Zweimal wurde Emilies Seelenruhe noch in den Siebzigerjahren auf eine harte Probe gestellt:
1 1870 kündigte Fontane, verärgert über die mangelnde Altersversorgung, seine Stellung bei der Kreuzzeitung . Ohnehin hatte er begonnen, sich von deren reaktionärem politischen Kurs zu distanzieren. Er wechselte als Theaterkritiker zur liberaleren Vossischen Zeitung . Diese Position war nun »das Einzige halbwegs Sichere«, so schrieb er später, »was ich habe«. Er erwarb sich dabei den Spitznamen ›Theaterfremdling‹ (T. F.), füllte seine Rolle aber zwanzig Jahre lang aus – und der Respekt, der ihm entgegengebracht wurde, wuchs in dieser Zeit beträchtlich.
2 1876 übernahm Fontane zum letzten Mal eine feste Anstellung: als erster Sekretär der preußischen Akademie der Künste. Doch enttäuscht von dem mangelnden Respekt, den man ihm dort entgegenbrachte, gab er die Position zu Emilies Entsetzen nach einem halben Jahr entnervt wieder auf.
Emilie Fontane, nach 1865
»Fontane als Sieger!« Befreit von allen beruflichen Verpflichtungen konnte Fontane sich nun seiner künstlerischen Arbeit widmen, und so begannen seine außerordentlich fruchtbaren letzten beiden Lebensjahrzehnte. Fontane veröffentlichte in dieser Zeit sechzehn Novellen und Romane, schrieb die entspannte Alterslyrik, den Ergänzungsband zu den Wanderungen , Fünf Schlösser (1889), und zwei autobiographische Werke. Endlich brachte er es nun auch zu »hohen Honoraren«, die es ihm erlaubten, mit seiner Frau in Modebäder wie Kissingen und Karlsbad zu reisen – »wenn man alt geworden ist […], sind solche großen Bäder mit ihren Zerstreuungen eigentlich das Beste«, schrieb er 1890 an Georg Friedlaender, mit dem er mehrere Urlaube verbrachte. Im Sommer entflohen sie dem Gestank und Staub Berlins in die Natur. Jetzt erschienen auch die ersten Übersetzungen seiner Bücher: 1892 in Frankreich Kriegsgefangen. Erlebtes 1870 und 1894 in Dänemark Unwiederbringlich .
Fontanes späte Briefe bezeugen, ihm wurde unter Kaiser Wilhelm II. der »Borussismus« zur »niedrigsten Kulturform, die je da war« . Er fand sich »verdemokratisirt«, sprach von seinem »wachsenden demokratischen Weltbürgertum« und fällte souveräne, glänzend formulierte, kritische Urteile über seine Zeitgenossen und die politischen und kulturellen Zustände:
Alles, was jetzt bei uns obenauf ist, […] ist mir grenzenlos zuwider: dieser beschränkte, selbstsüchtige, rappschige Adel, diese verlogene oder bornierte Kirchlichkeit, dieser ewige Reserve-Offizier, dieser greuliche Byzantinismus. Ein bestimmtes Maß an Genugtuung verschafft einem nur Bismarck und die Sozialdemokratie, die beide auch nichts taugen, aber wenigstens nicht kriechen. (An Georg Friedlaender, am 2. November 1896)
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