1 ...7 8 9 11 12 13 ...19
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He would often come/used to come and talk to her when he had finished working. |
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As a child, I usually/often/always met with Harry. |
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(Beispielsatz 45 aus Declerck 2006: 34) |
Das simple past kann als Habitualitäts-Marker ausgeschlossen werden, da es zusätzliche lexikalische oder pragmatische Mittel benötigt, um eine habituelle Lesart zu erzeugen (vgl. Binnick 2005: 352; Carlson 2012: 831–835). Dennoch ist es jene Form, die im gesprochenen Englisch am häufigsten zum Ausdruck von habitueller Semantik verwendet wird (ca. 70 %; vgl. Tagliamonte/Lawrence 2000: 330). Bezüglich used to und would , die laut der Studie von Tagliamonte und Lawrence eine niedrigere Frequenz aufweisen als das simple past (ca. 19 % bzw. 6 %), herrscht eine widersprüchliche Meinung in der Literatur. Einige Autoren sehen die used-to -Periphrase als Habitualitäts-Marker an (vgl. Comrie 1976: 25; Declerck 2006: 34–35), andere widersprechen dieser Position und argumentieren, dass nur would als ein solcher fungiert (vgl. Binnick 2005).
Aufgrund der geringen Frequenz, der fehlenden Obligatorität und der Tatsache, dass primär das simple past verwendet wird, um die habituelle Semantik auszudrücken, kann im Englischen nicht von einer vollständig grammatikalisierten Kategorie des habituellen Aspekts gesprochen werden. In der temporalen Domäne der Vorzeitigkeit findet sich die aspektuelle Opposition zwischen dem simple past und der Progressivperiphrase be + V-ing , die im Unterschied zum Imperfekt, wie es sich im Lateinischen und den romanischen Sprachen vorfindet, nicht mit statischen Prädikaten kombiniert werden kann. Überhaupt handelt es sich beim progressiven Aspekt um eine Subkategorie des imperfektiven, weshalb ein Vergleich nur im Bereich der progressiven Semantik mit nicht statischen Prädikaten möglich ist. In den folgenden Kapiteln wird dargestellt, wie die Opposition perfektiv/imperfektiv im Lateinischen und den romanischen Sprachen versprachlicht wird.
Im Unterschied zum Deutschen und zum Englischen besitzt das Lateinische als erste hier behandelte Sprache die aspektuelle Opposition von perfektiv/imperfektiv. Jede der drei lateinischen Zeitstufen kann prinzipiell in perfectum und infectum unterteilt werden (vgl. Hewson 2012: 507–509; Maiden 2011: 175; Salvi 2011: 327), allerdings findet sich die Opposition zwischen dem perfektiven Perfekt ( laudavit ) und dem Imperfekt ( laudabat ) wie in den romanischen Sprachen nur auf der Zeitebene der Vergangenheit. Alle anderen aspektuellen Unterscheidungen gehen mit einer unterschiedlichen Lokalisierung auf der Zeitachse einher (vgl. Salvi 2011: 327–328) und werden typischerweise als retro- bzw. prospektiver Aspekt beschrieben, je nachdem ob sich TSit vor oder nach TT befindet (vgl. Klein 1994: 103–104).
Das lateinische Perfekt weist sowohl einen perfektiven als auch einen perfektischen Wert auf (vgl. Harris 1982: 46–49; Müller-Lancé 2006a: 171–172). Letzterer wird mithilfe des sogenannten resultativen oder präsentischen Perfekts ausgedrückt. Dieses „bezeichnet einen Zustand, der in der Vergangenheit begonnen hat und in der Gegenwart noch andauert“ (Menge 2000: 186; vgl. auch Kühner/Stegmann 1966: 124–126). Das perfektive Perfekt, das für die Belange der vorliegenden Arbeit von Relevanz ist, kann auch als aoristisches oder historisches Perfekt bezeichnet werden. Priscian (8, 52–53; zit. n. Pinkster 1988: 338)1 beschreibt die Unterscheidung zwischen perfektivem Perfekt und Imperfekt folgendermaßen:
si incipiam in praeterito versum scribere et imperfectum eum […] relinquam tunc utor praeterito imperfecto dicens ‚scribebam versum‘; […] continuo enim scripto ad finem versu dico ‚scripsi versum‘.2
Der perfektive Charakter des lateinischen Perfekts äußert sich dadurch, dass eine Handlung als geschehen, als in einem Moment zusammengedrängt bzw. als abgeschlossen dargestellt wird. Das Ereignis wird vom Sprecher gewissermaßen mit einem Blick überschaut. Das perfektive Perfekt eignet sich daher ideal dafür, den Handlungsstrang voranzutreiben. Daraus folgend wird argumentiert, dass es in narrativen Texten „die Hauptereignisse und Haupttatsachen an[führt], das Imperfekt hingegen […] die gleichzeitigen Nebenhandlungen und begleitenden Umstände veranschaulichend dar[stellt]“ (Kühner/Stegmann 1966: 127; vgl. auch Pinkster 1988: 360–363). Diese narrative Funktion der „Beschreibung und Schilderung von währenden Zuständen der Vergangenheit, [aber auch] […] der Darstellung von Sitten und Gewohnheiten“ (Kühner/Stegmann 1966: 122) ergibt sich aus der Semantik des Imperfekts, die Handlungen in ihrem Verlauf, ihrer Entwicklung beschreibt und als nicht abgeschlossen darstellt (vgl. Haßler 2016: 107–109; Menge 2000: 184–186).
