Uwe schaut den vier, rund um den Tisch sitzenden Männern der Reihe nach in die Augen:
„Sei mir nicht böse, Bill, und wenn du noch so einen guten Tipp hast, nicht mit mir.“
Bill Collins sieht nicht so aus, als ob er durch diese Zurückweisung entmutigt sei.
„Uwe, ich rede ja nicht von Goldwaschen“, sagt er.
„Das wäre mir auch zu unsicher, und du kannst darauf bauen, dass ich dir ein solches Angebot nur mache, wenn ich mehr in der Hand habe als nur einen Tipp!“ Während er unter den Tisch greift und eine ziemlich schwere Segeltuchtasche heraufholt, schaut er mit lustig schelmischem Augenzwinkern zu seinen drei Kumpanen, die alle grinsen.
Bill verlängert die Spannung, indem er beide Hände auf die Tasche legt, als wollte er sie vor unbilliger Neugierde schützen, während er ein wenig umständlich zu erzählen beginnt.
„Wir haben doch alle den alten Ryan Walters gekannt, der vor drei Wochen gestorben ist. Du doch auch, Uwe, oder nicht? Ist der nicht auch öfters hier eingekehrt?“
Uwe nickt. „Ja, das war ein ernsthafter Mensch. Ich habe mich oft mit ihm unterhalten.“
„Ja, Ryan hat als viel beschäftigter Prospektor praktisch jedes Erzvorkommen im Umkreis von tausend Kilometern gekannt. Hättest du den Ryan für einen Spinner gehalten, wenn er dir gesagt hätte, er kenne ein absolut sicheres Goldvorkommen?“
„Komm, sag schon, was das soll!“, knurrt Uwe, der die Geheimnistuerei nicht leiden kann.
„Ganz im Ernst, Uwe, ich mache da keinen Spaß“, setzt Bill jetzt zu einer Erklärung an.
„Ryan hatte mir zwei Wochen vor seinem Tod sagen lassen, dass er mich sprechen wolle. Man verweigert so einem alten Mann nicht so einen Wunsch. Er war, wie er mir sagte, fünfundachtzig Jahre alt! Ich bin also zu seinem Haus unten am Highway gefahren. Da hat er mir erzählt, dass er am Little Doctor Lake, da an den Abhängen der Nahanni Range zum Mackenzie Valley'', er kramt eine Karte heraus, deutet auf den Punkt und zeigt Uwe die Stelle, „schon vor ein paar Jahren in einem vor dreißig oder vierzig Jahren aufgegebenen Minenschacht eine goldführende Quarzader entdeckt hatte. Er sei absolut sicher, hat er mir gesagt, dass da eine Menge Gold stecke. Und als Beweis hat er mir diese Tasche gegeben.“
Mit betont ruhigen Bewegungen löst Bill Collins den Riemenverschluss und schüttet seinen Inhalt auf den Tisch. Es sind helle Gesteinsbrocken unterschiedlicher Größe, helles Quarz zumeist. Bill nimmt einen der faustgroßen Brocken und zeigt auf einige fingerdicke dunklere Einschlüsse, die sich wie Adern durch den Stein ziehen. Er nimmt sein Messer aus dem Etui am Gürtel und kratzt daran herum.
„Siehst du das Gold?“, fragt er Uwe, der das Stück ein wenig widerstrebend näher betrachtet.
Da gräbt Bill ein paar Schriftstücke aus einem Plastikordner.
„Das sind die Laboranalysen, die Ryan bei der Firma Cominco in Trail hat anfertigen lassen.“
Er beobachtet Uwe genau, während dieser die Dokumente sorgsam liest.
„Die scheinen das ernst zu nehmen“, sagt er dann zögernd; aber Bill sieht deutlich, dass es auf Uwe erheblichen Eindruck macht.
„Die Mine ist aber ziemlich weit weg von hier“, setzt Uwe hinzu.
„Sicher! Aber der alte Ryan schätzte das Potential des Vorkommens auf zwischen ein und zwei Millionen Dollar, da dürfte die Entfernung wohl eine untergeordnete Rolle spielen. Und außerdem ist das genau der Grund, warum wir dich mit dabei haben wollen, dich und dein Flugzeug!“
„Mal ganz langsam! Soweit sind wir noch lange nicht. Ich möchte erst einmal wissen, warum Ryan Walters das nicht selbst ausgebeutet hat und warum die früheren Eigentümer die Mine aufgegeben haben!“
Uwe ist nach wie vor skeptisch.
