Das Gespräch diente Kowalski anscheinend nur dazu, um Roberto einzulullen, ihn in Sicherheit zu wiegen.
Die Spannung im Raum verdichtete sich.
„Ich warte!“, sagte Roberto bohrend.
Kowalski nickte wieder. „Okay, Tardelli. So machen wir‘s. Wir hauen Sergio Patana in die Pfanne!“
Er griff mit der Linken nach dem Schalldämpfer, als wollte er die Beretta aus seiner Hand lösen und sie mit dem Kolben voran Roberto entgegenhalten. Dabei seufzte er schwer.
Doch bevor sich die Finger seiner rechten Hand öffneten, schlug auf Sergio Patanas Schreibtisch das Telefon an. Mel Kowalski dachte, die schrille Klingel würde Roberto genügend ablenken, damit er seinen Plan blitzschnell in die Tat umsetzen konnte.
Sofort ließ die Linke den Schalldämpfer wieder los.
Die Beretta schwang in Gedankenschnelle herum. Sergio Patana riss entsetzt die Augen auf.
„Kowalski!“, brüllte Roberto. Es nützte nichts.
Die Beretta hatte bereits Feuer gespien und zuckte schon in Roberto Tardellis Richtung. Eine kaum messbare Zeitspanne entschied über Tod und Leben. Mel Kowalski war unvorstellbar schnell. Erst jetzt erschlaffte Patanas Körper. Der Boss von „Black Friday“ sackte zur Seite und fiel vom Stuhl.
Roberto Tardelli hasste Situationen wie diese, aus denen es nur einen einzigen Ausweg gab.
Er war gezwungen, schneller zu schießen als Mel Kowalski. Er musste den Mann so treffen, dass er ihm nicht mehr gefährlich werden konnte.
Robertos Luger krachte um den lebenserhaltenden Sekundenbruchteil früher als Kowalskis Beretta. Die Zeit hatte nicht gereicht, um einen gezielten Schuss abzufeuern.
Mel Kowalski hatte es erzwungen.
Seine Pistole nieste, aber der Schuss ging in die Decke. Verstört starrte der Killer auf das Loch in seiner Brust, aus dem nun dunkelrotes Blut zu fließen begann. Der Stoff seines Hemdes saugte die klebrige Flüssigkeit wie ein Löschblatt auf. Der rote Fleck wurde schnell größer.
Kowalski hielt sich krampfhaft auf den Beinen. Er wollte die Beretta noch einmal auf Roberto Tardelli richten, doch er hatte nicht mehr die Kraft, die Waffe zu heben.
Ächzend fiel er auf die Knie.
Dann kippte er nach vorn und fiel aufs Gesicht. Roberto eilte zu ihm und drehte den Sterbenden auf den Rücken. Er nahm ihm die Beretta aus den vibrierenden Fingern.
„Tardelli, du verdammtes Aas!“, gurgelte der Killer hasserfüllt. „Eines Tages wird es einer schaffen. Dann – dann sehen wir uns wieder. Ich geh jetzt nur voraus!“
Er seufzte ein letztes Mal. Dann war es vorbei mit ihm. Er hatte seine Rache bekommen, aber sein Leben verloren.
Roberto richtete sich auf. Er dachte an Mel Kowalskis Worte, und er hoffte, dass der Vertragskiller des „Black Friday“ damit nicht recht behielt.
ENDE
Der Killer und sein Zeuge
Thriller von Alfred Bekker
Die Hauptpersonen des Romans:
Thomas Hansen - ein Gebrauchtwagenhändler.
Katja Hansen - seine Frau.
Marc Hansen - sein Sohn, der Mühe haben wird, das Abi zu schaffen.
Kalli Radowski - sein angestellter Kfz-Meister.
Heiner Mahn - ein Azubi im Autohaus Hansen.
Jörn Brandes/Der Anrufer - kommt aus Thomas düsterer Vergangenheit im Dienst der Stasi.
Bremshey - ein Kriminalbeamter.
