Philip Hasard Killigrew, der sehr wohl bemerkt hatte, welche Reaktion seine „motzige“ Bemerkung ausgelöst hatte, konnte ein Grinsen nicht mehr unterdrücken. Schließlich kannte er seine Pappenheimer und wußte nur zu gut, wie er sie richtig in Fahrt bringen konnte. Doch er hatte es aus einer zwingenden Notwendigkeit heraus getan.
Jetzt winkte er kurz zu seinem Vetter hinüber, und der winkte mit einem breiten Grinsen zurück.
Nach weiteren zehn Minuten war der Kampf endgültig entschieden. Die „Wappen von Kolberg“ war freigeräumt, rings um beide Schiffe strampelten die Polen im Wasser.
„Wenn es den Kerlen nur um ein erfrischendes Bad ging“, sagte Jack Finnegan, „dann hätten sie das auch gleich haben können.“
Von dem Dank Arnes und seiner Mannen wollten die Seewölfe nichts wissen.
„Das war selbstverständlich“, sagte Ben Brighton. „Ihr könnt dafür an der nächsten Tanzveranstaltung bei uns teilnehmen.“
Auch Edwin Carberry steuerte schon wieder völlig andere Gedankenkurse. Er stemmte die mächtigen Fäuste in die Hüften und sah den Kutscher und Mac Pellew strafend an.
„Ihr beide“, knurrte er, „habt wohl auch nichts anderes zu tun, als euch herumzuprügeln, was, wie? Daß es längst Zeit ist zum Backen und Banken – das interessiert euch wohl nicht, he? Uns hängt der Magen schon bis auf die Stiefelspitze!“
„Dann paß bloß auf, daß du nicht drüberstolperst und auf die Futterluke fällst“, sagte Mac bissig. „Sonst könnte es nämlich sein, daß du die Räucherheringe, die es heute wieder einmal gibt, nicht samt Köpfen herunterschlingen kannst!“
Die Arwenacks wechselten wieder auf die „Isabella“ über. Während sich der Kutscher und Mac Pellew, die für den Inhalt der Kochtöpfe zuständig waren, in die Kombüse verzogen, gingen beide Schiffe wieder auf ihren alten Kurs.
Der Nebel riß auf, und die ersten spärlichen Sonnenstrahlen versuchten, die Reste der wabernden, dunstigen Masse zu durchdringen.
Zum morgendlichen Backen und Banken sollte es jedoch vorerst nicht kommen. Dafür sorgten fünf weitere Galeeren, die aus Nordosten herangerudert wurden. Ihre Riemen erinnerten an riesige Spinnenbeine, aber die Männer auf der „Isabella“ und der „Wappen von Kolberg“ wußten nur zu genau, daß diese Schiffe weit gefährlicher waren als bissige oder giftige Insekten.
Der Profos der „Isabella“ fluchte fürchterlich.
„Alles nur wegen dieser verdammten Klunkerchen! Himmel, Arsch und Knoblauchduft, die schicken eine ganze Armada los, nur weil sie Angst haben, daß ihnen irgendwer sämtliche Bernsteinchen vor der Nase wegschnappt! Ob rechtschaffene Seeleute noch zu ihrem Frühstück kommen, das juckt die nicht im geringsten! Nicht einmal der Teufel ist so wild auf eine arme Seele, wie diese Rübenschweine auf das Steinzeug. Dabei kann man nicht mal ein Haus damit bauen!“
Mac Pellew, der gerade den Kopf aus dem Kombüsenschott streckte und sein gewohnt griesgrämige Gesicht aufgesetzt hatte, nickte beifällig.
„Man sollte diesen Burschen beim Backen und Banken die Mucks mit ihrem Steinkram füllen, damit sie sich die letzten faulen Zähne daran ausbeißen!“
Auch die übrigen Männer der Seewölfe-Crew waren nicht eben begeistert über das Auftauchen der fünf Galeeren. Aber sie hatten sich längst daran gewöhnt, daß die Polen ständig auf Patrouille waren, um rigoros jeden Segler nach „geschmuggeltem“ Bernstein zu durchsuchen.
Der Seewolf und sein Vetter, Arne von Manteuffel, hatten sich aus diesem Grund mit den Polen angelegt und sich dadurch deren besondere Aufmerksamkeit erworben – nicht zuletzt deshalb, weil sie ihren Generalkapitän Witold Woyda und dessen ehemaliges Flaggschiff mit sich führten – ersteren als Gefangenen und das Schiff als Schadenersatz für die versenkte alte „Wappen von Kolberg“.
