Wer im Dorfe herumschwänzte, der schadete sich selbst. Und wer spazieren ging oder hinter dem warmen Ofen süßem Nichtstun frönte, der brachte es zu nichts.“
„Wenn der Bauer durchs Feld spaziert,
dann ist sein Weizen mit Unkraut geziert.“
„Faul in der Arbeit und fleißig im beten
ist Orgelspiel ohne Balgentreten.“
„Faule Bauern finden keinen guten Acker.“
„Sonnenscheu und Ofenwarm’
macht die reichsten Bauern arm.“
Wer aber mit der Sonne aufstand, dem ging sein Tagewerk frisch vonstatten:
„Ein früher Bauer kommt nicht um.“
„Steh’ auf um fünf,
iss mittag um neun,
des abends um fünf
und zu Bett um neun –
so wirst du ein Mann
von neunzig und neun.“
Sicherlich war der Tagesablauf auf dem Lande trotz der Schwere der Arbeit gesünder zu nennen als der in der Stadt. Der Bauer kannte seine Pappenheimer, die seinem guten Vorbild nicht nacheiferten und von denen er sagte:
„Geht die Sonne nach Westen, arbeiten die Faulen am besten.“ „Beim Sonnenschein schlafen und beim Mondenschein wachen, wird niemand zum reichen Manne machen.“
Der Sperling auf dem Dach
Ein Sperling pfeift auf einem Dach
sein Trillerlied ins Tal hinab.
Die Bäu’rin hört es und sie lacht:
„Ich weiß schon alles,
was im Dorf ging ab.“
Der Spatz hält an, erstaunt und fragt:
„Wer hat dir das denn schon gesagt?“
„Das war der Hahn
hoch oben auf dem KIrchenturm,
der blickt ins Dorf den ganzen Tag,
bei Sonnenschein, bei Wind und Sturm,
und kräht uns dann,
mir und der Magd,
die Neuigkeit in mein Gemach,
den Ratsch und Klatsch,
auf den ich immer wart’.
Ich hab zum Hahn
ein heißer Draht.“
Die Bäu’rin sagt:
„Ich hab den Spatz gern in der Hand,
noch lieber als dich Sperling auf dem Dach.“
Der Sperling schaut sie böse an:
„Ich pfeife alles deinem Mann.
Ich hab den Knecht mit dir geseh’n,
heut Nacht wohl in die Scheune geh’n.
Was habt ihr da gemacht
im Dunkel in der tiefen Nacht?“
Die Bauersfrau läuft rötend an,
und dreht dem Spatz den Stinkefinger zu:
„Lass mich in Ruh,
das geht dich gar nichts an!“
Viele Kinder kennen heute den braunen Brummer nur noch von Bildern oder als Schokoladekäfer in Konditoreien. Und der Liedermacher Reinhard Mey hatte doch recht, als er einst sang: „Es gibt keine Maikäfer mehr …“
Er war neben dem Marienkäfer, der im Volksglauben als Glücksbringer gilt, der volkstümlichste aller Käfer. Doch allzu fern sind die Tage unserer Kindheit, als dieser Käfer an lauen Maiabenden in Massen die Gärten und Felder durchschwärmte und wir die noch klammen und steifen Brummer am frühen Morgen von den Bäumen schüttelten. Damals galt er als Schädling. Ganze Schuhschachteln voll wurden von uns Jungen gesammelt, und – welch grausames Spiel – den Hühnern als Delikatesse zum Fraß vorgeworfen. Wenn man heute noch einen findet, gilt er bei Kindern als Kostbarkeit.
„Jeder weiß, was so ein Maikäfer für ein Vogel sei“, dichtete Wilhelm Busch, der den Maikäfer in deutschen Landen so populär machte.
„In den Bäumen hin und her
fliegt und kriecht und krabbelt er.
Auch in Onkels Fritzens Bette“,
in das die bösen Buben Max und Moritz die Käfer versteckten.
Im Volksglauben unserer Vorfahren spielte der Deutschen Lieblingskäfer eine große Rolle.
Obwohl die Tiere in so genannten Maikäferjahren alles „ratzekahl“ abfraßen, findet man in alten Quellen keinen Spruch, der vor den Maikäfern gewarnt hätte – im Gegenteil:
„Maikäferjahr – gutes Jahr“ findet man da in alten Bauernweisheiten. Oder es heißt: „Der Maikäfer Menge bedeutet der Schnitter Gedränge“; „Sind der Maikäfer und Raupen viel, steht eine reiche Ernte im Ziel“; „Sind die Maikäfer angesagt, wird ein Schoppen mehr gewagt“; „Viel Maikäfer lassen ein gutes Jahr hoffen“. Schließlich galt dieser Käfer auch als Wetterprophet für den anderen Tag: „Fliegen Maikäfer abends rege herum, so folgt ein schöner Tag.“
Die Volkskunde wusste von allerlei Verwendungsarten der Käfer zu berichten: In Schlesien wurden die Käfer in Butter gebraten und mit Brot verzehrt. Der Schmaus half angeblich gegen alle möglichen Krankheiten. Die Köpfe allein sollten Fieber heilen und Maikäferpulver sollte gut sein gegen Epilepsie. So steht es im „Handbüchlein der Sympathie“ aus dem Jahre 1858. Vor allem aber soll es Glück bringen, wenn man dem ersten Maikäfer des Jahres den Kopf abbeißt.