„Ich sagte ja schon, Ryan Walters war Mitte achtzig und schon lange ziemlich wackelig. Er wusste, dass er keine Chance mehr hatte, die Sache selbst durchzuziehen. Ich habe ihm vor Jahren mal einen sehr großen Gefallen getan, und jetzt wollte er sich auf diese Weise bei mir revanchieren. Ryan sagte mir, er kenne das Vorkommen schon seit über zehn Jahren, aber er habe sich einfach nicht getraut, Partner für das Unternehmen zu suchen, aus Angst, hereingelegt zu werden. Und allein hätte er weder die Kräfte noch das Geld dafür gehabt. So sei es übrigens auch den Vorbesitzern der Mine gegangen. Die hätten das Gold zwar dort vermutet, aber ohne einen Beweis zu haben. So hätten sie den Claim verfallen lassen müssen.“
„Und wie gedenkt ihr das zu finanzieren?“
Uwe schaut der Reihe nach in die Gesichter der vier Männer.
„Jeder von uns wird ein paar tausend Dollar aufbringen, um die Ausrüstung zu beschaffen und sie zu der Mine zu bringen. Wir brauchen einen guten, gebrauchten Kompressor für meine beiden Presslufthämmer. Den müssen wir wohl mit einem Hubschrauber aus Fort Simpson herüberfliegen lassen. Und außerdem Dynamit zum Sprengen. Trevis ist ja Sprengmeister“, er nickt bestätigend zu dem stillen Mann hinüber.
„Und dann wollen wir draußen arbeiten, in Schichten. Wenn du mitmachst, Uwe, habe ich mir vorgestellt, du würdest kein bares Geld einzubringen haben, und auch nicht in der Mine arbeiten. Aber du könntest mit dem Flugzeug die Versorgung übernehmen und die Ablösungen mit hin- und hernehmen. Die Mine liegt direkt am Ufer, sodass du auf dem See wassern könntest. Wenn du einmal in der Woche oder alle zehn Tage rauskommen würdest, müsste das ausreichen! Was denkst du darüber, Uwe?“
„Bill, das klingt alles recht vernünftig. Aber ich muss das zuerst mal überschlafen. Meine Arbeit hier im Motel und in der Werkstatt geht auf jeden Fall vor. Ich werde es erst einmal mit Mabel besprechen!“
Uwe, Du weißt doch, wie wichtig es ist, dass wir die Schulden loskriegen. Wenn du dich mit dieser Goldmine verzettelst, wird das schwierig.“
Mabel schaut ihn trotzig an.
„Du kannst nicht die ganze Last mir überlassen!“
„Nein, natürlich nicht“, sagt Uwe begütigend. „Auf der anderen Seite könnten wir den Goldregen ganz gut gebrauchen. Stell dir nur mal vor, ich käme da mit hunderttausend oder hundertfünfzigtausend Dollar raus, dann könnten wir die Hypothek zurückzahlen und wären nicht mehr so davon abhängig, ob es ein guter Touristensommer ist oder nicht.“
„Das sind doch Träume, Uwe. Das Risiko bei einem solchen Unternehmen ist doch immer größer als die Chance.“
„Ja, aber wenn man gar keinen Versuch macht, bekommt man nie eine Chance.“
Er schaut unentschlossen aus dem Fenster, hinaus auf den Vorplatz, vor dem General Store. Dann gibt er sich einen Ruck.
„Also, wir reden nochmals darüber. Für mich wird es Zeit, mich an die Arbeit an der Zündanlage des Cherokee zu machen. Die Leute wollen heute Nachmittag nach Watson Lake weiterfahren. Und dann muss ich die Maschine klarmachen, für den Flug morgen früh, um Bruce abzuholen.“
Nein, da kann ich Ihnen nicht helfen. Meine Eltern sind beide vor Jahren gestorben, eine ganze Weile nachdem Uwe damals hier vorbeikam. Ich selbst war da noch in Saskatoon beim Studium.“
Tom Musgrove, ein Mann Ende der Vierzig, kratzt sich hinter den Ohren. Man sieht ihm das Bedauern an, dass er dem Fremden nicht helfen kann.“
„Aber warum suchen Sie Uwe Breuer?“
Peter Harder gerät in Verlegenheit. Wie oft ist ihm diese Frage gestellt worden!
„Er ist mein Vater!“, sagt er dann, um ohne weitere Frage zu erklären, warum er selbst nicht Breuer heißt.
„Ich habe erst vor Kurzem erfahren, dass er das ist, meine Eltern hatten sich scheiden lassen.“
Der Satz hängt wie eine billige Floskel in der Luft.
„Wir alle haben Uwe sehr gerne gehabt. Als Kinder war er für uns, für meinen Bruder und mich, wie ein Bote aus der großen weiten Welt“, sagt Tom.
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