Grameier - seine Verstärkung.
Polizist - er muss eine schlechte Nachricht überbringen.
Bartels machte ein grimmiges Gesicht und lief rot an. Jörn knallte noch schnell den Hörer auf die Gabel, aber es war zu spät.
"Hören Sie...", fing Jörn Brandes ziemlich schwach an und hob dabei abwehrend die Hände.
"Nein, jetzt hörst du mir zu, Bürschchen! Und zwar Wort für Wort, klar?"
Was für eine Frage? Jörn wusste nur zu gut, dass er überhaupt keine andere Wahl haben würde, als seinem Arbeitgeber zuzuhören, wollte er den Job behalten. Er holte tief Luft, während Bartels den Verkaufstresen des kleinen Ladens für Surfzubehör umrundete.
"Wenn ich dich noch einmal dabei erwische, wie du Privatgespräche von diesem Apparat aus führst, dann bist du draußen! Kapiert?"
"Ja...", murmelte Jörn
"Schreib dir das hinter die Ohren!"
"Kommt nicht wieder vor."
Bartels machte eine wegwerfende Handbewegung und lachte heiser.
"Ja, das hast du beim letzten Mal auch gesagt!", versetzte er gallig.
"Ehrlich!", erwiderte Jörn.
Er kannte Bartels gut genug, um zu wissen, dass sich sein Zorn wieder legen würde, wenn man ihm keinen Widerstand entgegensetzte.
Bartels kratzte sich auf seiner Halbglatze. Dann nahm er die Rechte und hielt Jörn den Zeigefinger ziemlich dicht unter die Nase. Ein Zeichen dafür, dass es wirklich ernst war, soviel wusste Jörn.
"Ich habe dir eine Chance gegeben, Jörn!"
"Ja, ich weiß..."
"Ja, aber zu schätzen weißt du es nicht, verdammt noch mal!", schrie Bartels dann plötzlich los.
Gut so!, dachte Jörn. Er lässt Dampf ab! Vielleicht würde würde der Anfall dann schneller zu Ende gehen!
"Herr Bartels, ich weiß sehr wohl, was Sie für mich getan haben!", murmelte Jörn kleinlaut in eine Pause hinein.
Bartels stemmte seine kurzen, kräftigen Arme dorthin, wo vor vielen Jahren sicherlich mal so etwas wie eine Taille gewesen war, schüttelte stumm und mit hervorquellenden Augen den Kopf und meinte dann schließlich in gedämpftem Tonfall: "Jörn, ich bin ein gutmütiger Kerl, aber jede Gutmütigkeit hat ihre Grenzen, verstehst du?"
"Sicher."
"Und bei mir ist die Grenze jetzt erreicht."
"Herr Bartels..."
"Wenn ich dich irgendwann noch einmal mit dem Hörer in der Hand erwische, dann fliegst du in einem so hohen Bogen, dass du es dir jetzt vielleicht noch gar nicht vorstellen kannst!"
Jörn nickte.
"Ich sagte ja: Es kommt nicht wieder vor."
Bartels nickte jetzt auch, schien aber alles andere als überzeugt. Dafür kannte er Jörn zu genau.
"Die neuen Surfanzüge hast du auch noch nicht richtig ausgezeichnet! Ich frage mich, was du hier die ganze Zeit eigentlich so machst - außer Telefonieren, natürlich!", kartete Bartels dann noch nach. Aber das klang schon viel versöhnlicher. Fast schon freundlich.
Gott sei Dank!, dachte Jörn. Das wäre mal wieder überstanden.
"Ich gehe dann sofort an die Anzüge!", beeilte er sich.
"Möchte ich dir auch geraten haben."
Einen Augenblick später war Jörn dann bei dem Ständer mit den Surfanzügen und klebte Preisschilder auf. Aber mit den Gedanken war er nur halb dabei.
Bartels fragte: "Mit wem hast du denn diesmal telefoniert?"
"Niemand Wichtiges!"
"Wieder eine Nummer in den neuen Bundesländern?"
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