Später Aufbruch
Ich möchte mich an dieser Stelle bei meiner Frau bedanken. Sie hat mich ermutigt, diesen Schritt in meine Zukunft zu wagen.
Bedanken möchte ich mich auch bei Herrn Rupert Ernst (†), dem ehemaligen Leiter des AMS Salzburg, der mir diese Umschulung ermöglicht hat.
Bedanken möchte ich mich zuletzt bei meinen Professoren beiderlei Geschlechts, welche mir von Beginn an signalisiert haben, dass dies der richtige Weg für mich ist.
Verlag INNSALZ, Munderfing 2018
Gesamtherstellung und Druck:
Aumayer Druck + Verlag Ges.m.b.H. & Co KG, Munderfing
Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.
Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar.
Alle Ähnlichkeiten mit tatsächlich existierenden Personen, auch deren Namen, sind rein zufällig.
ISBN: 978-3-903154-75-9
Martin Ressagg
Später Aufbruch
Eine Satire
Inhalt
Ende Jänner hatten sie Frank gekündigt. Frank war zuletzt Außendienstmitarbeiter in Deutschland, nachdem er zuvor in Nordamerika für die Firma gearbeitet hatte. Seine Kündigung hatte sich abgezeichnet. Die Chefin hatte ihn schon lange Zeit wie Luft behandelt. Saß er gemeinsam mit einem anderen Außendienstmitarbeiter im Büro, so begrüßte sie diesen recht freundlich, ignorierte Frank jedoch demonstrativ. Immer wieder hatte er es sich erlaubt, bei der Abrechnung seiner Reisekosten und Provisionen die Erfüllung der mit der Firma ausgehandelten Konditionen einzufordern. Er akzeptierte keine einseitigen Verkürzungen seiner Ansprüche, das kostete ihn die Sympathien der Geschäftsleitung. Zwar war Frank ein »Piefke«, aber er war wirklich in Ordnung. Das war schon sehr bald klar, man überhörte seine Sprache und sah einen positiven, dynamischen, selbstbewussten Kerl, der seiner Arbeit mit viel Engagement nachkam. Seine Schwachstelle war der Innendienst: Hatte er einen Kunden an der Angel, ließ man sich bei den Angeboten wochenlang Zeit und war schließlich auch nicht bereit, bei den Listenpreisen ein paar Prozent nachzugeben, um einen neuen Kunden zu gewinnen. Noch schlimmer war allerdings, wie sehr der Ruf der Firma in Deutschland dadurch litt, dass Reklamationen nur sehr zögerlich und möglichst zum Nachteil des betroffenen Kunden bearbeitet wurden. Diesem Umstand wollte man ursprünglich entgegenwirken, indem man im Norden Deutschlands eine Werkstätte mit Büro mietete.
Für wirklich gutes Geld setzte man dort einen Techniker hin, der so in der Nähe der Kunden sein konnte. Mark war, wenn er nüchtern war, ein sehr guter Mann. Die Technik im Blut. Aber seine Wochenenden waren meist recht intensiv, am Montag konnte man oft noch eine deutliche Alkoholfahne wahrnehmen. Bei den Frauen war Mark extrem beliebt: drahtig, muskulös, geheimnisvolle dunkle Augen, immer gut gelaunt, charmantes Lächeln. Aber das war auch sein Pech: Wenn ein Mann allzu begehrt ist, fehlt ihm schließlich die Energie für ausdauerndes, konsequentes Arbeiten. Dass er dort oben in Deutschland als Einziger in der Firma der strengen Kontrolle der Chefin und ihres Geheimdienstapparats entzogen war, tat ein Übriges dazu. So kam es, dass die deutsche Niederlassung still und heimlich nach eineinhalb Jahren wieder »abgedreht« wurde. Fortan existierte sie nur mehr auf der Homepage – der Juniorchef hatte wohl seine Gründe, mir die Löschung der Zweigstelle im Internet zu untersagen.