Und was haben die Maikäfer mit der Tollwut zu tun? In den Kirchenbüchern von Aschbach in Unterfranken aus dem Jahre 1660 finden sich „Randbemerkungen“ über die Tollwut, verfasst vom damaligen Pfarrer Melchior Beck. Als Heilmittel gegen Tollwut bezeichnete er in Honig erstickte Maikäfer.
Es machte einen Heidenspaß, wenn Mädchen und Jungen in den Kriegsjahren die Käfer auf ihrer Hand krabbeln ließen. Sie „pumpten sich voll Luft“, starteten und flogen davon. Dazu sangen wir das Kinderlied unserer Schulzeit: „Maikäfer, flieg! Dein Vater ist im Krieg, deine Mutter ist in Pommerland, Pommerland ist abgebrannt. Maikäfer, flieg!“
Als ausgesprochenen Glückskäfer unserer Kindheit betrachteten wir den Marienkäfer, den wir auch „Herrgottstierchen“ nannten. Fanden wir im Garten einen Marienkäfer mit sieben schwarzen Punkten, so brachte uns dieser Glück. Wir nahmen ihn am anderen Tag im Schulmäppchen mit in die Schule.
Maikäfer, flieg!
Dein Vater ist im Krieg,
deine Mutter ist in Pommerland,
Pommerland ist abgebrannt:
Maikäfer, flieg!
Doch dieses Lied ist lange her
und heute kennt uns niemand mehr.
Einst brachten wir den Mai herbei
mit Kinderjubel und Juchhei.
Am Abend, wenn es dämmerte,
dann summten, brummten wir im Garten,
worauf die Kinder immer warten.
Der Specht im Walde hämmerte
sein Paukenlied ins Dorf hinunter:
Ich war dann immer pudelmunter.
Mit meiner lieben Schwester Maja
ich dann zum Abendessen flog,
wir schmausten, leckten und wir schleckten,
bis uns der Gärtnermeister sah,
uns mit der Stinkefaust bedroht’
und uns die Blätter nicht mehr schmeckten.
Ich armer Meister Summsebrumm.,
voll Appetit und Kinderruhm.
Ich nahm Reißaus zum nahen Wald,
wo ich dann schlief gar bald.
Die Engerlinge in dem Gartenbeet,
bald kleine, nette Püppchen werden,
so wohl geborgen in der Erden,
ihr Äuglein nach der Maja drehen,
nach ihrem Vater Summsebrumm,
doch noch sind sie ganz steif und stumm.
Ein Mädchen nimmt mich in die Hand,
das mich bei meinen Puppen fand.
Es streichelt mich ganz zart und sanft.
Ich pumpe mich mit Luft ganz voll
und starte in die Lüfte hoch.
Das Mädchen findet mich ganz toll,
als ich auf ihrem Händchen kroch.
Ich fliege in den Himmel weit,
doch längst vergangen ist die Zeit.
„Er liebt mich, liebt mich nicht …“
Wer erinnert sich nicht gerne zurück an das neckische „Liebesspiel“ unserer Kindheit? Wir Jungen warteten immer sehnsüchtig auf das Aufblühen der Margeriten, der Orakelblumen unserer Vorfahren. Wir nannten sie auch „Liebesblume“ und „Mädchenauge“. In der großen Schulpause liefen wir Jungen immer schnell auf die nahe Wiese, wo Hunderte von Margeriten blühten. Die Mädchen liefen eiligst hinterher. Darunter war auch „ess Guddsje“, meine erste Jugendliebe. Sie stellte sich immer etwas abseits von uns, da keiner ihren Orakelspruch hören sollte, obwohl jeder wusste, wen sie im Visier hatte. Ach, war ich f roh, wenn beim Abrupfen der weißen Strahlenblütenblätter mein geheimer Wunsch erfüllt wurde! So rupfte ich dann ganz zart die Blütenblätter ab: „Sie liebt mich, liebt mich nicht.“ Manchmal wurde der Orakelspruch etwas abgewandelt: „Sie liebt mich, von Herzen, mit Schmerzen, ein wenig oder gar nicht.“ Dann schaute ich mit strahlendem Gesicht zum „Guddsje“ hin. Natürlich hatte auch sie beim Abzählen der Blütenblätter Glück. Rainer, mein bester Klassenkamerad, hatte beim Abrupfen der Blütenblätter oft Pech: Seine Angebetete liebte ihn nicht. Einmal vergoss er bittere Tränen. Meine Urgroßmutter verwendete noch die Wurzeln und Blätter der Margerite zum Würzen von Suppen. Aus den Blättern bereitete sie im Mai Salate.
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