Alistair kündigt schon am zweiten Tag an, seine Farmkollegen nach Jobs für uns fragen zu wollen. Leider haben diese um die Jahreszeit aber nichts zu tun. Da wir die Nachmittage ohnehin meist frei haben, wollen wir nach Clyde und Alexandra, zwei kleinen Städten östlich von Cromwell. Also machen wir uns auf den Weg, folgen weiter dem Ufer des Lake Dunstan bis nach Clyde. Rechts von uns, auf der anderen Seite des schmalen Sees, liegen die Hügel von Cairnmuir Station, unserer Wwoofing-Farm. Am Clyde Dam, dem Staudamm des Lake Dunstan, stoppen wir bei einem Aussichtspunkt. Schon über die letzten 15 Kilometer war mir bei Eddie ein neues Geräusch, ein Schlagen, aufgefallen. Vorsichtshalber schaue ich an diesem Aussichtspunkt unter den Wagen. Dort finde ich zwar nicht den Grund für das neue Geräusch, dafür tropft es aber aus dem Wagen wie ein nur halbherzig zugedrehter Wasserhahn. Plop. Plop. Plop. Verdammt! Was jetzt? Dass wir Probleme mit dem Kühlwasser haben, war uns ja schon bekannt. Am Anfang in Christchurch hatten wir sogar mal den Straßenservice des AA (neuseeländischer ADAC) wegen überhitzten Motors rufen müssen: Der Kühlwassertank war leer – ich hatte nur den Überlauf kontrolliert. Doch dass das Wasser nur so herausläuft, ist neu. Wir gehen also zu Fuß nach Clyde, damit sich der Wagen zum Nachfüllen des Kühlwassers abkühlen kann. Meine Stimmung ist mal wieder am Boden. Da lief in den letzten Tagen alles so reibungslos und jetzt das. Immerhin gibt es in Clyde im Mini-Supermarkt leckeres Eis samt Schokoüberguss, was Marias und meine Laune wieder etwas hebt. Und auch sonst ist Clyde ein nettes Örtchen am Fluss mit dem Ambiente einer amerikanischen Westernstadt. Denn es entstand einst wie viele andere Siedlungen Central Otagos im Goldrausch der Region. Außerdem liegt Clyde nahe dem See, hier beginnt der beliebte „Otago Central Rail Trail“, und das Städtchen profitiert davon, dass der stark befahrene State Highway 8 über eine Umgehungstrasse um das Dorf herumgelenkt wird. Alexandra müssen wir für heute streichen und wir fahren zurück nach Cromwell, um den Wagen zu einer Werkstatt zu bringen. Die Diagnose: Kaputte Wasserpumpe. Die Reparatur kostet uns um die 500 Dollar. Danach brauchen wir immerhin nicht mehr das Kühlwasser ständig nachzufüllen. Schmerzen tut diese stolze Summe trotzdem. Außerdem müssen wir uns überlegen, was wir als Nächstes machen. Denn die ursprünglich vereinbarten „drei bis vier Tage wwoofen“ sind vorbei. Jackie redet jetzt zwar von vielen weiteren Tagen, aber spätestens nach der teuren Reparatur könnten wir nun wirklich mal einen gut bezahlten Job gebrauchen.
Am Clyde Dam tropft das Wasser aus unserem Kühler
Unsere ganze Hoffnung liegt daher beim erneuten Versuch, Alexandra zu erreichen. Denn dort wollen wir uns bei „Seasonal Solutions“ bewerben, einer Jobagentur, die die Arbeit an Saisonkräfte vermittelt. Den Tipp dazu hatten wir in der Touristen-Info, der iSite, in Cromwell bekommen, und auch Alistairs Freunde von Farmen, Weinbergen und Plantagen beziehen darüber ihr Personal. Obwohl die Agentur vor zwei Tagen auf ihrer Facebook-Seite veröffentlicht hatte, dass momentan keine Jobs zur Verfügung stehen, sind wir optimistisch – die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. In Alexandra angekommen, schauen wir uns zunächst das kleine Museum in der iSite an. Hier wird auch die große Kaninchenplage weiter thematisiert: Da es für die eingeschleppten Tiere keine natürlichen Fressfeinde gibt, vermehren sie sich ins Unendliche. Daher jagt auch Alistair die Kaninchen, denn sie fressen nicht nur sein Gras, sondern durchlöchern auch alles. Es gibt Wettkämpfe und die Farmer bezahlen Jäger – quasi Kopfgeldjäger für Kaninchen. Ein Team von Männern hat einmal in drei Nächten mehr als 10.000 Kaninchen geschossen. Die Gruppen arbeiten dabei mit Motorrädern und Helikoptern.