Durch eine Reihe von Fehlentscheidungen hatte man den deutschen Markt ruiniert: Um die Jahrtausendwende waren etwa sieben bis acht Händler in Deutschland für die Firma tätig. Diesen hatte man jedoch Rabatte von etwa 30 Prozent gewähren müssen, da sie ja keinerlei Anspruch auf Ersatz ihrer Fixkosten hatten. Da die von der Firma Bammer hergestellten Maschinen und Geräte am Markt zu erheblichen Preisen verkauft wurden, kam es vor, dass ein Händler für einen einzigen Abschluss eine Provision von 30.000,- Euro oder mehr einstreifte. Das traf die Chefleute jedes Mal ins Mark. Sie beschlossen, die Händler auf unterschiedlichste Art und Weise zu vergraulen und den Markt dann durch eigenes Personal bearbeiten zu lassen. Das Ende war, dass der deutsche Markt für die Firma tot war und man Frank weder brauchte noch wollte. Frank war mittlerweile 49 Jahre alt geworden, die Zeit drängte. Hätte man noch zugewartet, würde man glatt riskiert haben, dass diese Kündigung als »sozialwidrig« eingestuft worden wäre. Möglicherweise hätte man eine Abschlagszahlung gebraucht, um einer Klage auf Wiedereinstellung zu entgehen. So aber konnte man sich noch recht billig von ihm trennen.
Frank hatte sieben Jahre lang für das Unternehmen gearbeitet. Nun sollte er uns also verlassen. Das Ganze war von der Geschäftsleitung (bestehend aus Chef, Chefin und Junior) als geheime Kommandosache geplant worden. Nur die junge Lohnverrechnerin und die Buchhalterin wussten Bescheid. Die Lohnverrechnerin war eine »gute Haut«. Offenbar konnte sie sich ganz schwer damit arrangieren, von der Geschäftsleitung zur »Geheimnisträgerin« auserkoren worden zu sein. Sie wusste, dass ich mit Frank in engem Kontakt stand. Am Vorabend des geplanten Ereignisses stand sie also plötzlich bei mir und bestellte einige Blatt Geschäftspapier mit dem Briefkopf der deutschen Niederlassung. Dieses Papier wurde selten benötigt, daher musste ich es im Bedarfsfall mit dem Laserdrucker produzieren. Kein Wort kam über ihre Lippen. Allerdings merkte ich ihre Unruhe. Wenig später rief sie mich zu sich, sie wisse nicht genau, wie sie die von mir produzierten Vordrucke in ihren Drucker einlegen muss, damit der Brieftext auf der richtigen Seite gedruckt wird. Ich startete in ihr Büro. Wieder sagte sie kein Wort. Sybilla, die Buchhalterin, saß nur wenige Meter entfernt. Sybilla war in der ganzen Firma als Zuträgerin und als verlässliches Mitglied der Geheimdienst-Brigade unserer Chefin bekannt. Einen Mausklick später erschien auf dem Bildschirm das Dokument. Adressiert an Frank D. In der Kopfzeile das Wort »Kündigung«. Zwei Sekunden. Schon war das Dokument wieder ausgeblendet. Ohne ein Wort gewechselt zu haben, hatte mir die Lohnverrechnerin also mitgeteilt, dass Franks Kündigung geplant war. Und zwar für den nächsten Tag, Franks Bürotag. Es war klar. Die junge Kollegin hatte ihren Job aufs Spiel gesetzt, damit Frank am nächsten Tag nicht ins offene Messer laufen würde. Nun war es wohl meine Verpflichtung, diese Information weiterzugeben. Aber auch ich musste sehr vorsichtig sein. Würde man meine Nummer auf Franks Handy entdecken, wäre wohl klar, von wem die Warnung gekommen war. Die technischen Überwachungsmöglichkeiten für Mitarbeiter waren immer auf dem neuesten Stand. Würde ich aber mit unterdrückter Nummer anrufen, so war es wahrscheinlich, dass Frank nicht abheben würde. Daher entschloss ich mich, abends mit dem Handy meiner Frau zu telefonieren. Ich ging davon aus, dass diese Nummer der Firma nicht bekannt sein würde. Ich erreichte meinen Kollegen. Er überlegte kurz. Sollte er »auf krank« machen und den Flug versäumen? Aber was würde es bringen – einen Monat später wäre die Situation wieder dieselbe. So geschah es, dass Frank uns mit dem letzten Februartag des Jahres 2014 verließ.
Frank war nicht der Letzte
Der Nächste auf der Liste sollte ich sein. Auch ich hatte das 48. Lebensjahr schon seit einiger Zeit vollendet. Zwar war ich nicht in jener Weise »problematisch« wie Frank, da ich einen All-in-Vertrag hatte, der über mein Grundgehalt hinaus keinerlei Abgeltungen vorsah.
Читать дальше