Er strahlte uns kindlich an und forderte uns mit einer huldvollen Geste auf, in den weichen sensoriellen Sesseln der Messe Platz zu nehmen.
»Das gilt selbstverständlich auch für Sie, Commander«, fügte er nach einer Pause an, »sowie für die anderen Mitglieder ihrer formidablen Crew ...«
Reynolds und Lambert verneigten sich und suchten sich dann einen Platz. Ich tauschte einen Blick mit Svetlana, die mir anerkennend zublinzelte. Jennifer stand stocksteif da, wie ein Speer, den ein afrikanischer Häuptling im höchsten Zorn in die Erde gerammt hat, und fraß Dr. Rogers mit ihren stählernen Augen auf. Ich beeilte mich, ihren Arm zu ergreifen.
»Zwei meiner Triebwerksspulen sind durchgebrannt«, schäumte sie. »Mein Schiff wäre beinahe verglüht, und um ein Haar hätten wir es nicht geschafft!«
Ich verstärkte den ermahnenden Griff um ihren Unterarm. Was geschehen war, war geschehen. Es hatte keinen Sinn, sich im Hader gegenseitig zu zerfleischen. Wir mussten jetzt nach vorne schauen.
Rogers fasste sie mit spöttischem Lächeln ins Auge.
»Ich habe den Reaktorblock abgekoppelt und einige Millionen Tonnen Plasma abgelassen«, sagte er ruhig. »Das waren, wenn ich mich recht entsinne, Ihre Vorschläge.«
Ich nickte und versuchte, Jennifer von ihm wegzuziehen.
»Das hätten Sie fünf Minuten früher tun können«, brach sie aus. »Es hätte uns große Anstrengungen erspart!«
Wiszewsky hatte unterdessen seinen »Thron« erklettert, wie wir den schwersten und geräumigsten Sessel der Messe nannten, der ihm vorbehalten blieb. Die Komarowa schmiegte sich neben ihn und schlug die langen Beine übereinander. Während sie amüsiert vor sich hin schmunzelte, kraulte sie seinen Nacken. Der Commodore verfolgte das Wortgefecht zwischen seiner besten Pilotin und dem obersten Planetologen mit zerstreuter Aufmerksamkeit, etwa wie ein Großvater einer Auseinandersetzung seiner Enkel zusieht, von der er nicht weiß, ob es sich um einen Streit oder einen Sketch handelt.
»Beide Maßnahmen«, schlich Frankel sich jetzt von der Seite heran, »sind risikobehaftet und teilweise irreversibel. Es wird Stunden dauern, bis wir den Reaktorblock wieder angekoppelt haben, und das in den Raum gepumpte Plasma ist natürlich verloren ...«
»Wir wären alle verloren gewesen«, grollte Jennifer.
»Ich dachte«, sagte Rogers herablassend, »Sie würden es alleine schaffen.«
Er funkelte sie warnend an. Wir kannten uns alle viel zu lange, als dass wir einander ernsthaft hätten befehden können. Rogers war unser Ausbilder an der Akademie gewesen; seit zwanzig Jahren flogen wir miteinander auf der MARQUIS DE LAPLACE.
Unsere Vertrautheit barg die Gefahr, dass wir die dienstlichen Hierarchien, in denen wir standen, nur noch pro forma nahmen, aber vor allem Rogers war hier sehr empfindlich. Bei aller Jovialität achtete er peinlich darauf, dass die Abstufungen der Ränge eingehalten wurden.
»Ich bin bereit«, sagte er mit drohendem Unterton, »Ihre Ausfälle mit Ihren erhöhten Adrenalinwerten zu entschuldigen, Major Ash, muss Sie aber bitten, sich zu beruhigen.«
Am Eingang zur Messe entstand eine Unruhe. Ich erkannte Kurtz und einige andere Offiziere der fliegenden Crew, die uns über die Barriere hinweg zujubelten, aber offensichtlich hatten die Ordonanzen Anweisung, niemanden durchzulassen. Die Tür glitt wieder zu. Ich nutzte die Unterbrechung, Jennifer am Arm zu ziehen und ihr zuzuflüstern, sich zu mäßigen. Aber sie war jetzt wie ein bockiges Kind, das mit den Füßen stampft und auf seiner Sicht der Dinge beharren zu müssen glaubt.
Die Eingangstür öffnete sich wieder, und Laertes kam, nachdem er noch einige freundliche Worte mit den Ordonanzen gewechselt hatte, auf uns zugeschlurft. Er genoss Narrenfreiheit an Bord der MARQUIS DE LAPLACE, und selbst wenn ein Wachmann die ausdrückliche Anordnung gehabt hätte, niemanden durchzulassen, hätte Laertes passieren können. Er war eben nicht jemand, sondern der Bord-Philosoph, der sich durch die Decks und Gänge des Mutterschiffes bewegte wie ein weißbärtiger Geist.
