Do Velho wich wieder zurück und kam der Tür nahe, die auf die Heckgalerie hinausführte.
„Wie haben Sie im Land der Buschmänner Ihre Haut gerettet?“ wollte Hasard wissen. „Verraten Sie es mir, Amigo, ich brenne darauf, die Zusammenhänge zu erfahren.“
„Dein Profos hätte besser mit dem Messer zustechen sollen“, stieß do Velho hervor. „Ich war nur am Arm und an der linken Schulter verletzt, ich kam durch. Ignazio schleppte mich bis zum Ufer, als ihr uns ins Wasser warft. Wir krochen an Land.“
„Aber die Buschmänner …“
„Im Laufe der Nacht erschienen nur zwei, offenbar Späher.“
„Der Stamm war durch das Auftreten meiner Männer eingeschüchtert“, gab der Seewolf zurück. „Die Wilden wagten es ja nicht, dem Profos und den dreizehn anderen zu folgen, so nachhaltig war der Eindruck, den sie von der Befreiungsaktion meiner Männer hatten.“
Do Velho wehrte sich mit verbissenem Eifer, konnte aber nichts dagegen tun, daß der Seewolf ihn bis unter den Rahmen der achteren Tür dirigierte.
„Wir überwältigten diese beiden Wilden, wenn du es genau wissen willst!“ rief er Hasard zu.
„Ignazio tat es. Sie waren dazu nicht in der Lage!“
„Also gut – er tat es!“
„Er hat Ihnen mehrfach das Leben gerettet“, sagte Hasard. „Sie müssen ihm ewig dankbar sein.“
„Ja!“ schrie der Kommandant. „Mein Gott, ja! Wir erbeuteten die Waffen der Buschmänner, pirschten am Ufer entlang und konnten später, als Ignazio mich notdürftig verarztet hatte, zur ‚Santa Monica‘ schwimmen. Die brannte inzwischen nicht mehr. Wie wir aufgeentert sind, wie wir die letzte Handvoll Meuterer erledigt haben, weiß ich selbst nicht mehr genau – aber wir schafften es.“
„Und weiter?“
„Ignazio reparierte das Ruder und stellte in zäher Arbeit das Schiff so weit wieder her, daß wir die Bucht verlassen konnten. Am Ufer standen die Buschmänner und drohten zu uns herüber. Sie führten die wildesten Tänze auf, aber sie hatten keine Boote, mit denen sie zu uns gelangen konnten.“
„Euer Glück, Amigo“, erwiderte Hasard. „Aber Sie wollen mir doch wohl nicht erzählen, daß Sie mit der lädierten ‚Santa Monica‘ die Heimreise nach Portugal bewältigt haben.“
„Nein. Die ‚Candia‘ war inzwischen wieder repariert worden und lief auf der Suche nach meinem Verband die False-Bucht am Kap der Guten Hoffnung an. Dort traf sie auf die Karavellen ‚San Julio‘ und ‚Libertad‘, und die Besatzung meines Flaggschiffes erfuhr von den Kapitänen de Hernandez und Santillan, was sich ereignet hatte. Sie lief sofort wieder aus und fahndete nach dem Verbleib der ‚Santa Monica‘ und der ‚Isabella‘, eurem Teufelsschiff. Fast schoß man uns zusammen, als wir uns begegneten – meine Besatzung nahm ja an, es noch mit den Meuterern unter Fernando Sartez zu tun zu haben. Aber ich war inzwischen wieder leidlich genesen und konnte mich verständlich machen. Wir waren gerettet, gingen an Bord der ‚Candia‘ und ließen die ‚Santa Monica‘ an der afrikanischen Küste zurück.“
„So war das also“, sagte der Seewolf. Er focht ununterbrochen weiter, und Lucio do Velhos Abwehr zerbrach an seinen mit Wucht und Können geführten Cutlasshieben. Rückwärts taumelte der Kommandant auf die Heckgalerie seines Schiffes hinaus.
Do Velho stellte zu seinem Entsetzen fest, daß die hölzerne Plattform unter ihrem Gewicht zu schwanken begann. Offenbar hatten die Männer der „Candia“ bei der Instandsetzung dieses Teils des Schiffes doch nicht die nötige Sorgfalt walten lassen.
Hasard schlug den Cutlass unter do Velhos Degen. Do Velho hielt dem Waffendruck unter mörderischem Kraftaufwand stand. Mit gegeneinandergepreßten Waffen standen sie sich gegenüber. Hasard drängte seinen Erzfeind bis an die Balustrade, die unter der Belastung bedrohlich zu ächzen begann.
