„Nein, Senor“, antwortete der Mann aus Porto untertänigst.
„Also – ich kann dich jederzeit selbst wieder zum einfachen, dreckigen Decksmann degradieren, vergiß das nicht. Unterlasse deine idiotischen Bemerkungen, sie beleidigen meine Ohren und verletzen meinen Geist. Ignazio, es interessiert mich nicht, warum die Prahos der Malaien bei den Seewölfen liegen, ich frage auch nicht danach, welche Begleitumstände dazu beigetragen haben, daß wir hier und heute auf die Hunde stoßen konnten.“
Sein Blick wanderte zur Kuhl ab, wo zwanzig bronzene 17-Pfünder-Culverinen ausgerollt und schußbereit gestellt worden waren. Auf dem darunter befindlichen Batteriedeck der „Candia“ stand noch einmal die gleiche Zahl Kanonen desselben Kalibers bereit, das Feuer auf den verhaßten Feind zu eröffnen.
„Ich bin jetzt froh, heute nacht den Sturm abgeritten zu haben“, sagte der Portugiese. „Anderenfalls hätte uns der Zufall nicht auf Rempang zugetrieben.“
„Niemals, Senor“, sagte Ignazio. „Aber mir ist etwas eingefallen. Die Eingeborenen auf den Prahos könnten Verbündete des Seewolfs sein.“
„Sehr gut, Ignazio. Ich rechne fest damit, daß es so ist. Da sie offenbar in trautem Einvernehmen bei den Bastarden von Engländern weilen, stufen wir auch die Malaien als unsere Todfeinde ein, die keine Rücksicht verdienen.“
„Mehr als ein Dutzend Schiffe gegen uns, Senor Comandante …“
„Mit unserer Armierung sind wir denen haushoch überlegen“, entgegnete do Velho. „Wage nicht, auch nur eine Sekunde daran zu zweifelh.“
„Gewiß nicht. Welches ist nun aber Ihr Plan?“
Lucio do Velhos Züge verhüllten die Grausamkeiten, die sein Geist sich ausmalte, um keinen Deut. „Wir greifen ohne jede Vorwarnung an. Wir schießen sofort aus vollen Rohren, das ist die einzige Art, diesem Dreckskerl von einem Korsaren zu begegnen.“
Die „Isabella VIII.“ hatte die Bucht als erstes Schiff verlassen, jetzt ließ der Seewolf noch weiter anbrassen, luvte so weit wie möglich an und segelte tollkühn direkt auf den feindlichen Verband zu.
Die „Yaira“ folgte der großen Galeone in nach Backbord schräg versetzter Kiellinie und segelte somit am dichtesten unter Land. Sechs Kanonen schwer bestimmbaren Kalibers fuhren auf dem dreimastigen Praho des Tigers von Malakka mit. Sotoro hatte sie von einem chinesischen Freibeuter ergattert, dessen Dschunke er gekapert und anschließend versenkt hatte, als dieser ihm gefährlich geworden war. Al Conroy hatte die Geschütze als 15-Pfünder eingestuft, als die Seewölfe in der Nacht einen kurzen Abstecher an Bord der „Yaira“ unternommen hatten.
Nach und nach stießen nun auch die anderen Prahos der Rebellen von Malakka aus der geschützten Bucht, und danach glitten auch die kleinen, einmastigen Fahrzeuge der Orang Laut auf die offene See hinaus. Kutabaru und seine Krieger hatten keinen Augenblick gezögert, an dem drohenden Gefecht teilzunehmen.
Ben Brighton stand neben seinem Kapitän an der Five-Rail. Er hätte den Seewolf fragen können, wieso sie nicht durch rasches Runden der Insel nach Nordwesten und Norden versuchten, den Spaniern zu entgehen. Sotoro hätte ihnen auch helfen können, irgendwo zwischen den weiter nördlich verstreut liegenden Eilanden unterzutauchen.
Aber das wäre nicht nur ein Schwächebeweis gewesen. Sie hätten den auf sie lauernden Verband auch weiterhin ständig am Hals gehabt.
Nein, Ben konnte sich die Frage wirklich sparen.
Einige Chancen rechnete er sich noch aus, daß sie sich dem Kriegsverband gegenüber erfolgreich als Spanier ausweisen konnten. Mit diesem Trick hatten sie den Gegner schon oft genarrt. Die Anwesenheit der Eingeborenen ließ sich dadurch motivieren, daß die Malaien beispielsweise der „Isabella“, einem harmlosen Handelsfahrer, im Sturm geholfen hatten. Oder daß sie dem Kapitän der Kriegsgaleone „Isabella“ wertvolle Tips zur Ergreifung des gefürchteten Tigers von Malakka geliefert hatten. Es gab viele Möglichkeiten.