Die eben dargestellte Unterscheidung zwischen perfektivem und imperfektivem Aspekt wird in den romanischen Sprachen beibehalten (vgl. Salvi 2011: 328). Es gibt aber auch eine für die vorliegende Arbeit besonders wichtige Innovation: Vermutlich durch die Doppelsemantik des lateinischen Perfekts angetrieben (vgl. Harris 1982: 46–49), entwickelt sich im Vulgärlatein der klassischen Periode eine Konstruktion (z. B. habeo litteras scriptas ), welche sich in den romanischen Sprachen als zusammengesetztes Perfekt durchsetzt (vgl. Pulgram 1984; Müller-Lancé 2006a: 171–174). Ursprünglich übernimmt diese periphrastische Form den perfektischen Charakter des lateinischen Perfekts (vgl. Salvi 2011: 329). Allerdings ist auch zu erwähnen, dass in einigen romanischen Sprachen (beispielsweise dem Französischen oder dem Standarditalienischen) die zusammengesetzte Form immer weiter in die Domäne des synthetischen Perfektivums vordringt und dieses vor allem aus der mündlichen Domäne langsam verdrängt oder bereits verdrängt hat (vgl. Bertinetto/Bianchi 2003: 570; Lindschouw 2017: 398; Pulgram 1987: 387). Inwiefern sich das lateinische Vergangenheitssystem im Französischen und im Spanischen erhalten hat, wird in Kapitel 2.3.4 näher erörtert. Zuvor wird aber noch auf die panromanische Beschreibung des Verbalsystems der romanischen Sprachen von Coseriu (1976) eingegangen.
2.3.4 Die romanischen Sprachen
Das folgende Kapitel stellt zuerst kurz das romanische System der Verbalkategorien von Coseriu (1976) vor. Im Anschluss werden diesbezüglich die für die vorliegende Arbeit relevanten romanischen Sprachen, das Französische und das Spanische, näher beschrieben und es wird darauf eingegangen, wie die Opposition perfektiv/imperfektiv ausgedrückt wird.
Die romanischen Sprachen weisen im Hinblick auf den perfektiven Part der aspektuellen Opposition eine relativ hohe innerromanische Variation auf. In den konservativeren Sprachen (z. B. Spanisch oder Katalanisch) existiert weiterhin ein perfektisches Perfekt ( perfecto compuesto oder perfet compost ); in den innovativeren hingegen (Italienisch oder Französisch) hat die analytische Form ( passato prossimo oder passé composé ) die synthetische ( passato remoto oder passé simple ) weitgehend aus der Alltagssprache bzw. aus der mündlichen Domäne verdrängt (vgl. Lindschouw 2017: 398). Aufgrund der Entwicklung der modernen romanischen Sprachen aus dem Lateinischen kann man aber auch panromanische Tendenzen feststellen (vgl. Oesterreicher 1996). Beispielsweise kann das romanische Imperfekt, wenn man einige wenige Ausnahmen außer Acht lässt, als panromanische Form beschrieben werden (vgl. Haßler 2016: 107).
Coseriu (1976: 91) schlägt ein System vor, das er selbst als „romanisch“ bezeichnet und das auf alle romanischen Sprachen anwendbar ist, was allerdings nicht bedeutet, dass man
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