Im Nebengehöft ist ein Mann der 3. Eskadron damit beschäftigt, seinen rostigen Säbel zu putzen, indem er denselben in der bekannten Weise zwischen Brust und eine Wand stemmt, mit einem Putzlappen tüchtig wienernd. „Unser Fritz“ sieht ihm unbemerkt ein Weilchen zu und ruft ihn an: „Jetzt ist Krieg mein Sohn, da ist putzen so sehr nötig nicht.“ Freilich hat es uns nichts geholfen, wenn wir uns später gern einmal auf dieses Wort berufen mochten. So zog er seine Straße weiter.
Am Abend kommt ein großer Wagen mit Bier im Orte an und hält in den Anlagen vor der Wohnung Sr. Königl. Hoheit. Wir alle, des billigen Weines überdrüssig, schnell dahin, um ein Glas Bier zu bekommen.
Der Kronprinz, auf dem Balkon des Hauses stehend, sieht dies, schickt seinen Adjutant herunter, läßt den ganzen Vorrat kaufen und schenkt ihn uns als Abendtrunk mit der Aufforderung, zu singen. Das war natürlich einmal ein gern gehörter Befehl. Bekannt ist, daß die Frau des Hauses in dieser Nacht einen Sohn gebar, bei welchem der Kronprinz Patenstelle angenommen hat. Als er später schwer krank auf der unfernen Mainau lag, besuchte ihn der Junge und gab auf die Frage, was er einmal werden wolle prompt Antwort: „Soldat, wie mein Herr Pate.“
Bei Zeiskamm sollte Exerzieren stattfinden, damit sich Mann und Pferd an die Kriegsformation gewöhnen konnten. Als wir am 29. Juli auf die dazu bestimmten Wiesen kamen, ließ Rittmeister von Stockhausen die Eskadion in Zügen auflösen und gab den Zugführern auf, die zugekommenen rohen Ackerpferde erst in ruhigem Schritt an das Glied zu gewöhnen und erst später in einen langsamen Trab überzugehen.
Unser Führer, Premierleutnant Fleischer, einer der damals bekanntesten Herrenreiter, war jedoch anderer Ansicht, Kaum 100 Schritt geritten, kommandierte er „Trab“ und weitere 100 Schritt „Galopp marsch“ und in vollem Sausen ging es das lange Wiesenried hinauf, sonderbarerweise die Bauernpferde, wir hatten 6 im Glied, alle mit. Nun aber kam der Rittmeister nachgesprengt und verwies seinem untergebenen Zugführer „dieses Rasen“ ganz ernstlich. Dieser aber entgegnete schnell: „Jetzt, Herr Rittmeister, ist Krieg, da müssen die Pferde Galopp gehen lernen, nicht Schritt.“ Und dann gings in demselben Tempo an den Ausgangspunkt zurück.
Lange dauerte die Exerziererei aber nicht, denn schon am 31. Juli, als wir eben aus dem Gottesdienst kamen, wurde gesattelt und wir rückten unter vielen Glück- und Segenswünschen der Bevölkerung ab in die Gegend um Annweiler, einem schönen Bergstädtchen.
Im Orte Flemmingenhatten wir nächste Nacht noch einmal Quartier unter Dach bis 3 Uhr früh, wo dann allarmiert wurde. Dann aber, als die Truppen immer dichter kamen und die Krisis näher heranrückte, haben wir 14 Nächte hintereinander unter freiem Himmel auf der bloßen Erde gelegen, sind noch dazu alle Nächte naß geworden bis auf die Haut. Gar mancher junge Soldat holte sich dabei zum mindesten eine Krankheit, und vorbei war mit einemmale der ganze Jubel, der Ernst des Krieges zeigte sich bald in stärkster Form. Aber auch das Pferdematerial litt in dieser Zeit fürchterlich.
Die schmucken neuen Uniformen wurden schon in dieser Zeit schmutzige Lappen, die Pferde abgetriebene Klepper. Dieses vorweg.
Am 2. August trat die 4 Kavalieriedivision als gesonderter Truppenteil zusammen. Kommandeur war Sr. Königl. Hoheit Prinz Albrecht, (Vater) zum Unterschied von Prinz Albrecht (Sohn). Ersterer war der jüngere Bruder vom damaligen König Wilhelm.
Zur Division gehörte:
8. Kav. Brigade (schwere Brigade), Kürassierregiment Nr. 5 und Ulanenregiment Nr. 10. 9. Kav. Brigade (Ulanen-Brigade) Ulanen-Regiment Nr. 1 und Ulanen-Regiment Nr. 6. 10. Kav. Brigade (leichte Brigade), 2. Leibhusaren-Regiment (schwarze) Nr. 2 und Dragoner-Regiment Nr. 5. 2 Batterien reitende Artillerie, Train, Sanität und Fuhrpark.
Am 2. August wurde nach der Grenze zu die erste Feldwache ausgestellt. An diesem Tage verbreitete sich das Gerücht, Bayern wolle entweder neutral bleiben oder sich, um mehr zu erreichen, mit Frankreich verbünden. Da traten uns vor Wut die Tränen in die Augen, wären in diesem Augenblick bayrische Soldaten da gewesen, wer weiß was geschehen. Gott sei Dank, wir wurden recht bald eines besseren belehrt.
Um 7 Uhr abends wurde die Feldwache eingezogen, und das Regiment marschierte nach dem Orte Dannheim, wo biwakiert wurde. Das erste Biwak, nachts der erste Regen. Wir erfuhren an diesem Abend noch vom 1. Gefecht bei Saarbrücken.
