„Mach bloß die Luke dicht, du Holzgerippe!“ stieß der Profos hervor. „Und kümmere dich gefälligst nicht um meinen Charakterkopf! Vielleicht sprießen dort schon in wenigen Tagen hübsche Löckchen, wer weiß.“
Die Männer wollten in lautes Gelächter ausbrechen, aber da schaltete sich der Seewolf ein, der gerade einige Worte mit Ben Brighton gewechselt hatte.
„Wir dürfen keine Zeit verlieren“, sagte Hasard. „Was immer die Polen auch für Motive haben, über Arne und seine Männer herzufallen, sie spielen im Moment eine untergeordnete Rolle. Arne braucht unsere Hilfe, und zwar dringend. Mit seinen wenigen Leuten kann er das Schiff nicht auf Dauer gegen die Übermacht der Polen halten. Also mischen wir ein bißchen mit, und zwar so rasch es geht. Andererseits müssen wir natürlich damit rechnen, daß die Galeere zu einem polnischen Verband gehört, vielleicht sogar zu jenen Gruppen, die nach illegalen Bernsteinladungen fahnden. Somit besteht die Möglichkeit, daß jederzeit weitere Schiffe hier auftauchen.“
Die Seewölfe setzten sich in Bewegung.
Noch während die „Isabella“ vor den Wind ging, wurde die Gefechtsbereitschaft überprüft. Hasard ließ halsen, und schon wenig später lief die Galeone über Steuerbordbug auf die „Wappen von Kolberg“ zu. Das ständig lauter werdende Gebrüll sowie die Konturen des Schiffes, die sich jetzt deutlich im Nebel abzeichneten, zeigten an, daß man die richtige Richtung eingeschlagen hatten.
Alles Weitere lief rasch.
Hasard ließ die Segel ins Gei hängen, dann manövrierte Pete Ballie die „Isabella“ so an das Schiff der Deutschen heran, daß sich die Backbordseiten der beiden Schiffe berührten.
Und dann hielt die Seewölfe nichts mehr zurück.
„Auf ins Getümmel, ihr frommen Pilgerscharen!“ brüllte Edwin Carberry. „Jetzt wollen wir diesen triefäugigen Nebelböcken mal das Tanzen beibringen, was, wie?“
Mit einem donnernden „Ar-we-nack!“, dem Kampfruf der Seewölfe, stürmten die Männer auf die „Wappen von Kolberg“ hinüber, auf der noch immer ein heftiger Kampf tobte. Sie hatten rasch bemerkt, daß sich Arne mit seinen Leuten zum Achterkastell zurückgezogen hatte. Demnach war es höchste Zeit, daß die Deutschen etwas Unterstützung kriegten.
Philip Hasard Killigrew war schlau genug, nicht alle seine Männer auf Arnes Galeone überentern zu lassen. Wie richtig diese Entscheidung war, sollte sich schon wenig später herausstellen.
Der Seewolf blieb zusammen mit seinen zwölfjährigen Zwillingssöhnchen, Philip und Hasard, sowie mit Old O’Flynn, Al Conroy, Will Thorne und Gary Andrews an Bord der „Isabella“. Die beiden „Rübenschweinchen“, wie der Profos die Zwillinge meist nannte, hatten die Aufgabe, scharf Ausguck zu halten, zumal niemand wußte, welche Überraschungen der Nebel an diesem Morgen noch bereithielt.
Die restliche Crew begann auf der „Wappen von Kolberg“ mit dem großen Aufräumen.
Die Polen, die sich seit dem Rückzug der Deutschen aufs Achterkastell ihrem Sieg schon ziemlich nahe glaubten, hatten mit Entsetzen festgestellt, daß die große englische Galeone längsseits gegangen war. Daß dies keine Stärkung ihrer eigenen Reihen bedeutete, war ihnen klar.
So blieb ihnen nichts weiter übrig, als eine neue Front zur Backbordseite des Schiffes hin zu bilden. Doch bevor das gelang, befanden sich die meisten Seewölfe schon an Bord.
„Jetzt wird Reinschiff gemacht, Leute!“ rief der sonst so ruhige und besonnene Ben Brighton. „Und daß ihr mir ja das Deck schön sauber aufwischt!“ Er donnerte dem ersten Soldaten, der ihm in die Quere geriet, mit solcher Wucht die Faust unter das Kinn, daß dieser fast aus den Stiefeln gehoben wurde.
Auch die anderen Seewölfe hatten keine „Kontaktschwierigkeiten“, und im Handumdrehen war auf der „Wappen von Kolberg“ erst richtig der Teufel los. Der Kampf wurde teils mit Blankwaffen, teils mit nackten Fäusten oder Schlaginstrumenten geführt.
Arne von Manteuffel und seinen dreizehn Männern gelang es vom Achterdeck aus, die Polen zurückzudrängen, so daß sich das Getümmel mehr und mehr zur Kuhl hin verlagerte, wo die Seewölfe für Ordnung sorgten.