Der Generalkapitän, der sich in der Vorpiek der „Isabella“ befand, hatte sich schon mehrmals mit Erfolg als Geisel verwenden lassen, dennoch gaben die Polen, wie die bisherigen Ereignisse gezeigt hatten, nicht auf. Sie wollten Woyda zurück, außerdem dessen Flaggschiff sowie die zwölf Kisten mit Bernsteinen und zwei Kisten mit Halbedelsteinen.
Da die „Wappen von Kolberg“ noch immer den Entführer der Freiin von Lankwitz, nämlich den gerissenen Hugo von Saxingen als Gefangenen an Bord hatte, war Witold Woyda auf der „Isabella“ untergebracht worden. Seine Schätze hatte man jedoch auf seinem ehemaligen Flaggschiff belassen.
Arne von Manteuffel fühlte sich fast ein wenig peinlich berührt. Er konnte schon gar nicht mehr zusammenzählen, was sein Vetter alles für ihn getan hatte – und das stets selbstlos und ohne zu zögern. Und seine Crew war genauso. Mein Gott, dachte Arne, was sind das nur für Kerle! Schon jetzt stand für ihn fest, daß er ihnen die vierzehn Kisten, die er an Bord hatte, überlassen würde. Das war seiner Meinung nach das Mindeste an Dank, den er Hasard und seinen Mannen schuldig war.
Bei den Seewölfen war die gesamte Crew bereits wieder klar zum Gefecht, schließlich wollte auch der Fünferverband der Polen in „alter Freundschaft“ empfangen werden.
„Das gibt bösen Stunk“, prophezeite Old Donegal. „Das sind immerhin fünf Schiffe.“
„Du merkst aber auch alles, Donegal“, sagte Ferris Tucker und kniff dabei ein Auge zu. „Haben dir die Wassermänner oder Seejungfrauen wieder was zugeflüstert?“
Der Alte reagierte bissig.
„Willst du vielleicht deinen Spott mit feststehenden Tatsachen treiben, du Holzwurm?“ schimpfte er. „Achte lieber darauf, daß du genug Flaschenbomben bereit hast, um sie den Kerlen anzubieten!“
„Dann laß sie nur erst mal näher heran, Donegal“, sagte der Schiffszimmermann grinsend. „Ich bin ja schließlich keine Hexe, die auf einem Besen durch die Luft reiten kann, um genau über den niedlichen Schiffchen die Flaschen fallen zu lassen.“
„Manchmal würde dir ein lodernder Scheiterhaufen unter dem Hintern auch nicht schaden“, sagte Old Donegal fuchtig. Dann stelzte er auf seinem Holzbein zum Niedergang, der von der Kuhl zum Quarterdeck führte.
Hasard stand neben Ben Brighton am Schanzkleid des Achterdecks. Die Gefechtsbereitschaft hatte er wohlweislich gar nicht erst aufheben lassen, seit Al Conroy die Galeere zu den Fischen geschickt hatte.
„Das scheint heute ein arbeitsreicher Tag für uns zu werden“, sagte er. „Die Burschen lassen jedenfalls nicht locker. Wie es aussieht, werden wir uns noch ein bißchen mit ihnen beschäftigen müssen.“
Ben grinste.
„Dabei haben wir immer gedacht, die Ostsee sei nur ein kleiner Ententeich, oder wie Mister Carberry meinte, eine Pißrinne für Kakerlaken. Bis jetzt hat uns dieser Teil der Welt, wie ich immer wieder feststellen muß, ganz schön in Trab gehalten.“
Hasard nickte und begann Arwenack, dem Bordschimpansen, der aufs Achterdeck geentert war, den Kopf zu kraulen. Dann gab er dem Affen einen freundschaftlichen Klaps.
„Verschwinde, Arwenack, hier gibt’s gleich Ärger!“
Der Schimpanse keckerte, als habe er den gutgemeinten Ratschlag verstanden und trollte sich in Richtung Quarterdeck.
Hasard setzte den Kieker ans Auge.
„Die kriegen wir so schnell nicht mehr los“, sagte er. „Soviel ich erkennen kann, wimmelt es auch auf diesen Galeeren von Soldaten.“
Der Abstand zwischen der „Isabella“ und dem polnischen Verband verringerte sich rasch. Die Polen schienen sich den beiden Galeonen haushoch überlegen zu fühlen. Während die vorderste Galeere vorwitzig versuchte, mit erhöhtem Riemenschlag zum Jagdschuß auf die „Isabella“ aufzulaufen, drehte die letzte Galeere der Fünfergruppe ab, um die Überlebenden der beiden gesunkenen Schiffe aufzusammeln, die immer noch im Wasser strampelten oder sich an treibenden Holzstücken festklammerten.
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