„Du dreimal verfluchter Sohn einer verwanzten Hafenhure“, sagte Carberry zu Ignazio. Er sagte es auf englisch, weil ihm auf spanisch eine wichtige Vokabel gefehlt hätte, er konnte sich nicht daran erinnern, jedenfalls nicht im Eifer des Gefechts. Dem Mann aus Porto, der des Englischen nicht mächtig war, entging also dieser wichtige Profos-Ausspruch. Aber es sollte nicht der einzige Verlust bleiben. Ignazio war stark, aber er konnte auf die Dauer nicht der Kraft eines Edwin Carberry trotzen – zumal der Profos fast schon wieder zu flüstern begonnen hatte. In diesem Zustand äußerster Wut war Ed dazu imstande, ein ganzes Segelschiff in Alleinarbeit in seine Bestandteile zu zerlegen.
Ja, der Profos war „auf der Palme“. Er hatte genug von Ignazio, genug von do Velho und seiner „Candia“ und wollte dem Konflikt ein Ende setzen.
Noch zweimal krachte der Profos-Schiffshauer gegen Ignazios Säbel, dann war es soweit: Beim letzten gewaltigen Streich zersprang die Klinge des edlen portugiesischen Säbels, auf den der Bootsmann so stolz gewesen war. Ignazio starrte fassungslos auf den Klingenstumpf, den er mit dem Griff und Handkorb der Waffe noch in der Faust hielt. Dann wollte er doch noch mit diesem Stumpf zustoßen, doch Carberry war schneller. Er rammte dem Mann aus Porto die Faust unters Kinn, ganz genau auf den richtigen Punkt. Ignazio hatte das Gefühl, aus den Stiefeln gehoben und durch die Decke katapultiert zu werden, sein Geist entschwebte in bodenlose, alles zudekkende Finsternis.
Carberry sah noch zu, wie Ignazio schlaff an der Gangwand zu Boden sank, dann wandte er sich zu den anderen Kämpfenden um und unterstützte Dan O’Flynn und Batuti gegen die fünf portugiesischen Decksleute. Genauer: Es waren nur noch vier, denn einen hatten Dan und Batuti mittlerweile auf die Planken geschickt.
„Ihr Rübenschweine und Kakerlakenfresser!“ brüllte Carberry die Portugiesen an. Jawohl, er konnte schon wieder brüllen. Bixio, Raoul und die anderen beiden Kerle wichen unwillkürlich einen Schritt zurück – und das nutzten Batuti und O’Flynn sofort aus. Sie schoben sich vor und fochten. Der Profos wurde auch wieder mit seinem Schiffshauer aktiv. Die Gegner verloren gänzlich an Boden und konnten sich jetzt überhaupt nicht mehr halten.
Nach Steuerbord tobte der Kampf, aber dort hatten die Männer der „Candia“ das Achterkastell nur notdürftig ausgebessert, nachdem es von Ferris Tuckers Flaschenbombe aufgefetzt worden war. Aus einigen hastig zusammengezimmerten Planken und großen Stücken Persenning bestand da die Außenhaut.
Batuti hieb Bixio den Säbel aus der Hand, riß die freie Faust hoch und setzte sie dem Burschen in einem Haken gegen die Brust. Bixio torkelte rückwärts, krachte mit dem Rükken gegen die provisorische Verkleidung der Hütte, und die ganze Konstruktion gab nach. Bixio konnte sich nicht halten, obwohl er verzweifelt mit den Armen ruderte. Er stürzte aus der Poop der „Candia“ in die See, und zwar genau in den Zwischenraum, der zwischen der „Isabella“ und dem Viermaster geblieben war. Zwar dümpelten beide Schiffe jetzt fest vertäut ohne Fahrt in den Fluten, aber ihre sich zum Heck hin verjüngenden Achterschiffe ließen eben noch jenen Spalt offen, der Bixio zur Falle wurde.
„Ho!“ rief Carberry. „Grüß dich, alte Lady!“ Er unterlief Raouls Dekkung, drehte sich halb und rammte dem Mann den Ellbogen in den Leib. Raoul bewegte sich ebenfalls rückwärts, auf die Bordwand der „Isabella“ zu, verlor das Gleichgewicht und folgte Bixio. Der Klatscher, mit dem er im Wasser landete, war deutlich zu hören.
Die beiden anderen Portugiesen hatten genug, sie wandten sich ab und ergriffen die Flucht. So schnell sie konnten, turnten sie den Niedergang zum unteren Batteriedeck hinunter. Ihre Schritte polterten auf den Planken.
„Ihnen nach!“ brüllte der Profos. „Laßt sie nicht entwischen!“ Er war noch vor Batuti und Dan am Niedergang, raste ihn hinunter, fiel fast, fing sich aber wieder und stürmte quer über das düstere Batteriedeck.
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