, wir …“ Er druckste herum.
„Ja, also, ich weiß schon, was Don Martin meint“, sagte der Alcalde erregt. „Wenn Sie die Barren bei Hofe abliefern – würden Sie dann eventuell die Freundlichkeit haben, die Stadt Denia und; uns beide zu erwähnen? Es wäre uns eine große Ehre, wenn Seiner Majestät unsere Namen an die erlauchten Ohren kämen.“
Etwas weiter vorn drehte sich der Profos zu Smoky um, weil ihm fast die Luft wegblieb. Fast hätte er eine brüllende Lachsalve zum Himmel geschickt.
„Mein Gott, sind das zwei dämliche Rübenschweine“, flüsterte er mit halberstickter Stimme. „Das gibt es doch gar nicht.“
„Hier gibt’s alles“, sagte Smoky. „Aber hör jetzt auf, sonst kriege ich einen Lachanfall.“
„Den würge ich schon die ganze Zeit runter“, sagte der Profos. Er drehte sich so, daß die beiden Tölpel sein Gesicht nicht sehen konnten, in dem es ständig zuckte, und lauschte weiter.
„Nun, eine Gefälligkeit ist die andere wert“, sagte Hasard. „Seine Majestät wird gern vernehmen, daß es in Denia so grundanständige, ehrliche und rechtschaffene Männer wie Sie gibt. Ich werde einen ganz persönlichen Bericht erstatten und natürlich auch die beiden Anker nicht unerwähnt lassen. Seine Majestät ist sehr großzügig. Womöglich ist später mit einer Beförderung zu rechnen.“
Die beiden wußten zwar nicht, zu was man sie noch befördern konnte, aber sie kannten sich mit höfischen Sitten auch nicht so genau aus.
„Sicher werden die beiden Helden zu Oberpißrinnenverwaltern ernannt“, meinte der Profos und grinste infam.
„Wir sind Ihnen bis in alle Zukunft zu ewigem Dank verpflichtet“, sagte Don Martin ergriffen. „Daß Sie das für uns tun wollen, Señor. Erst Geheimnisträger – und jetzt auch noch das. Entschuldigen Sie uns bitte, wir werden sofort alles Nötige veranlassen. Es dauert wirklich nicht lange.“
Hasard entließ sie mit einer großzügigen Handbewegung und sah den beiden Tröpfen nach, wie sie mit knallroten Köpfen über die Pier stiefelten und dabei vor Aufregung mit den Armen herumfuchtelten. In seinem Eifer wäre Don Martin fast noch im Hafenwasser gelandet, denn er quasselte so angestrengt auf den Alcalden ein, daß er gar nicht bemerkte, als er vorbeitrat.
Nur ein schneller Griff des Alcalden bewahrte ihn vor einem nassen Bad.
„War das nicht ein bißchen riskant?“ fragte Don Juan mit leisem Vorwurf in der Stimme.
Hasard schüttelte lächelnd den Kopf.
„Ich wollte nur einmal sehen, wie weit ich gehen kann. Diese beiden Kerle haben absolut keine Ahnung, und wenn die es nicht wissen, wer soll es in diesem Kaff dann wissen? Oder glaubst du, sie hätten Lobo del Mar gleich freiwillig ihre Schätze herausgerückt?“
„Sicher nicht. Die beiden scheinen ein bißchen verrückt zu sein.“
„Ein bißchen viel“, meinte Ben Brighton. „Die sind ja regelrecht total bescheuert.“
Sie lachten und amüsierten sich erst einmal köstlich, solange die beiden Kerle das nicht sehen konnten.
Es dauerte nicht lange, dann verging den Arwenacks das Lachen. Die Angelegenheit begann langsam peinlich zu werden.
Zwei Flötenspieler erschienen an der Pier, ein Kerl mit einer Fidel gesellte sich hinzu, und dann begannen sie zum Erstaunen der Seewölfe zu musizieren. Das war wohl als Kurzweil gedacht, doch es hörte sich erbärmlich an, denn vom Musizieren verstanden die drei Kerle absolut nichts, und so klang es dann auch.
