Don Angelo Baquillo war nahe dran, sich die Haare zu raufen und die beiden Kerle in die Sümpfe zu jagen. Das hätte er rigoros getan, aber er brauchte diese Tölpel, falls der Wind wegblieb. Da würden sie nämlich rudern müssen, bis ihnen die Hände rauchten. Selbstverständlich war es nicht einmal einer Erwägung wert, daß er sich auf eine der Ruderduchten setzte, um die Jolle mittels Riemenantrieb voranzubringen. Dazu waren die anderen da, nicht er.
Inzwischen keuchten die beiden anderen Stabsleute heran und deponierten am Steg die Sachen, die der Kommandant gefordert hatte. Sie mußten sehr oft hin und her laufen, weil auch diese Kuliarbeit für sie ungewohnt war. Sie stellten sich ungeschickt an, vor allem beim Transport der kleinen Wasserfässer, die sie, mit den Armen umschlungen, vor sich her trugen, statt sie sich aufs Kreuz zu laden, wobei sie sogar noch eine Hand zum Tragen von Waffen frei gehabt hätten.
Auf die Idee, für den Transport einen Handkarren zu nehmen, kamen sie nicht. Für das Denken war ja Don Angelo Baquillo verantwortlich. Aber dem war die Möglichkeit mit dem Handkarren auch nicht eingefallen, dafür aber etwas anderes, von dem man sagen konnte, daß es bezeichnend für ihn war.
Als alles in der Jolle verstaut war, hätten Don Angelo Baquillo und sein Stab die Bucht verlassen können, zumal der Kommandant ja auch dauernd gedrängt hatte, man möge sich noch mehr beeilen. Aber jetzt erklärte Don Angelo Baquillo, es gäbe noch etwas zu erledigen.
Er sagte mit einem Glitzern in den harten Augen: „Wir werden dem Dorf dieser stinkenden Wilden noch einen Besuch abstatten, Señores!“
Die vier Männer zuckten zusammen und starrten ihn ungläubig an. Dem Dorf einen Besuch abstatten? Das hieß ja, sich mutwillig der Ansteckung auszusetzen. Hatte der Kommandant nicht selbst gesagt, daß die Wilden den Teufel im Leib hätten und das Ziel verfolgten, die Spanier zu vernichten? Deswegen hatte doch heute die befohlene Aktion gegen die kranken Indianer stattfinden sollen.
„Wohl Angst, wie?“ fragte Don Angelo Baquillo höhnisch. „Aber das interessiert mich nicht. Ich übertrage Ihnen die Aufgabe, das Dorf anzuzünden. Man muß dieses Pack mit Stumpf und Stiel ausrotten. Wir sind heute nacht heimtückisch überfallen worden und haben eine Schlappe erlitten, weil die Truppe versagt hat. Ich bin nicht gewillt, das hinzunehmen. Als Offizier des spanischen Königs habe ich die Pflicht, zurückzuschlagen und den Feind zu vernichten. Daher befehle ich, an jede der Hütten den Brand zu legen. Nehmen Sie Fackeln mit. Wer sich Ihnen in den Weg stellt, ist zu erschießen. Versorgen Sie sich also mit genügend Pistolen. Ich erwarte, daß das Dorf in spätestens einer Viertelstunde in Flammen steht. Vorwärts!“
„Aber …“, begann der Adjutant zögernd und sehr blaß im Gesicht.
„Ich sagte: vorwärts!“ unterbrach ihn der Kommandant schneidend. „Oder haben Sie die Absicht, den Befehl zu verweigern?“ Er zog eine Pistole und richtete sie auf den Teniente.
Die vier Männer drehten sich schleunigst um und liefen zur Waffenkammer, wo auch die Fackeln deponiert waren. Zwei wurden dort gleich entzündet. Dann zogen sie los, bepackt mit Fackeln und Pistolen.
Don Angelo Baquillo folgte ihnen langsam, die Pistole immer noch in der Faust, ein zynisches Grinsen im Gesicht. Er genoß seine Macht. Die Phrasen über seine Pflicht als Offizier gingen ihm immer leicht über die Lippen. Sie waren stets gut, um solchen Narren wie diesem Adjutanten den nötigen Respekt einzuflößen, damit sie kuschten.
Die vier Offiziere hatten das Tor durchschritten und näherten sich zögernd dem Dorf. Don Angelo Baquillo lehnte sich an einen der Torpfosten und sah zu. Einmal schaute er zurück zu dem Steg, wo das Boot lag, und maß die Entfernung. Falls im Dorf etwas passierte, mußte der schnelle Rückzug ins Auge gefaßt werden, um das eigene Leben außer Gefahr zu bringen. Ja, das war zu schaffen. Bis jemand das Tor erreicht hatte, war er längst in der Jolle und trieb sie hinaus in die Bucht – unerreichbar für jeden Feind.
Jawohl, so mußte man Aktionen leiten!
