Es gab tüchtig zu tun, um Mann und Pferd etwas aufzufrischen. Wir taten es aber gern, denn was war aus unseren schönen Pferden geworden. Wie sahen Sattelzeug und Waffen aus und wir erst! O! was war in 4 Wochen aus unseren neuen Uniformen geworden, wer’s nicht mitgemacht hat, glaubt’s nicht.
Seit dem 2. August hatte ich keinen Stiefel ausgezogen. Als ich es hier tat und nach meiner kranken Zehe von Apolda her sah, da hatte ich auf einmal den abgegangenen Nagel in der Hand, darunter aber war zu meiner Freude ein neuer ziemlich lang gewachsen. Wenn wir auch hier nur auf Stroh lagen, aber so gut hatte ich lange nicht geschlafen wie in dieser Nacht. Da kam auch der Humor wieder.
Wir waren nun immerhin neugierig, wie es im Schloß aussähe und zwangen den Kastellan uns zu öffnen.
Zuerst führten Stufen einer Marmortreppe nach einem langen Korridor mit einer Reihe Statuen, alsdann folgte ein wunderschöner Parkettsaal. In einer Nische stand ein prächtiges Pianino, welches ich mit einigen deutschen Stücken probierte. Aber o weh! Mit einem Male kriegen sich die Ulanen beim Wickel, und flugs flogen sie nach meinem Walzer: „Auf Flügeln der Nacht“ in schweren Reiterstiefeln auf dem spiegelglatten Parkett dahin, der unglückliche Kastellan aber riß aus unter „mon dieu“-Rufen.
Da zu dieser Zeit Pianinos noch recht selten waren, wollte ich das Instrument gern von innen besehen und öffnete es zu diesem Zweck. Was fand ich aber? Die nagelneue Uniform mit Hut und Ehrendegen eines hohen französischen Offiziers, dem Besitzer des Hauses. Dieser war demnach unser Feind, und es ist dann freilich manches passiert, was besser unterblieben wäre. Aber das ist eben im Kriege so.
Für den 15. August war Ruhetag angesetzt, es sollte Apell mit Pistolen sein. Weil nun eine geladene Pistole (wie unsere Vorderlader immer geladen) sich schlecht reinigt, so machten wir uns im Park das Vergnügen, nach der Scheibe zu schießen, allerdings vergessend, daß wir durch die Schießerei das ganze Kantonement in Aufregung versetzten. Eben krachte mein Schuß, da hatte mich von hinten der Wachtmeister, welcher dem Geschieße nachgegangen war, beim Wickel. Erst gab’s ein Donnerwetter, und dann mußte der Unteroffizier und 5 andere auf Strafwache zu Fuß ziehen, die andern sollten morgen dran. Das war aber in einer wunderschönen Nacht eine vergnügte Strafwache. Zunächst sollten 3 Mann alle Stunden zu Fuß eine 1/4 stündige Patrouille machen. Hier hörten wir das erste Wort von Franktireurs, Menschen, die wir später genugsam kennen lernten.
„Pardon“ gab es zwischen Ulanen und Franktireurs bis in die letzte Periode des Feldzuges eben nicht.
Von 10 Uhr nachts an stand ich Posten vor Gewehr. Der Unteroffizier und die übrigen Wachtmannschaften gingen in die Villa, in der die Wache war, hinein, um noch etwas Eß- oder Trinkbares zu suchen. Blos eine Flasche Wein wurde mir zunächst herausgeschickt, die ich nach und nach austrank, dabei auf einem Gartentisch bei hellem Mondschein einen Brief nach Hause schreibend. Es ist wohl 1 Uhr gewesen, da erst kam die ganze schöne Gesellschaft wieder heraus, brachte vielen und schweren Wein, sowie allerhand süße Fruchtspeisen mit. Dann gings sofort ans Essen und Trinken auf offener Straße, so daß wir in kurzer Zeit alle total betrunken der Länge nach auf der Straße lagen und — schliefen. Ein Mann unserer Eskadron machte uns um 4 Uhr erst munter. Es ist aber nichts herausgekommen — sonst? Aber noch etwas! Ich hatte durch ein Souterrainfenster beobachtet, daß sich der Bursche des Wachtmeisters und noch ein Mann ihr bekommenes Fleich zum Kochen bei starkem Feuer ansetzten und dabei abmachten, daß sie früh, ehe es wegginge, die Bouillon abtrinken, das Fleisch aber als Frühstück mitnehmen wollten. Als wir beim Aufwecken um 4 Uhr aber einen gewaltigen Katzenjammer spürten, stahl ich die ganze schöne Fleischbrühe für uns und schüttete helles Wasser über daß Fleisch.