Sie alle kämpften wie die Löwen – Bill, Jeff Bowie, Matt Davies, Big Old Shane, Bob Grey, Batuti und all die anderen. Und die Polen begriffen sehr rasch, daß sie es mit eisenharten Männern zu tun hatten, die sich nicht einschüchtern ließen, am allerwenigsten durch lautes Gebrüll oder wüste Drohungen.
Big Old Shane, der schon als Schmied von Arwenack Castle in Falmouth gelernt hatte, kräftig zuzupacken, hielt eine Radschloßpistole am Lauf, und wer mit dem harten Kolben der Waffe Bekanntschaft schloß, brauchte sich hernach über mangelnde Beulen nicht zu beklagen.
Batuti, der schwarze Riese aus Gambia, ließ seinen gefürchteten Morgenstern kreisen, und Dan O’Flynn war in ein hartes Degenduell mit einem Soldaten verwickelt. Bill hieb mit einem Belegnagel drein und Ferris Tucker, dessen Kreuz so breit wie ein Rahsegel war, ließ das stumpfe Ende seiner gefürchteten Zimmermannsaxt durch die Luft zischen.
Edwin Carberry schien seinen entdeckungsreichen Tag zu haben. Irgendwo in der Nähe der Nagelbank des Großmastes stieß er auf die herumliegenden Utensilien, mit denen für gewöhnlich Reinschiff gemacht wurde. Dazu gehörte eine Pütz, die halb mit Sand gefüllt war, außerdem ein sogenannter „Holystone“ – ein weißer Sandstein, mit dem sich auch grobe Verunreinigungen der Planken wegscheuern ließen –, und einen Dweil, bei dem es sich um ein schrubberartiges Gebilde mit langem Stiel handelte.
„Ho!“ rief Ed, sichtlich erfreut über seinen Fund. „Kommt nur herbei, ihr Läuseknacker! Ich werde euch hübsch aufpolieren, damit eure Affenärsche glänzen wie Speckschwarten!“
Da er gerade mit einigen Ruderknechten beschäftigt gewesen war, schüttelte er mit Schwung den Sand in die Menge, was ein lautes Aufheulen derer zur Folge hatte, die die Sandkörner in die Augen kriegten.
Dem Kerl, der ihm am nächsten war, stülpte er die leere Pütz über den Schädel und setzte dann eine Faust obendrauf. Das hohle Geräusch, das er damit erzeugte, erinnerte an eine Trommel, mit der man auf Galeeren den Takt für die Ruderknechte vorgab.
Einem vierschrötigen Burschen, der mit einer Spake auf ihn losgehen wollte, schleuderte der Profos den „Holystone“ entgegen. Der kantige Sandstein traf den Polen voll am linken Fuß und verfehlte trotz der festen Lederstiefel seine Wirkung nicht.
Der Kerl stimmte ein markerschütterndes Geschrei an und hüpfte auf dem heilgebliebenen rechten Fuß im Kreis herum, wie einer jener tanzenden Derwische des Ibrahim Salih, die die Seewölfe einst an der türkischen Südküste kennengelernt hatten.
Um dem Geheule ein Ende zu bereiten, hieb Ed noch mit dem Dweil zu. Da dieses Putzwerkzeug, an dem noch einige Scheuertücher befestigt waren, naß war, gab es ein klatschendes Geräusch, dann krachte der Ruderknecht mit verdrehten Augen gegen die Nagelbank.
„Merk dir das, du Rübenschwein“, stieß Ed hervor, „am frühen Morgen wird noch nicht gesungen und getanzt, so was gehört sich nicht!“
„Recht so!“ rief der bullige Paddy Rogers. „Außerdem gehören Kanalratten ins Wasser!“ Er sammelte die Kerle auf, die ihm vor die Füße gepurzelt waren und beförderte sie – schön einen nach dem anderen – über Bord.
Edwin Carberry trennte sich vorerst nicht von dem Dweil, mit dem man so richtig schön zulangen konnte. Und so mußte sich noch so mancher Pole die nassen Lumpen mit lauten Klatschen um die Ohren hauen lassen.
Auch die beiden „Hakenmänner“ unter den Seewölfen waren voll in ihrem Element. Matt Davies räumte vor der Back auf, und Jeff Bowie, der stämmige Liverpooler, fegte gerade wie ein Wirbelwind über die Kuhlgräting hinweg. Sein linker Arm, dessen Hand durch eine Hakenprothese ersetzt worden war, weil er einst unliebsame Bekanntschaft mit Piranhas geschlossen hatte, zuckte vor – direkt auf einen polnischen Offizier zu. Sekunden später hing die Uniform des Mannes in Fetzen. Nachdem Jeff ein weiteres Mal zugelangt hatte, stand der Kerl fast nackt auf den Planken. Er vergaß vor Entsetzen, seinen Degen zu gebrauchen, deshalb prellte ihm Jeff Bowie mit einem dritten Hieb die Waffe aus der Hand.
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