Aus diesen Gründen entschied man sich bereits 1910 bei der Projektierung der ersten europäischen 110-kV-Freileitung von Lauchhammer nach Riesa für den Einsatz von Ketten-Isolatoren [22].
Auch die 1924 einsetzende Entwicklung des Freileitungs-Stützers konnte die oben genannten Nachteile der Stützen-Isolatoren für Freileitungen mit Nennspannungen über 100 kV nicht beseitigen. Erst die Entwicklung der Ketten-Isolatoren, mit denen durch Aneinanderreihung von einzelnen Isolatoren, die durch Metallteile verbunden werden, beliebig lange Isolierstrecken hergestellt werden konnten, brachte den entscheidenden Fortschritt im Hochspannungs-Freileitungsbau.
1936 sah man die Hauptvorteile der Ketten-Isolatoren in folgenden Punkten [42]:
* leichte Lagerhaltung,
* Unterteilung der Spannung auf mehrere Isolatoren,
* hohe Überschlags- und Durchschlagsicherheit,
* geringe Überbrückungsmöglichkeiten durch Zweige und Vögel,
* Ermöglichung großer Spannweiten,
* leichte Auswechselmöglichkeit beschädigter Einzelglieder,
* das Leiterseil ist nicht unmittelbar am Isolator befestigt.
1.2.1. Schlingen-Isolatoren
Aus der Forderung heraus, Porzellan mechanisch nur auf Druck zu beanspruchen, führte die Entwicklung von Ketten-Isolatoren zunächst zu Isolatorenformen, die auf dem Grundprinzip des "Isolier-Eies" beruhten (Bild 221) [189].
Bild 221: Grundprinzip des Isolier-Eies
Die ersten brauchbaren Isolatoren nach diesem Prinzip entstanden 1907 in den USA in Form der "Hewlett-Isolatoren" [22], in Deutschland "Schlingen-Isolatoren" genannt (Bild 222 und 223). Sie wurden zuerst von der General Electric Co. (USA) hergestellt und bereits bei der 110-kV-Freileitung Grand Rapids Muskegon eingesetzt [65], [274].
Bild 222: Original-Hewlett-Hängeisolator
Bild 223: Original-Hewlet-Abspannisolator (link strain typ)
Edward M. Hewlett erfand gemeinsam mit Harold W. Buck diesen Isolator, der in der ganzen Welt lange Zeit den Freileitungsbau beherrschte [20], [190], [191]. So wurden u. a. auch
- die erste kanadische 110-kV-Freileitung zwischen den Niagara-Fällen und Detroit (ca. 500 km) 1908 mit 5-gliedrigen Isolatorenketten aus Hewlett-Isolatoren [192],
- ein System der Freileitung Lauta-Gröditz (Sachsen) und auch
- die Freileitungen des Bayernwerkes der 1. Ausbaustufe damit ausgerüstet.
In Deutschland wurde der Schlingen-Isolator in 2 "normalisierten" Ausführungen hergestellt [88]:
- als Hängeisolator (Bild 224 ) und
- als Abspannisolator (Bild 225).
Die einzelnen Isolierkörper wurden dabei zunächst mit doppelt geführten Seilen, die durch einfache Doppelklemmen geklemmt waren, verbunden [20], [190] und später dann mit Seilschlingen aus Stahl- oder Kupferseil (Querschnitt 35 qmm oder 50 qmm) kettengliederartig umschlungen, so dass bei Bruch eines Isolierkörpers das Leiterseil nicht herabfallen konnte [203].
Bild 224: Hewlett-Hängeisolator, normalisierte deutsche AusführungBild 225: Hewlett-Abspannisolator, normalisierte deutsche Ausführung
Die offenen Seilschlingen der Form "O" (Bild 227) [195], die an den Enden mit Halbkugeln versehen waren, wurden bei der Montage zur Isolatorkette mit Schlingenverbindem verbunden (Bild 226), wobei sich in Deutschland der Schlingenverbinder nach Bay (AEG) [193], [194] besonders bewährte (Bild 226).
Bild 226: Seilschlingen und Schlingenverbinder am Hewlett-Isolator
Bild 227: Seilschlinge für Hewlett-Isolatoren (Form "O")
Die mit einer durchgehenden Bohrung versehenen Halbkugeln an den Schlingenenden, wurden durch kleine Konen mit dem Schlingenseil verbunden.
Bild 228: Schlingenverbinder (System Bay) zum Schließen von Seilschlingen der Form "O"
Der Bay-Schlingenverbinder besteht aus 2 gleichgeformten Schalen zur Aufnahme der Halbkugeln der Seilschlingenenden. Diese Schalen werden beidseitig durch übergeschobene Halbschalen zusammengehalten und durch Splinte gesichert (Bild 229) [193].
Ein weiterer Schlingenverbinder war die Konuskupplung der AEG [20].
Seilschlingen der "O-Form" wurden zunächst nicht nur zur Verbindung der Einzelglieder angewandt, sondern mit Hilfe von Rollen auch zur Verbindung mit den Kettenzubehörteilen an den Enden der Isolatorkette (Bild 229 bis 231) [88].
Bild 229: Doppel-Abspannkette mit Hewlett-Isolatoren und Seilschlingen Form "O"
Bild 230: Einfach-Tragkette mit Hewlett-Isolatoren und Seilschlingen Form "O"
Bild 231: Doppel-Tragkette mit Hewlett-Isolatoren und Seilschlingen Form "O"
Diese Bauweise führte zu sehr langen Isolatorketten. Zu deren Verkürzung wurden deshalb Seilschlingen der Form "U" (Bild 232) entwickelt, die in Verbindung mit sog. "Hänge-Seilschlössem" (Bild 233 und 234), die End-Isolatoren der Ketten direkt mit dem Mast bzw. den Trag- oder Abspannklemmen verbinden konnten [52], [195].
Bild 232: Seilschlinge Form "U"

Bild 233: Seilschlösser mit Ösen-bzw. Klöppelanschluß für Seilschlingen der Form "U"
Bild 234: Fertig montierte Seilschlingen der Form "U" mit Hänge-Seilschlössern
Eine weitere Verbesserung an Hewlett-Isolatorketten wurde durch die Einführung von Seilschlingen der Form "S" und deren Verbindung mit Kreuz-Schlingenverbindem (Bild 235) erreicht [88], [203].
Bild 235: Seilschlinge Form "S" mit Kreuz-Schlingenverbinder
Die Porzellanfabriken Hermsdorf und Freiberg hatten dazu 1921 einen Kreuz-Schlingenverbinder geschaffen [196], [204], dessen 2 gleiche Schalen sich einfach zusammenschieben ließen und sich deshalb durch eine leichte Handhabung auszeichneten (Bild 236).
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