Um 5 Uhr wurde alarmiert. Nachdem wir ein Stück geritten waren, erkundigte sich der Bursche bei einem Kameraden, ob sein Fleisch auch eine so schlechte Bouillon gegeben habe wie das ihre. Allgemeines Hohngelächter der Schwadron, von denen die meisten diesen Streich bereits erfahren hatten, war die Antwort.
Am 16. August wurde der Weitermarsch angetreten, und unsere Schwadron bekam einen sehr ehrenvollen aber auch anstrengenden Auftrag, der nicht ohne Gefahr war.
Wir bildeten die äußerste linke Seitendeckung der ganzen III. Armee bei dem Vormarsche nach Chalnus, wo, wie man glaubte, die Franzosen sich festsetzen würden. Wir hatten dieses Kommando bis zum 24. August, also 10 Tage lang, bekamen einen andern deutschen Soldaten nur sehr selten zu sehen, und durchstreiften lauter Ortschaften, wo noch kein Deutscher gewesen war. Die halbe Schwadron mußte aber stets den Sicherheitsdienst für uns und die Armee mit besorgen, d. h. Patrouillen reiten und Feldwachen aussetzen nach allen Richtungen hin, umsomehr, als Franktireursbanden sich mehr und mehr zu bilden schienen.
Zunächst noch etwas näheres über diese Herren.
Es waren mit Militärgewehren bewaffnete freiwillig zusammengeschaarte, meist zweifelhafte Elemente der Bevölkerung ohne Uniform im blauen Kittel. Dieselben belästigten nicht nur uns, sie raubten und stahlen auch im eigenen Lande. Es sind Fälle vorgekommen, daß die Einwohner der Dörfer und Städte froh waren, als wir kamen und die Gesellschaft verjagten. Von uns wurden sie anfangs nicht als Soldaten, sondern als Räuber behandelt, waren für uns jedoch gefährlicher als das Militär. Später wurden sie infolge diplomatischer Einmischung Englands als Soldaten anerkannt, mußten aber uniformiert werden und trugen Käppis und blaue Litewkas, wie jetzt unsere Landwehr hat.
Größere Requisitionen für die Armee an Hafer, Schlachtvieh usw. mußten wir in den einzelnen Ortschaften alltäglich vornehmen und dieselben absenden. Hierdurch entstanden fast alle Tage Mißhelligkeiten mit den Behörden, und vielmals mußte Gewalt angewendet werden. Dieses vorausgeschickt. Wir marschierten am 16. August also zunächt durch Nancy. Wie schon gesagt, ist dieses eine der schönsten Städte Frankreichs. Wunderhübsche Plätze und ein prachtvolles Mairygebäude fielen uns besonders auf.
Dann ging es nach Point St. Vincent bis Colombey, wo biwakiert wurde. Hier mußten wir die ersten 2 Pferde erschießen, weil dieselben nicht mehr weiter konnten wegen Ueberanstrengung. Die Leute kamen auf einen requirierten Wagen.
Am 17. August kamen wir bis Champagnyan der Maas, Quartier für die halbe Schwadron, die andere Hälfte auf Patrouille und Feldwache, ich natürlich wie immer bei den letzteren.
Während bis Nancy die Bevölkerung uns noch verstanden hatte, da wenigstens ein Teil derselben deutsch sprechen konnte, war dies hier nicht mehr möglich, und es mußten die ersten Brocken französisch eingepaukt werden. Ich erinnere mich noch, das mein erstes Wort le feu (Feuer) war, weiter lernte ich am ersten Tage noch de la viande (Fleisch), du sel (Salz) und du pain (Brot).
Ich hatte eine schöne geschnitzte Tabakspfeife mitgenommen. Im Quartier, beim Instandsetzen unserer Sachen, rauchte ich dieselbe. Der Sohn des Hauses, ein hübscher schlanker, za. 18jähriger Bursche, hatte seinen Narren an derselben gefressen, weil man Pfeifen mit so großen Köpfen in Frankreich nicht kennt, sondern nur die kleinen Checkpfeifchen aus Ton.
Der junge Mensch bat mich, ihn doch einmal rauchen zu lassen und als ich es ihm gestattete, trat er nun mit meiner Pfeife im Munde auf die Straße und wurde von den Einwohnern nicht wenig begafft. Ich hatte mich nicht weiter um ihn gekümmert und war er die Straße hinaufgewandert.
Mit einem Male wird alarmiert, wir müssen schnell fort und meine Pfeife war ich los, denn wer nicht wiederkam war unser Bursche. Ich habe den ganzen Ort verwünscht aus Aerger, zumal ich noch ausgelacht wurde.
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