Anschließend gehen wir direkt zur Agentur und stellen uns vor. Sobald wir unsere Daten vollständig abgegeben haben, spricht die Frau von zwei Jobs auf einem Weinberg – in Bannockburn! Und das für zwei Monate Vollzeit. Yes!! Was für eine Überraschung! Am nächsten Tag treffen wir uns mit dem Manager des Weinbergs Terra Sancta. Wir kriegen die Jobs und haben noch drei Wochen Zeit, bis es losgeht. Eventuell können wir auch schon eine Woche eher anfangen. Klasse! Bis zum Jobbeginn reicht auch noch das Geld von zu Hause und dann haben wir 40 Stunden die Woche garantiert. Zwei Monate sind uns zwar eigentlich zu lang, aber wir wollen jetzt nicht wählerisch sein. Der Weinberg liegt nur etwa zehn Minuten mit dem Auto entfernt von unserer Wwoofing-Farm – wir kennen die Gegend also schon. Wo nun der Grundstein für unsere weitere Zeit in Cromwell gelegt ist, müssen wir uns Gedanken über die Unterkunft machen. Eine Wohnung mieten kommt eigentlich nicht in Frage und ein Hostel ist zu teuer. Außerdem haben wir ja Eddie zum Schlafen und wollen uns daher nach Campingplätzen umschauen. Der, für den wir uns dann schließlich entscheiden, liegt nahe an unserer Farm und hat eine gute Entfernung zum Weinberg. Der Campingplatz-Besitzer bietet uns einen guten Preis an – eindeutig sind die Saisonarbeiter hier ein gutes Geschäft. Wir dürfen zusammen für 140 Dollar die Woche auf dem Campingplatz bleiben. Doch dazu sollte es nicht kommen.
Blake mit Hund Hiedi
Beim Abendessen bieten Alistair und Jackie uns an, ein Zimmer, unser Zimmer, bei ihnen im Haus zu mieten. Was für ein Glück! Wir geben vor, darüber nachzudenken. Doch eigentlich steht die Entscheidung längst fest. Unglaublich. Wir dürfen zwei Monate lang mit Alistair, Jackie und den Kindern Blake und Georgia auf der Farm leben, mit ihnen zusammen essen und kochen und die Nachmittage und Abende verbringen. Dieses nette und für uns auch noch vergleichsweise günstige Angebot läutet zwei der besten Monate meines Lebens ein. Sehr glücklich und euphorisch berichten wir unseren Eltern via Skype von den Neuigkeiten. Auch sie sind total überrascht und freuen sich für uns mit. Mit der Gewissheit, dass wir wiederkommen, brechen wir aus Cromwell auf, um die kommenden drei Wochen bis zum Jobbeginn noch zu reisen. Vorher ist zuerst mal ein Haarschnitt bei mir fällig: Da uns ein Friseurbesuch zu teuer ist, legt Maria Hand an – letztlich werden sie aber einfach mit dem Rasierer gestutzt. Der Abschied von der Familie ist herzlich aber kurz – wir sind ja bald schon wieder da. Bevor es richtig zurück auf die Straße geht, werfen wir die ersten Postkarten ein. Sie übermitteln die frohe Botschaft, einen Job gefunden zu haben. Ich werfe meine Karten natürlich in den falschen Kasten, den für die nationale Post …
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