Ich hatte mich in dieser Zeit gut eingeteilt: Ich nahm an Informationsveranstaltungen des WIFI teil und ließ mich auch in Einzelgesprächen detailliert über den Weg in die Selbstständigkeit informieren. Natürlich hatte ich nie im Sinn, die x-te Ein-Mann-Werbeagentur im Großraum Domstadt zu gründen, denn die meisten Agenturen leben leider nicht von ihren hervorragenden Leistungen, sondern von den Beziehungen zu Politik und Wirtschaft. Da sah es bei mir leider düster aus: Wohl kannte ich eine Vielzahl an Leuten, die man eben kennt – bis hinauf zum Landeshauptmann, mit dem ich vor Jahrzehnten einige Milizübungen beim Bundesheer absolvieren durfte. Es fehlte mir jedoch absolut am Talent des »Beziehungsmanagements«. Stets hatte ich meine Energie darin investiert, fachlich kompetent zu sein und aus meiner Kreativität das Maximum herauszuholen, hatte auch viel Schweiß und nächtliche Gedanken darin investiert, wie ich die mir anvertrauten Projekte so umsetzen konnte, dass ich selbst mit Stolz darauf würde blicken können – aber ob mich jemand aus der »oberen Gesellschaft« dafür mögen oder mich zum Freund haben wollen würde, das war mir immer herzlich egal. Daher mein Entschluss: Keine Werbeagentur! Aber ich hatte einige andere gute Ideen – Produkte, die in unserer Welt viel Sinn machen könnten und auch den entsprechenden Abnehmerkreis finden mochten. In diese Richtung gingen meine Überlegungen. In der Wirtschaftskammer gibt es eine Anlaufstelle für potentielle Unternehmensgründer. Dorthin wandte ich mich und hatte alsbald einen Termin bei einem sehr kompetent wirkenden Magister. Wir verstanden uns auf Anhieb, interessiert hörte er sich an, welche Projekte ich wälzte und in welcher Weise ich die Realisierung derselben in Angriff nehmen wollte. Dabei half mir meine Marketingausbildung, wir waren ja dort unter anderem darin gedrillt worden, welche Argumente etwa eine Bank hören möchte, bevor sie ein Wirtschaftsprojekt unterstützt. Der WK-Berater schien sehr positiv zu meinen Ideen zu stehen, auch die Art und Weise der von mir geplanten Umsetzung und die von mir angedachten Varianten der Markterschließung dürften ihn überzeugt haben. Er selbst brachte noch zwei oder drei Kontakte in das Gespräch ein, von welchen er annahm, dass diese eventuell Interesse an einer Zusammenarbeit haben bzw. mir Vertriebswege öffnen könnten. Nach einer Stunde sehr guten Gesprächs kam mir der Berater noch etwas mehr entgegen: Er würde mir einen für mich kostenlosen Gesprächstermin bei einem Unternehmensberater vermitteln, der in Fragen innovativer Produktideen für die WK tätig ist und mir also noch weitere wertvolle Tipps geben könnte. Mit einem überaus positiven Gefühl verließ ich das prachtvolle Gebäude der Domländer WK – hier fühlte ich mich wohl und verstanden, das könnte also mein künftiger Weg werden.
Etwa 2003 hatte bei uns in der Firma eine Buchhalterin zu arbeiten begonnen, nennen wir sie Adele. Schon sehr bald stellte sich heraus, dass Adele ein irrsinniges Talent hatte, bei den Chefleuten Ansehen zu erlangen. Jede kleinste Kleinigkeit aus den Reihen der Mitarbeiter landete schnurstracks bei der Chefin. Diese hatte dann noch die Möglichkeit, die Angelegenheit auf ihre Weise zu interpretieren und dem Chef fast täglich einen neuen Skandal zu präsentieren. Auch war Adele extrem lieb zum degenerierten »Firmenhund« Burgi, einer altersschwachen, kurzbeinigen Kreatur aus der Kategorie Rauhaardackel, welche in ihren besseren Tagen als Jagdhund den Chef auf seinen ausgedehnten Wanderungen hatte begleiten dürfen. Nun aber lag Burgi den ganzen Tag unter irgendwelchen Schreibtischen herum und war wohl mehr eine Belastung für das ganze Team. Hier konnte sich Adele in besonderer Weise profilieren – oftmals ging sie tagsüber mit Burgi auf den Hof, damit diese ihre Geschäfte erledigen konnte. Und ging einmal ein Gacki oder ein Lulu auf den Teppich, so war sich Adele auch nicht zu schade, dieses zu entfernen (eine Aufgabe, die ansonsten gänzlich der Chefin zufiel).
