Aber die „Isabella“ hatte die „San Donato“ eher erreicht. Dank Tamao hatte man sich den Timucuas als Freund zu erkennen gegeben und von ihnen mit Schrecken erfahren, welche Zustände an Bord herrschten.
Etwa einhundertdreißig Menschen befanden sich auf der „San Donato“. Von ihnen litten bereits dreißig unter Fieberanfällen und Krämpfen, den typischen Anzeichen des furchtbaren Sumpffiebers. Von den übrigen hundert waren siebzig Frauen, Kinder und alte Leute. Da blieben nur an die dreißig Männer, von denen die „San Donato“ unter Anleitung der fünf Spanier gesegelt worden war.
Darum auch hatten die Seewölfe in der Nacht immer mehr aufholen können. Sie hätten festgestellt, daß die „San Donato“ nicht voll ausgesegelt wurde. Natürlich konnten die Timucuas nicht über Nacht zu vollwertigen Seeleuten werden, bei allem Fleiß und aller Lernbegierde war das ein Unding.
Hinzu kamen die Kranken an Bord, um die man sich kümmern mußte. Und alles war ungewohnt, einschließlich der einzigen Kochstelle für so viele Menschen.
Angst und Nervosität hatten sich auf dem Schiff ausgebreitet – Angst, den Spaniern zu begegnen, denen man gnadenlos ausgeliefert gewesen wäre, Nervosität, weil mit dem Segeln nicht alles so klappte, wie man sich das vorgestellt hatte. Einmal war die „San Donato“ aus dem Ruder gelaufen, als Marcos einen Timucua an den Kolderstock gestellt hatte, um ihn anzulernen. Da hatten die Segel wie verrückt geknattert, und die Rahen waren herumgeschlagen. Die Galeone hatte sich weit auf die Seite geneigt, und die Timucuas waren nach Lee gerutscht.
Fast wären die Krieger über die fünf Spanier hergefallen, weil sie dachten, die hätten diesen plötzlichen Zustand bewußt herbeigeführt, um den Timucuas zu schaden.
Shawano hatte die Ruhe bewahrt und seine Krieger sehr schnell wieder zur Räson gebracht.
Aber die Nervosität oder eine gewisse Unsicherheit war geblieben und dann wieder aufgeflammt, als man merkte, daß von achtern eine Galeone auflief, die viel, viel schneller als die „San Donato“ war.
Marcos hatte erklärt, das sei kein ihm bekanntes Schiff, vor allem habe er noch nie bei einer Galeone so hohe Masten gesehen. Er könne sich nicht vorstellen, daß dies ein spanisches Schiff sei. Insgeheim hatte er die „Isabella“ für einen Piratensegler gehalten, das aber nicht laut gesagt, um die Timucuas nicht noch mehr zu verstören.
Die „San Donato“ war mit sechzehn Culverinen bestückt, aber wer hätte sie bedienen sollen? Die Timucuas hatten den Spaniern zwar abgeschaut, wie man mit den Handfeuerwaffen hantierte, aber mit den Kanonen wußten sie nicht umzugehen.
Es war alles ziemlich hoffnungslos.
Wenn es so sein sollte, konnte man nur versuchen, sein Leben so teuer wie möglich zu verkaufen, wenn die Piraten enterten. Aber vielleicht konnte man sie abhalten, das zu tun – die Habseligkeiten der Timucuas waren keine Beute für die Schnapphähne zur See.
Die Ungewißheit war vorbei, als die „San Donato“ von dem fremden Schiff aus in der Sprache der Timucuas angerufen worden war.
Kein Feind, sondern ein Freund!
Sogar der beherrschte Shawano hatte aufgeschrien, als er vernahm, daß Tamao und Asiaga an Bord des fremden Schiffes, eines Engländers, seien. Also keine Spanier.
Schwerfällig drehte die „San Donato“ in den Wind, und die Segel wurden aufgegeit. Die Rahen mußten fast mittschiffs geschiftet werden, damit das englische Schiff längsseits gehen konnte.
Das genau war der Moment im Morgengrauen des 14. September, als der Ausguck im Großmars der „Isabella“ einen Alarmschrei ausstieß und Mastspitzen an der östlichen Kimm meldete. Sam Roskill war es, der dort oben Ausguck ging und aufgepaßt hatte, ohne sich von dem Längsseitsgehen bei der „San Donato“ ablenken zu lassen.