Zufrieden drehte sich Don Angelo Baquillo wieder um und schaute zu dem Vierer-Trupp. Und er erstarrte.
Zwei halbnackte Wilde taumelten zwischen den ersten Hütten des Dorfes hervor und dem Trupp entgegen – Kranke offenbar, aber sie hatten Messer in den Fäusten.
Die vier Männer des Stabstrupps schrien auf, zwei wandten sich zur Flucht, die beiden anderen warfen alles hin, was sie schleppten, zogen Pistolen und feuerten auf die beiden Indianer.
Auch Don Angelo Baquillo hob seine Pistole und griff gleichzeitig zur zweiten, so daß er jetzt beidhändig bewaffnet war. Und mit lässiger Haltung trat er den beiden flüchtenden Männern entgegen, um ihnen den Weg der Pflicht zu zeigen.
Das war nicht nötig, machte sich aber gut.
Denn noch im Dröhnen der Schüsse der beiden anderen sah er, wie die beiden Indianer getroffen wurden, als seien sie gegen ein unsichtbares Hindernis gerannt. Sie bäumten sich im Aufprall der Kugeln auf, torkelten, die Messer entrutschten ihren Händen, dann brachen sie zusammen.
Don Angelo Baquillo winkte mit den beiden Pistolen und rief: „Vorwärts lautete mein Befehl, ihr feigen Hunde! Oder wollt ihr kneifen?“
Mit entsetzten Gesichtern warfen sie sich wieder herum – sahen, daß die beiden Indianer am Boden lagen, ohne sich zu rühren, und stürmten mit hysterischem Gebrüll auf das Dorf zu. Nur ein Hund ergriff vor ihnen die Flucht.
Aus den Hütten ertönte der Todesgesang der Timucuas, schwach, aber dennoch vernehmbar. Sie hatten nichts mehr, mit dem sie sich zur Wehr setzen konnten – greise Frauen und Männer, Kranke im letzten tödlichen Stadium des Fiebers hatten sowieso nicht mehr die Kraft, gegen den anderen Feind – den weißen Mann – zu kämpfen. Mochte er jetzt Feuer legen, das Ende des Lebens war ohnehin erreicht.
Diese vier Männer, bis zum Bersten mit Angst erfüllt, hetzten mit entzündeten Fackeln durch das Dorf, um das zu tun, was ihnen der Kommandant befohlen hatte. Pflichterfüllung war das. Die absurde Sinnlosigkeit ihres Tuns wurde ihnen nicht bewußt, daß sie Mordbrenner waren, erst recht nicht. Der Kommandant hatte ihnen ja gesagt, daß sie mit dem Feuer das Fieber verbrannten, das die Wilden in sich trugen, um die Spanier zu vernichten. So taten sie also ein gutes, gottgefälliges Werk.
Don Angelo Baquillo lehnte wieder am Torpfosten, und das zynische Grinsen in seinem Gesicht hatte sich verstärkt. Als es ihm wegen der brennenden Hütten zu heiß wurde, schlenderte er zum Steg zurück.
Knapp fünf Minuten später folgten ihm die vier Männer seines Stabes – mit fiebrigen Augen, glühender Gesichtshaut, verzerrten Mienen und Brandgeruch in der Kleidung. Sie keuchten, weil sie sich wieder verausgabt hatten. Man war es ja nicht gewohnt, selbst einen Brand zu legen. Auch das war eine Tätigkeit, mit der sie noch nie ihre Hände beschmutzt hatten, weil da immer welche gewesen waren, die von ihnen die Befehle entgegengenommen hatten. Die hatten sich nur leider aus dem Leben gestohlen – ein empörender Vorgang, ihrer Meinung nach.
Don Angelo Baquillo musterte die beiden Männer, die vor den beiden kranken Indianern die Flucht ergriffen hatten, aus kalten Augen und sagte: „Passiert das noch einmal, Señores, dann schieße ich Sie nieder. Sie werden eine Menge tun müssen, um sich zu rehabilitieren. Ich dulde in meinem Stab keine Feiglinge. Wir haben Vorbild für die Truppe zu sein, leuchtendes Vorbild! Wer sich dieser Maxime versagt, hat nicht das Recht, Offizier Seiner Majestät zu sein. Ich erteile Ihnen hiermit einen Tadel! Und jetzt legen Sie gefälligst ab! Andere Aufgaben warten auf uns!“
Leider stellte sich heraus, daß diese vier Männer von der seemännischen Praxis und der Führung einer Jolle unter Segel keinen blassen Schimmer hatten. Sie erhielten einen weiteren Tadel, in diesem Falle durchaus zu Recht, weil Don Angelo Baquillo erbittert feststellte, daß sie Zeit genug gehabt hätten, sich die seemännische Praxis vor Ort, nämlich hier in der Bucht, anzueignen, zumal hier ja Schiffbau betrieben worden war.
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