Ben lachte rauh. „Das glaubst du doch selbst nicht.“
Hasard wandte den Kopf und musterte ihn erstaunt. „Was denn?“
„Ach, ich rede mit mir selbst. Ich schätze, die Dons dort wissen, wen sie vor sich haben. Entweder kennen sie die ‚Isabella‘, die ja allmählich bekannt wird wie ein bunter Hund – oder die Prahos des Tigers. Oder gleich den ganzen Verband.“
„Ben, ich bin sicher, daß sie uns darüber nicht lange im unklaren lassen“, versetzte der Seewolf.
So war es. Vom Bug des Viermasters, der nach Hasards Schätzungen jetzt nur noch knapp eine Meile entfernt an der Spitze des Fünferverbandes segelte, stieg eine weiße Rauchwolke hoch. Das Buggeschütz sandte eine Kugel herüber, die auf diese Distanz zwar nur in etwa gezielt sein konnte, die aber die Reichweite hatte, dicht vor dem Vorsteven der „Isabella“ in die Fluten zu klatschen und eine rauschende Fontäne hochzujagen.
„Jetzt schlägt’s aber dreizehn!“ brüllte Carberry, dem solche Manieren sofort erheblich auf den Magen schlugen.
„Sir!“ rief Bill aus dem Großmars. „Der Don signalisiert uns aus den Toppen!“
„Was will er? Daß wir uns zu erkennen geben?“ fragte der Seewolf zurück.
„Das kann er haben“, sagte Ben Brighton. „Haltet die Flagge der spanischen Galeonen bereit. Vielleicht fallen die Hurensöhne ja doch auf unsere Parade herein.“
„Sir!“ schrie Bill entsetzt. „Der Don gibt uns zu verstehen, wir sollen Unverzüglich die Flagge streichen!“
„Da schau mal einer an“, sagte Hasard. Sein Lächeln war verwegen. „So packt er es also an. Er will uns gar nicht erst zum Zug kommen lassen. Was antworten wir darauf, Ben?“
„Daß wir ihm was husten.“
Carberry drückte es mal wieder drastisch aus. „Wir scheißen diesen Kakerlaken und Bastarden was. Wir hauen ihnen die Jacke voll, daß ihnen die Ohren wackeln und ihnen der Hintern abfällt, Männer!“ dröhnte sein mächtiges Organ über Deck.
„Dan“, sagte Hasard zu dem jungen O’Flynn, der schräg hinter ihm in Nähe des Besanmastes stand. „Ich frage dich, wie können wir kapitulieren, wenn wir uns überhaupt nicht mit dem überheblichen, krankhaft siegessicheren Don herumgeschlagen haben?“
„Praktisch ist das kaum drin“, erwiderte Dan grinsend. „Jedenfalls nicht, soweit es unsere Gewohnheiten betrifft.“
„Dann hiß mal schnell unsere Flagge.“
Dan befolgte die Aufforderung des Seewolfs, und Sekunden später flatterte der White Ensign, die weiße Flagge mit dem roten Georgskreuz, munter im Besantopp unter dem Einfluß des frischen Morgenwindes.
„So“, sagte Big Old Shane, dessen Platz vorläufig noch auf dem Achterdeck war. „Jetzt spielen wir mit offenen Karten.“ Den Köcher mit den Pfeilen hatte er sich schon umgehängt, und auch der Bogen hing von seiner breiten Schulter. Im Getümmel würde er zweifellos wieder seine Position im Großmars beziehen und mit Batuti, der in denVormars aufzuentern pflegte, ein Zielschießen auf die Gegner verüben.
Daß es ein Getümmel gab – daran zweifelte keiner der Seewölfe.
Das Flaggschiff des spanischen Verbandes ließ mit der Reaktion auf den White Ensign nicht auf sich warten. Die rasch nachgeladene Kanone im Vordeck und das zweite Buggeschütz krachten, wieder stiegen weiße Qualmgebilde in den Himmel auf, und bedrohlich nah heulten die Kugeln heran. Eine saß sehr, sehr nah vor dem Bug der dahinrauschenden „Isabella“, die zweite schlug an Steuerbord in Höhe der Fockwanten in die See.
Gleich darauf eröffneten auch die anderen vier Galeonen der Spanier das Feuer. Etwas nach achtern versetzt pflügten sie in breiter Formation zusammen mit ihrem Flaggschiff „Candia“ die Fluten. Die Meile Abstand zwischen ihnen und der „Isabella“ schrumpfte schnell auf eine halbe zusammen.
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