Die Arbeitgebersicht auf die Generation spiegelt z. B. die BAP-Studie Junge Deutsche 2017, die 2019 zum vierten Mal erschienen ist (Schnetzer, S. u. BAP 2019, jungezielgruppen.de 2019) und die auch Bezug zur Folgegeneration Z nimmt. Befragt wurden 1007 Teilnehmer im Alter zwischen 14 und 39 Jahren (Generation Z: 14–21 Jahre, Generation Y: die älteren Jahrgänge). Die Erhebung erstreckte sich auf den Zeitraum zwischen dem 14. Januar und dem 25. Februar 2019. Herausgeber der Studie ist der Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP) in Zusammenarbeit mit dem Jugendarbeitsforscher Simon Schnetzer.
Als wesentliche Ergebnisse für beide Generationen ergaben sich:
• Die Familie ist zentraler Anker.
• Freundschaften werden vorwiegend digital gepflegt. Die Nutzung von Smartphones und Sozialen Medien hat bei der Generation Y allerdings weniger Gewicht.
• Finanzielle Unterstützung zu Studium, Ausbildung und Familienplanung wird als notwendig angesehen.
• Gute Arbeitsbedingungen gelten als unverzichtbar.
Als Besonderheiten der Generation Z werden genannt:
• Im Beruf stark beziehungsorientiert, Kollegen werden zur Ersatzfamilie.
• Ein Alltag ohne Smartphone, soziale Netzwerke und WhatsApp ist nicht mehr vorstellbar.
Ein direkter Bezug der Studie zum Gesundheitswesen besteht nicht.
Erstaunlich ist im Zusammenhang mit Statements von Arbeitgeberseite (losgelöst von der BAP-Studie), dass häufig keine oder nur begrenzte Erfahrungen mit der Generation Y vorliegen. Dies gilt ebenfalls für die Generation Z, die ja aufgrund ihres Alters gerade erst im Krankenhaus Fuß fasst. Weitergegeben werden häufig nur unreflektierte Meinungen von Dritten. Dies ist bedauerlich. Der Motivation junger Menschen zum Engagement in der Wirtschaft und in Krankenhäusern dürfte dies nicht förderlich sein.
Aussagen aus Krankenhäusern mit negativer Prägung
In Krankenhäusern stößt man vor allem auf folgende Aussagen:
• Wunsch nach grundlegender Veränderung des Systems Krankenhaus
• Besonderes Selbstverständnis mit nicht geeignetem Selbstmanagement für das Krankenhaus
• Geringes Engagement
• Träg- und Faulheit
• Sprunghaftigkeit (häufig kurze Verweildauer an einem Arbeitsplatz)
• Übersteigerter hoher Anspruch an Andere
• Einforderung von Teamarbeit (ohne selbst teamfähig zu sein)
• Nehmende Haltung (Erwarten einer Rundumbetreuung durch den Arbeitgeber entsprechend den Erfahrungen im Elternhaus)
Erfahrungen des Herausgebers aus der Zusammenarbeit mit Autoren dieses Buches und Autoren früherer Publikationen
• Bereitschaft zu konstruktiver Zusammenarbeit, vor allem mit der Pflege (Fokussierung auf Teamorientierung und flache Hierarchien)
• Differenzierte Sicht zu Defiziten und notwendigen Veränderungen im Gesundheitswesen, insbesondere Affinität zur Optimierung des Medizinstudiums, des Praktischen Jahrs (PJ) und der ärztlichen Weiterbildung
• Hohe Affinität zu technischen Neuentwicklungen mit besonderem Fokus auf die Nutzung digitaler Techniken für eine Optimierung der Patientenversorgung
• Massives Bemühen, kontinuierlich dazuzulernen und auch im Ausland medizinisch und sozial orientierte Erfahrungen zu erlangen
• Fähigkeit, die Sichtweisen anderer Generationen zu respektieren
• Hochgradiges Engagement in ehrenamtlichen Tätigkeiten
• Hohe Affinität zu sozialem (Bund 2014) und medizinischem Engagement trotz hoher Arbeitsdichte in Aus- und Weiterbildung. Besonderes Engagement der jungen Generation wurde und wird in der Coronakrise deutlich, z. B. durch Unterstützung von Ärzten und Pflegekräften bei der Betreuung von Covid-Patienten.