Am Abend dieses Tages besuchte das Regiment der Herzog von Gotha. Derselbe ließ alle seine Landeskinder heraustreten und widmete ihnen einige warme Worte. Dann bekamen sie zusammen ein Faß Bier gespendet, und wir mußten wehmütig zusehen.
Den 3. August blieben wir auf derselben Stelle liegen und wurden wieder tüchtig naß. Glücklicherweise war es am Tage immer sonnig.
3. Ueber die Grenze, Schlacht bei Wörth.
Am 4. August früh 4 Uhr wurde nach Insheimzu, dem Sammelplatz der ganzen Kavalleriedivision, aufgebrochen. Es war für uns ein herrlicher Anblick, als wir unsere 6 stolzen Reiterregimenter und die 2 Batterien zum erstenmal zusammensahen und von Sr. Königl. Hoheit unserem Kommandeur warm begrüßt wurden.
In langem Zuge setzte sich die ganze Reitermasse nach der Grenze zu in Bewegung. Mittag kam die Nachricht, daß bei Weißenburg gekämpft würde, und nun ging es im scharfen Trabe auf den bald hörbaren Kanonendonner los. Um 4 Uhr waren wir auf dem Schlachtfelde, zu spät, um Arbeit zu finden. Gegen Abend wurde bei dem südlich von Weißenburg gelegenen Grenzdorfe Altstadt Biwak, mit nur etwas Regen in der Nacht, bezogen. Zum erstenmal kam uns, als wir unsere Pferde zur Tränke ritten, ein Zug Gefangener, worunter einige Turkos, entgegen. Der ganze Trupp von ca. 100 Mann machte keinen schlechten Eindruck, alle waren pulvergeschwärzt und sehr ernst, ältere Unteroffiziere sah man die Zähne vor Aerger und Scham zusammenbeißen. Da die Begleitmannschaften (Bayern) erzählten, wie tapfer die Leute gewesen seien, so verstummten bei uns gar bald alle höhnischen Worte, welche sich beim Sieger seinen Gefangenen gegenüber nur allzuleicht hervordrängen. Ueberhaupt haben wir auch später mit den Gefangenen, welche vom wirklichen Militär waren, mehr Mitleid gehabt, als Verachtung. Der französische Soldat ist sehr gewandt, sehr tapfer und ausdauernd, aber er war nicht genügend ausgebildet mit dem vorzüglichen Chassepotgewehr, und das Offizierchor war unsern Offizieren durchaus nicht gewachsen. Da in dem ersten Kampfe unserer so verschiedenartig zusammengesetzten Armee die erste Waffenbrüderschaft geschlossen wurde, so war der Jubel der einzelnen Truppenteile groß.
Am 5. August früh, kurz nach 4 Uhr, wurde zu einer großen Rekognoszierung gegen Hagenauaufgebrochen. Am Geisberg, dem Hauptpunkt des gestrigen Gefechts vorüber, ging es über Sultz nach der vor Hagenau liegenden Mulde. Unser Regiment hatte die Avantgarde. Die 1. Eskadron, als rechte Seitendeckung, berührte hierbei verschiedene Ortschaften wo am nächsten Tage gekämpft wurde, und stellte die Stellung der französischen Armee bei Wörth fest, 1 Mann und 8 Pferde war ihr Verlust.
Wir, die 4. Eskadron, hatten die Spitze vom Gros der Division, 1 Detachement Pioniere zu Wagen waren uns beigegeben. Ich selbst war mit an der äußersten Spitze. Als wir auf einer Höhe kurz vor dem Hagenauer Walde ankamen, wurde eben von den Franzosen die über die Sauer führende Brücke in die Luft gesprengt, noch sahen wir die französischen Pioniere davonlaufen. Schnell unsere Pioniere vor, (mein Nachbar und Schulkamerad Louis Bamberg, Utzberg dabei) einige ziemlich starke Pappeln an der Straße wurden abgesägt, zwei auf einem Teich, oberhalb gefundene Kähne herbeigeschafft und umgestülpt verankert. Die Pappelstämme wurden mit Reisig und alsdann mit abgegrabenen Rasenstücken belegt. Nach 1 Stunde schon war die Brücke fertig und wir gingen zuerst darüber. Als wir auf der Straße in den Wald eindrangen, bemerkten wir einige Reiter und hörten schießen. Aber wir wurden auch auf ein sonderbares „Klatschen“ an den Bäumen aufmerksam und als wir uns darüber wunderten, meinte ein alter Reservist, der 66 mitgemacht hatte, ruhig: „Schafsköpfe, Kugeln sinds“. Als wir dann auch das sonderbare Pfeifen und Zischen deutlich hörten, da wußten wir alle, daß dies der erste Gruß der hinter dem Walde liegenden Franzosen an uns war, und gar mancher machte bei jedem Schusse eine elegante Verbeugung nach vorn. Wir rückten ganz an den Straßenseiten unter den Baumästen noch ein Stück vor, da aber allerwärts Verhaue und sonstige Straßensperrungen errichtet waren, gingen wir zurück. Nachdem ein großer Teil des Geländes, auf welchem am nächsten Tage so schwer gerungen wurde, abgesucht war, ging es in Gärten bei dem rückwärts gelegenen Orte Hermesweiler ins Biwak. 2 Stunden Regen.
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