Der Kerl dort war derjenige, der ihn nördlich von Formosa in eine tödliche Falle hatte locken wollen. Täuschend echt hatte er seine „Sao Fernao“ so hergerichtet gehabt, daß alles nach einem Überfall durch Piraten oder Kopfjäger ausgesehen hatte. Nur knapp waren die Seewölfe diesem gemeinen Hinterhalt entronnen.
Solcher Tricks bediente sich jener Hundesohn, dessen Namen Hasard immer noch nicht wußte. Und auch heute früh hatte er ja wieder bewiesen, welche Mittel ihm recht waren, den Seewolf gefangenzusetzen und sich möglicherweise die von Philipp II. höchstpersönlich ausgesetzte Belohnung zu verdienen.
Hasard trieb seine Männer an, die vierte Galeone außer Gefecht zu setzen. Er wollte die „Candia“ endlich erreichen und sich diesen ausgekochten, heimtückischen Portugiesen kaufen.
Pulverpfeile, Höllenflaschen, Culverinen- und Drehbassenkugeln verwandelten das Heck der vierten Galeone in eine rotwabernde, berstende Hölle. Hasard ließ den Feind nicht zum Zug kommen, er trieb die Spanier von ihren Geschützen weg und schickte sich an, diesen Dreimaster zu versenken.
Die erste Galeone war angeschlagen, aber sie brannte nicht, und das war in diesem Kampf voll lodernden Feuers schon ein erheblicher Vorteil. Der Kapitän hatte seiner Mannschaft wieder den nötigen Schneid und die Disziplin eingedrillt, die für ein einwandfreies Manövrieren und das Nachladen und Richten der Kanonen nötig waren.
Bevor sein Schiff jetzt jedoch auf Backbordbug liegend hoch am Wind zu der fünften Galeone gelangte, war die „Yaira“ heran. Geradezu unheimlich schnell versuchte sie sich längsseits der Bordwand des Spaniers zu schieben.
„Feuer!“ schrie der Kapitän der Kriegsgaleone. Die Steuerbordbatterie des Oberdecks dröhnte, raste aber über den flachen Praho weg und knickte nur dessen Fockmast.
Die Batterie des Unterdecks entließ ebenfalls ihre verheerende Ladung, doch der Tiger von Malakka ließ sich nicht abschrecken, er warf sich mit seinen Gefährten flach auf Deck, so daß die Eisenkugeln über sie hinwegröhrten. Daß der Großmast der „Yaira“ zu Bruch ging, berührte den Tiger in diesem Augenblick nicht weiter.
Enterhaken flogen und krallten sich mit ihren Eisendornen in Schanzkleid, Rüsten und Berghölzer der spanischen Galeone. Die „Yaira“ erhielt direkten Kontakt zu dem Feindschiff, als die Malaien an den Tauen der Enterhaken zerrten – und dann enterten die Piraten! Sotoro stürmte allen voran, das Mädchen Yaira und sogar der alte Otonedju waren an seiner Seite.
Die Freibeuter von Malakka kletterten an der Bordwand des Spaniers hoch, krochen durch die Stückpforten, drangen ins Unterdeck und auf die Kuhl ein. Die fluchenden Gegner verteidigten sich zunächst mit ihren Schußwaffen, konnten auch ein paar Eingeborene niederstrecken, aber zu schnell war die Flut der Leiber heran, zu hurtig blitzten Parang und Kris auf und fochten und stachen den Widerstand nieder.
Ehe die Spanier richtig begriffen, daß sie diesen Feind erheblich unterschätzt hatten, hatten die Malaien das Schiff bereits in ihren Besitz gebracht.
Der Kapitän faßte einen verzweifelten Plan. Er focht sich mit seinem Säbel den Weg in die unteren Schiffsräume frei, tötete einen Piraten, der ihm mit gezücktem Krummdolch entgegensprang, und suchte in aller Hast und mit rasendem Herzen die Pulver- und Munitionsdepots der Galeone auf.
Seine Finger flogen, als er Pulverfässer öffnete und umkippte. Er legte eine Spur aus Pulver bis zum offenen Schott und auf den Gang hinaus, dann schlang er vor Nervosität bebend Feuerstein und Feuerstahl gegeneinander und erzeugte den Funken, der nötig war, um die Hölle zu entfesseln.
Zischend sprang der Funke in das Pulver.
Der Kapitän fuhr herum, stürzte fort, einen Niedergang hinauf, dann zum unteren Batteriedeck. Hier schlug ihm kein Widerstand entgegen, denn die Malaien hatten nun allesamt das Oberdeck aufgesucht. Hier unten lagen nur reglose Gestalten neben den Geschützen, die nie wieder ein Mensch bedienen würde.