Diskussionswürdige Einschätzungen und Haltungen der Generation Y mit Vorschlägen zur Optimierung
Nachfolgend stellt der Herausgeber eigene persönliche Sichtweisen aus praktiziertem Umgang mit der jungen Generation vor und macht Vorschläge zur Optimierung. Zugrunde liegen umfassende Erfahrungen mit der Generation, sowohl aus Studienprogrammen zum Management für Ärzte (MHM ®- Krankenhausmanagement für Ärzte) als auch aus der Erstellung von Publikationen zum Krankenhaus und integrierten Versorgungseinrichtungen. Darüber hinaus konnten vielfältige Hinweise aus der praktischen Arbeit von Klinikärzten mit Vertretern der Generation in die Überlegungen einbezogen werden.
• Systemveränderung
Die Fokussierung auf Systemveränderung wird häufiger von Arbeitgebern unterstellt. Dies wird in Einzelfällen von der jungen Generation zwar durch eigene Überlegungen gelegentlich befördert, die bisherige Organisationsstrukturen in Frage stellen könnten (»Krankenhaus als Team«, »Jeder Mitarbeiter muss bei allem mitentscheiden«). Breite Gültigkeit hat diese Behauptung jedoch nicht. Es geht der jungen Generationen vor allem um sinnvolle und längst überfällige Strukturveränderungen!
Eine Diskussion zu Veränderungen der Krankenhausstruktur ist dringlicher denn je. Die Generation setzt hier Maßstäbe. Sie hat den Mut, Schwächen des Gesundheitssystems aufzuzeigen und deren Beseitigung einzufordern. Augenmaß ist aber auch hier erforderlich. Denn viele Krankenhäuser sind hier bereits auf gutem Wege. Vielerorts wird schon, ergänzend oder auch abweichend zur funktionalen Aufbau- und Ablauforganisation im Krankenhaus, auf mehr Prozessorientierung und flache Hierarchien abgestellt (Einrichtung Interdisziplinärer Behandlungszentren in Universitätsklinika, integrierte Versorgungskonzepte; therapeutische Teams, in denen Ärzte und Pflege auf gleicher Augenhöhe zusammenarbeiten). Damit sind erste Schritte für eine Neupositionierung des Krankenhauses auf den Weg gebracht, auch im Hinblick auf Krisen wie Corona.
• Selbstbewusstsein
Das Selbstbewusstsein erscheint nicht immer dem Tun und Handeln Einzelner zu entsprechen. Es steht gelegentlich in nicht angemessenem Verhältnis zu vorhandenen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Erfahrungen. Konfliktbereitschaft ist durchaus breiter ausgeprägt. Auch in der ärztlichen Tätigkeit, insbesondere zu Beginn ärztlicher Karriere, ist die Hinterfragung eines angemessenen Selbstbewusstseins für den Arzt selbst, aber auch für eine gute Patientenversorgung, durchaus zielführend.
Übersteigertes Selbstbewusstsein kann in einem für die Patientenversorgung nicht geeignetem Selbstmanagement sichtbar werden, das mehr das »eigene Ich« in den Mittelpunkt stellt, als die Belange des Patienten berücksichtigt. Dem sollte im Hinblick auf die Notwendigkeit geordneter Abläufe im Krankenhaus vorgebeugt werden (Schulungen im Medizinstudium oder im Krankenhaus zu einem Patientenbezogenen Selbstmanagement).
• Anspruchshaltung zu Arbeitsbedingungen
Die Forderung nach Schaffung guter Arbeitsbedingungen (Work-Life-Balance) ist uneingeschränkt berechtigt. Gewohnheitsbedürftig erscheint jedoch die durchaus verbreiterte Orientierung der jungen Generation auf besondere Freiräume (freie Tage für Forschung oder Habilitation, Nebentätigkeiten oder soziales Engagement). Entsprechende Vorstellungen bedürfen sicherlich der Reflexion. Orientiert werden muss sich aber immer am Machbaren und Möglichen. Dabei muss, besonders vor dem Hintergrund von Krisen wie Corona, berücksichtigt werden, dass sich Krankenhäuser (auch aus den Erfahrungen der Corona-Krise) strukturell und personell zur Bewältigung von Krisen massiv verändern müssen. Freiräume im gewünschten Sinne werden, auch aufgrund weiter zunehmenden Fachkräftemangels und begrenzter Finanzkapazitäten, kaum realisiert werden können.
Die Ausrichtung auf besondere Freiräume könnte ein Grund dafür sein, dass Führungskräfte die Generation Y gelegentlich als »faul« bezeichnen. Der immer größer werdende Mangel an Ärzten lässt besondere Freiräume allerdings schon jetzt nicht zu. Unabhängig davon: Die Durchführung von Forschungsarbeiten bzw. Habilitationen musste bisher neben der Tätigkeit in der Patientenversorgung durchgeführt werden. Tendenzen der Selbstverwirklichung Einzelner in äußerst schwierigen Zeiten erscheinen deshalb weder sinnvoll noch umsetzbar.
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