Hasard ließ sofort wieder abfallen und verschob das Manöver. Er blieb in der Nähe der „San Donato“ und wartete ab. Eine Viertelstunde später meldete Sam Roskill, unterstützt von Dan O’Flynn, der zu ihm aufgeentert war, daß es sich bei dem heransegelnden Schiff um eine spanische Kriegsgaleone handele.
„Klarschiff zum Gefecht!“ befahl Hasard ruhig. „Shane, Batuti, holt eure Langbögen und entert auf! Ferris, auch auf deine Pulverflaschen werden wir nicht verzichten können. Ich schätze, daß es ziemlich rundgehen wird!“
Nicht auf die „Isabella“ segelte die Kriegsgaleone zu, sondern stur auf die „San Donato“. Die „Isabella“ schien man seitens der Spanier überhaupt nicht zu beachten. Vielleicht dachte man, dieses Schiff habe sich nur bei der „San Donato“ aufgehalten, weil man entdeckt hatte, daß dort Indianer an Bord waren. Und Indianer hatten nicht an Bord von Galeonen zu sein.
Dann blitzte es bei der „Galicia“ auf, und man setzte der treibenden „San Donato“ einen Warnschuß vor den Bug.
Eine spanische Stimme, die bis zur „Isabella“ zu hören war, forderte „die roten Räuber“ auf, die Flagge zu streichen und sich zu ergeben.
„Los geht’s!“ sagte Hasard.
Mit dem Wind, der aus Südwesten wehte, schob er sich vor der „San Donato“ vorbei, als habe er die Absicht, allen Unannehmlichkeiten aus dem Wege zu gehen. Dann ließ er halsen, segelte über Backbordbug raumschots weiter, so daß seine Steuerbordbreitseite der „Galicia“ zugewendet war, und als diese querab lag, fielen die Stückpforten.
„Feuer frei!“ brüllte Hasard.
Die Spanier hätten überraschter nicht sein können, zumal sie ihre Aufmerksamkeit auf die „San Donato“ konzentriert hatten. Tatsächlich hatten sie angenommen, der fremde Segler sei eine Zufallsbegegnung. Und daß der sich verzog, wenn man hier mit den unverschämten Indianern zur Sache kam, hielt man für völlig selbstverständlich.
Die Salve der „Isabella“ traf voll – die Entfernung hatte knapp hundert Yards betragen.
Der Fockmast der „Galicia“ wurde umgesenst, die Höllenflaschen Ferris Tuckers lagen im Ziel und verstreuten Tod und Verderben, und Big Old Shanes und Batutis Brand- und Pulverpfeile rasten in die spanische Kriegsgaleone.
Hasard ging auf Gegenkurs und hämmerte seine Backbordbreitseite in die „Galicia“. Von dort wurde dieses Mal zurückgeschossen, und die „Isabella“ erwischte ein paar Treffer, aber die waren nichts im Vergleich zu den Dons. Dort herrschte bereits Zustand, zumal sich die Brände verstärkten.
Als Hasard die „Isabella“ zum dritten Angriff ansetzte, ergriff die spanische Galeone die Flucht. Brennend segelte sie nordwärts und verschwand hinter der Kimm.
Jetzt konnten sich die Seewölfe wieder um die Timucuas kümmern, aber ihnen schwante bereits, daß es bei dieser Begegnung mit den Spaniern nicht bleiben würde. Da bahnte sich mehr an. Die Frage lautete nur, wie schnell man sich mit den Timucuas aus dieser Gegend verziehen konnte – und drüben auf der „San Donato“ waren Kranke an Bord …
ENDE
Burt Frederick
Die Todesfalle
Noch verbarg sich die Küste hinter jenem Dunst, der für dieses Land mit seiner Feuchtigkeit und seiner Hitze so typisch war.
Aber Don Bruno Spadaro ließ sich nicht täuschen. Er hatte diesen Teil der Neuen Welt mit allen guten und schlechten Seiten kennengelernt und wußte, daß ihn nur noch wenige Seemeilen von Pensacola trennten.
Die Gedanken des stämmigen Mannes waren düster. Alle äußeren Eindrücke, denen er nun schon seit Stunden ausgesetzt war, trieben seine Stimmung immer mehr dem Tiefpunkt entgegen. Da war der beißende Brandgeruch, der buchstäblich auf den Decks der „Galicia“ haftete und sich selbst von dem handigen Südsüdwest nicht verscheuchen ließ. Und da war der Anblick dessen, was vom Fockmast übriggeblieben war – ein zersplitterter Stumpf, der eben noch über die Balustraden der Back hinausragte.
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