Der Kapitän bückte sich und zwängte sich an der Mündung eines 17-Pfünders vorbei durch eine der offenen Stückpforten. Er tat das, was ein Mann seines Ranges nur im äußersten Notfall und als letztes Mitglied einer Schiffsbesatzung tun durfte: er verließ den Segler.
Mit einem Hechtsprung tauchte er kopfunter in die Fluten, an Backbord, wo der Fluchtweg nicht durch die „Yaira“ versperrt wurde. Mit kräftigen Zügen brachte er sich von dem der Verdammung preisgegebenen Schiff fort, und jeder Zoll, den er an Abstand gewann, vergrößerte die Garantie, daß er als einziger der Galeone überleben würde.
Die Explosion hob die Kriegsgaleone ein Stück hoch und fetzte sie fast genau in ihrer Mitte auseinander.
In dem Feuerblitz, der himmelan stob, in dem auseinanderfasernden fetten schwarzen Rauch wirbelten Trümmerteile und menschliche Gestalten durch die Luft. Ein einziger Schrei begleitete den Explosionsdonner.
Sotoro, Otonedju, Yaira und die anderen malaiischen Freibeuter waren mit den spanischen Widersachern von dem zerspringenden Schiff katapultiert worden.
Lucio do Velho fuhr auf dem Achterdeck seiner Viermast-Galeone herum, als der vom detonierenden Pulver verursachte Feuer- und Rauchpilz aus der See wuchs. Er stöhnte auf, aber sein Entsetzen war nur von kurzer Dauer, weil er im selben Moment feststellte, daß auch der dreimastige Praho mit von dem donnernden Unheil erfaßt wurde.
Ja, auch die „Yaira“ zerhieb es. Bis zu den in der Nachbarschaft der gesprengten Galeone segelnden Schiffen wirbelten ihre Trümmer. Selbst auf dem Flaggschiff duckten sich die Decksleute und Offiziere instinktiv vor heransegelnden Resten.
Eine halbe Spiere und einige andere Teile krachten auch tatsächlich auf das Deck der „Candia“. Lucio do Velho war ebenfalls in Deckung gegangen, weil er um seine helle Kommandantenmontur und die Unversehrtheit seines Gesichtes bangte. Er behielt jedoch den Überblick und zwang sich zur Ruhe.
Kaum war die Gefahr der fliegenden Trümmerteile vorbei, lief er ans Heck seines Viermasters und blickte in die Fluten hinunter. Er stellte fest, daß menschliche Körper als Wrackreste im Kielwasser seines Schiffes schwammen – und einige dieser Körper regten sich noch.
Teils verletzt, teils nur zwischen Benommenheit und einsetzender Besinnungslosigkeit schwebend, versuchten diese Gestalten sich an Holzteilen festzuklammern, die im Wasser trieben.
„Ignazio!“ rief der Portugiese seinem Bootsmann zu. „Sofort ein Boot abfieren lassen!“
„Si, Senor, aber dazu müssen wir Fahrt aus dem Schiff nehmen!“
„Natürlich, du Idiot. Ich will die Schiffbrüchigen an Bord nehmen“, entgegnete do Velho.
Soviel Menschlichkeit kannte der Mann aus Porto von seinem Befehlshaber sonst eigentlich nicht. Aber Ignazio hütete sich, auch nur noch einen einzigen Kommentar zu dem Beschluß Lucio do Velhos abzugeben. Vielmehr leitete er die Order an den Zuchtmeister weiter, das Schiff zu stoppen und ein Beiboot abzufieren, dann eilte er, Ignazio, zu seinem Herrn aufs Achterdeck.
„Ich sehe vier, fünf malaiische Piraten“, stieß do Velho soeben aus. „Diese Hunde will ich haben. Als Geiseln. Und um mich für das zu bedanken, was sie uns gemeinsam mit dem Seewolf angetan haben. Ignazio!“
„Comandante?“
„Wir müssen die Kerle auffischen, bevor es ihre Spießgesellen tun. Du weißt, was das bedeutet.“
Diesmal begriff der schwere, sonst kaum selbständig handelnde Mann aus Porto sofort. Er entblößte seinen Oberkörper, streifte dann auch seine Stiefel aus weichem Ziegenleder und die aufgebauschte Leinenhose ab, bis er nur noch eine kurze Hose trug, die ihn bei seinem Vorhaben nicht behinderte.
Ein Messer im Gurt und zu allem entschlossen, so kletterte Ignazio auf das achtere Schanzkleid. Er zögerte nicht, stieß sich mit den Füßen ab und stürzte in elegantem Bogen der schillernden Wasserfläche entgegen.
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