„Um Gottes willen“, stöhnte Dan O’Flynn. „Das soll wohl zu unserer Erheiterung beitragen, was?“
„Das ist doch auch heiter“, meinte Carberry. „Sieh dir nur diese drei Hüpfer an. Die haben überhaupt keine Ahnung von Musik, aber sie spielen trotzdem unverdrossen weiter.“
Zwei dürre Kerle entlockten ihren Flöten schauerliche Töne ohne jeglichen Rhythmus, der dritte zog an den Saiten seiner Fidel, als hielte er einen Bogen in der Hand, mit dem man Pfeile abschoß.
Dann erschien eine Tänzerin, die sich schüchtern auf die Pier schob. Sie trug ein langes Kleid und wiegte sich im unregelmäßigen Takt der Spieler.
Leider war die Tänzerin etwas fett, und was sie da tanzte, kapierte ohnehin keiner. Es erinnerte sie in etwa an die beleibten Bauchtänzerinnen aus Istanbul.
Sie hatte ungefähr zehn Minuten getanzt, als der Alcalde und der Hafenmensch wieder aufkreuzten. Beide strahlten über das ganze Gesicht.
„Gefällt Ihnen die Darbietung, Señores?“ fragte der Alcalde. „Señorita Lucia ist die beste Tänzerin im Ort.“
Die Dicke hüpfte immer noch auf dem Steg herum, daß die Bohlen dröhnten und wackelten.
„Wunderbar“, sagte Hasard ernst. „Eine ausgezeichnete Darbietung, für die wir sehr dankbar sind.“
„Gut, gut.“ Der Alcalde rieb sich freudestrahlend die Hände. Dann wandte er sich an die „Darsteller“.
„Husch, husch, ab nach Hause jetzt“, sagte er. „Es hat den ehrenwerten Señores sehr gefallen. Jetzt reicht es.“
Das fanden die anderen auch, ohne es jedoch zu sagen. Aber sie waren sehr erleichtert, als sich die Darsteller nach einer tiefen Verbeugung zurückzogen.
Dezentes Klatschen erklang rein höflichkeitshalber auf seiten der Arwenacks, und dazu grinsten sie, denn jetzt konnten sie bis an die Ohren grinsen, ohne daß es auffiel.
„Ich habe inzwischen alles veranlaßt“, sagte der Alcalde stolz. „Ich habe auch die beiden Anker für Sie – Prachtstücke, Señor, wahrhaftige Prachtstücke. Das andere wird ebenfalls gleich geliefert.“
„Ich habe das natürlich auch mit veranlaßt“, krähte der Hafenmensch, aus Angst, er könne später bei Hof weniger wohlwollend erwähnt werden. Da war es schon besser, sie teilten sich den künftigen Ruhm.
„Ja, natürlich“, sagte der Alcalde etwas ungnädig. „Don Martin war auch mit dabei.“
Hasard lud die beiden Kerle zu einem Schluck an Bord ein und ließ ihnen Wein kredenzen. Das erfüllte die beiden mit einem nie gekannten Stolz, und von da ab fühlten sie sich dem spanischen Hofe wesentlich näher.
Sie tranken nicht, sie soffen ganz ungeniert. Ihre Köpfe wurden noch roter, auch wegen der Ehre, die ihnen zuteil wurde, neben einem spanischen Grande stehen zu dürfen.
Paddy Rogers reichte die Humpen weiter, die er vom Kutscher entgegennahm und würzte den Trunk mit biblischen Sprüchen.
„Und ich will dir des Himmelreichs Schlüssel geben“, sagte er salbungsvoll, als er dem Alcalden einen neuen Humpen reichte. „Alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel los sein.“
„Wo – wo ist was los?“ fragte der Alcalde. Er lallte bereits ein wenig und stierte Paddy Rogers irritiert an.
„Im Himmel, mein Sohn.“
„Ach ja, im Himmel ist immer was los. Darauf, hicks, sollten wir noch einen heben.“
„Matthäus sechzehn, Vers neunzehn“, fügte Paddy belehrend hinzu.
Der Hafenmensch wackelte ein bißchen mit dem Kopf und drehte sich suchend um.
„Matthäus – wo ist er denn?“
Er stierte Old O’Flynn an und schüttelte unmerklich den Kopf. Vor seinen Augen verschwamm alles.
Der Alcalde sah sich auch nach Matthäus um und wackelte dabei noch mehr. Dann zeigte er in die Richtung, wo die Backsteinhäuser dicht am Hafen standen und sich zwei Eselskarren näherten.
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