Gemeinsam mit ihrer stets frustriert dreinblickenden Kollegin Suuus bildete Adele in diesen Tagen die Speerspitze des firmeninternen Geheimdienstes. Neben ihrer Arbeit in Buchhaltung und Personalwesen kamen die beiden Damen der Aufgabe des Skandalsuchens in perfekter Weise nach. Ein Beispiel: Eines Vormittags sollte der ORF in der Produktion Filmaufnahmen machen – die Bilder sollten der visuellen Bereicherung eines Beitrages dienen, den die Wirtschaftskammer gestaltete. Ich wusste von dieser Angelegenheit nichts. Die Chefin hatte Albrecht, unseren Qualitätsmanager, damit beauftragt, das Kamerateam zu empfangen und in die entsprechende Halle zu führen. Es begab sich jedoch, dass ich just an jenem Morgen ein Dokument im Personalbüro abzugeben hatte. Da ich als PR-Mann üblicherweise den Kontakt zum ORF hielt, bestürmten mich Adele und Suuus (die von der Aktion natürlich Wind bekommen hatten) mit der Frage, worum es bei diesen Dreharbeiten denn gehe. Ich musste die Damen enttäuschen, wusste ich doch wirklich von nichts. Minuten später rief mich unsere Empfangsdame an, es sei gerade ein Kamerateam des ORF eingetroffen und ich möge bitte in die Empfangshalle kommen, um die Herrschaften in Empfang zu nehmen. Nun war ich verunsichert. Hatte man etwa vergessen, mich zu informieren, dass ich in diesem Zusammenhang irgendwelche Maßnahmen zu treffen hatte? Kurzerhand rief ich die Chefin an (die Herren Bammer waren wie fast immer in wichtiger Mission außer Haus). »Das geht Sie aber nichts an, Albrecht kümmert sich schon darum«, kreischte die Chefin ins Telefon. »Und kommen Sie bitte jaaa nicht auf die Idee, in die Produktion zu gehen, das wollen wir nicht.« Okay, ich hatte verstanden. Es war die Art, einem Mitarbeiter zu signalisieren, dass er völlig überflüssig sei: Eine Aufgabe, von der das ganze Team annahm, sie würde in jemandes Verantwortungsbereich liegen, wurde einfach an einen (willfährigeren) Kollegen delegiert. Das wurde aber im Unternehmen nicht weiter kommuniziert, sodass man zwangsläufig davon erfahren sollte. Der krönende Schlusspunkt war dann der Auftrag, sich vom Geschehen nur ja fernzuhalten, weil es dafür ja geeignetere Kollegen gebe. Eins zu null für die Chefin.
Aber das Ganze war ja noch ausbaufähig. Einige Stunden später rief mich die Chefin zu sich. »Sagen Sie, wie kommen Sie eigentlich dazu, Adele wegen dieser Dreharbeiten auszufratscheln?« Na servass! Ich erklärte ganz schlüssig, dass ich gar niemand »ausfratscheln« hätte können, da ich ja bis zu diesem Morgen überhaupt nichts von irgendwelchen Dreharbeiten gewusst hätte. Ich sei rein zufällig in die Buchhaltung gegangen und die Damen seien mit Fragen auf mich zugekommen. »Aber die beiden haben mir das ganz anders erzählt. Wem soll ich denn jetzt glauben? Also, dass Sie rein zufällig in die Buchhaltung gekommen sind, das glaube ich Ihnen einfach nicht.« Zwei zu null für die Chefin, sie war ja in diesem Betrieb schließlich die Hüterin der Wahrheit.
Noch so ein Schmankerl: Seitens der Geschäftsleitung war es bei der Firma Bammer stets erwünscht, dass Mitarbeiter die 45-minütige Mittagspause dazu nützen, im Speisesaal den launigen Ausführungen des Chefs zu seinen Jagd- und Fliegereierlebnissen zu lauschen. Bei Abwesenheit des Chefs sollten dort aber jene wichtigen dienstlichen Informationen ausgetauscht werden, welche während der Arbeitszeit unterzugehen drohten. Dennoch verließen etliche Mitarbeiter über Mittag die Firma, um sich die Zeit anderweitig zu vertreiben. Zu diesen Abtrünnigen gehörte auch ich – meist stoppelte ich mir Ohrhörer mit meinem geschätzten Mittagsjournal in die Ohren und marschierte einige Kilometer. Im Zuge eines Gesprächs forderte mich die Chefin eines Tages auf, ich solle – sobald ich das Firmengelände verließe – »ausstempeln«. Von einer früheren Lohnverrechnerin wusste ich jedoch, dass das Lohnverrechnungsprogramm bei jedem Mitarbeiter automatisch 45 Minuten täglich als Pausenzeit abzog; hätte ich ausgestempelt, wären mir täglich also 90 Minuten von meiner Arbeitszeit abgezogen worden. Darauf wies ich Frau Bammer hin und regte an, erst eine technische Lösung für das »Pausenproblem« zu erarbeiten und dann eine Regelung zu erlassen, welche für alle Mitarbeiter gelte, nicht ausschließlich für mich.
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