Jennifer löste sich von mir und flog auf ihn zu, um ihn in die Arme zu schließen und seine bärtigen Wangen zu küssen. Sie liebte ihn, wie sonst nur eine Tochter ihren Vater liebt.
»Auftritt des Eremiten«, hörte ich Reynolds vor sich hinbrummen.
Rogers kam rasch zu mir.
»Das war gute Arbeit, Frank«, sagte er leise. Und mit einem Blick zu Jennifer, die jetzt wie ausgetauscht an Laertes' Arm hing, fügte er hinzu: »Sie ist beste, die wir haben, aber ...«
»Ich weiß«, fuhr ich ihm übers Wort. »Ich glaube, sie hat sich schon wieder gefangen.«
Laertes hatte die Situation mit einem Blick erfasst.
»Kinder, das war knapp«, sagte er mit der ihm eigenen philosophischen Heiterkeit. »Jetzt streitet euch nicht darum, wer den entscheidenden Eimer Wasser ausgegossen hat, sondern freut euch, dass das Feuer gelöscht ist.«
Er strahlte wie ein Buddha, um im nächsten Moment mit der Hostess zu schäkern, die auf einem Schwebetablett knallbunte Cocktails hereinbrachte.
»Wir erheben unsere Gläser auf Major Jennifer Ash«, sagte Wiszewsky, »und auf alle anderen, die daran mitgewirkt haben, unser Schiff zu retten!«
Wir prosteten einander zu und nippten an den süßen und leider alkoholfreien Drinks.
Ich hatte neben Reynolds Platz genommen, während sich Jennifer und Laertes auf der gegenüberliegenden Seite des Halbrunds zwei gravimetrische Sessel suchten. Die Anwesenheit des Philosophen wirkte auf uns alle versöhnend. Er repräsentierte eine überpersönliche Vernunft, die uns die Albernheit unserer kleinen Eifersüchteleien bewusst werden ließ.
Für einige Zeit kehrte Schweigen ein. Jeder drehte sein Glas in den Händen, starrte in die ölige, giftgrüne Flüssigkeit, die darin schwappte, und hing seinen Gedanken nach. Die MARQUIS DE LAPLACE, verstümmelt und entstellt, trieb lautlos auf ihrer Bahn.
»Sind wir das wirklich«, fragte Reynolds nach einer Weile. »Ich meine gerettet und in einem Zustand, den man als sicher betrachten könnte.«
Seine Worte verhallten. Die Ruhe änderte ihre Färbung; aus der besinnlichen Stille wurde ein eisiges Schweigen. Aber er hatte natürlich recht. Niemand wusste, was sich in diesem Augenblick vielleicht schon wieder in den unberechenbaren Weiten jenseits unserer Schutzhülle zusammenbraute.
Da weder Wiszewsky noch Rogers geneigt schienen, das Wort zu ergreifen, räusperte Frankel sich und hob zu einer umständlichen Entgegnung an.
»Ich wage zu behaupten, dass wir das sind«, sagte er. »Der Reaktorblock wird gegenwärtig an das Heck herangeführt und wieder angekoppelt, sodass unser Schiff in einigen Stunden seine Integrität wiedererlangt haben dürfte. Ein Enthymesis-Explorer wird auf unsere Anweisung hin stets außerhalb der Hangars bleiben und in geringem Abstand neben dem Mutterschiff positioniert.« Er hüstelte gekünstelt. »Falls kurzfristige Maßnahmen nötig werden sollten. Ähm. Gegenwärtig ist das die Endeavour. Wir werden Ihnen Ihren Schichtplan noch mitteilen.«
Ich schwenkte mein Glas in der hohlen Hand. Als nächstes, da war ich mir sicher, würde er die Einsetzung einer Kommission verkünden, die die Vorfälle zu untersuchen und ein Bericht abzufassen habe.
»Wir haben außerdem«, fuhr er fort, »mehrere Robotdrohnen mit Antimaterie-Granaten bestückt. Sollten sich weitere Objekte nähern, dürften wir in der Lage sein, uns ihrer zu erwehren.«
»Wie ist die Vorwarnzeit?«, fragte Reynolds. Es kam wie aus der Pistole geschossen und deklassierte Frankels Bericht zu einer einzigen Rechtfertigung. Das schien auch der stellvertretende Leiter der Planetarischen so zu empfinden, jedenfalls setzte er einen indignierten Gesichtszug auf.
»Die Drohnen sind in unter zwei Minuten abschussbereit. Sie sind selbststeuernd und können auch nach Abschuss noch umprogrammiert werden.«
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