1.
Ede und Karl, Bierflaschen in den Händen, dösen auf der Bank vor einem Busch. Bierdosen liegen verstreut. Vor dem Autosalon stehen einige Modelle. Er wird mit Girlanden und Fähnchen geschmückt. Großes Plakat: Heute Neueröffnung
Anita: (Stolpert als Straßenmädchen mit hohen Absätzen herein und späht nach Kundschaft aus) Hoppla! Eiei!
Brenn: ( späht aus den Büschen und gibt ihr das Zeichen eines Freiers) Sst! Bienchen, Bienchen. Ssssst! Feines Gestell.
Anita: Mach die Flocke, du Zwerg. Verpiss dich!
Brenn: Doofe Schnecke!
Japaner: Wonderful. (Mit Kameras behängt. Schrift auf dem Hemdrücken: I like German. Geht mit dem Camcorder gebannt die Fassade des Autosalons an) Wonderful! Is ja wonderful! Auf den Knien gerät er mit der Kamera Anitas Beine hoch. Wonderful! Wonderful! (sie fasst ihn und zerrt ihn in die Büsche)
Lässig: (In Nadelstreifen und Handschuhen, rügt Hacke und Boxer in blauen Overalls mit großen OPELLA -Aufnähern, die lustlos fegen) Das nennt ihr fegen? Hab ich’s nicht schon hundertmal gezeigt. Pikobello sag ich. Dass ihr mich ja nicht blamiert. Gleich kommen die Herrschaften. (Am Spalier der Angestellten vorbei eilt er Gästen und Reportern entgegen) Die Frau Regierungsrat! Der Herr Direktor! Der Herr Bürgermeister! Danke, Danke! (Nimmt geehrt die Geschenke entgegen und führt sie, von Bewunderungsrufen begleitet, an seine Modelle) OPELLA Schwart, OPELLA Rustikal. Das juckt in den Fingern, nicht wahr? Und hier mein Superschlager: OPELLA Nostalgia. Zweihundert PS, dreizehn Airbags und Sonderausstattung. (Er reißt den Wagenschlag auf, dahinter ein Porzellanklo montiert ist) Mit Goldrand, meine Herrschaften.
Frau Rat: Exellent! Wunderbar! Exquisit! – Das muss belohnt werden. Der Bundes – Autobambi mit Schärpe für Sie, mein lieber, bester Herr Ratskollege. (Sie überreicht eine mörderische Skulptur)
Lässig: (Küsst und reißt sie wie ein Sieger hoch) Wenn ich Sie zu einem bescheidenen Imbiss bitten dürfte. Meine Herrschaften. Ein Gläschen gefällig? (Er führt sie zum Buffet, an dem die Angestellten bedienen. Sektpfropfen knallen. Man trinkt und stößt an) Auf ihr Wohl, meine Herrschaften!
Bürgerm.: Ein Glück, dass es Sie gibt. Bravo, Herr Kollege!
Frau Rat: Wie heldisch investorisch! Sie sind wunderbar!
Reporter: (Ablichtend) Was fühlen sie heute an ihrem großen Tag, Herr Stadtrat Lässig?
Lässig: (in Pose) Autos.
Reporter: Und wie Sie das geschafft haben.
Lässig: Aber ja. Autos.
Reporter: Und wie denken Sie auf morgen?
Lässig: Autos, immer nur Autos.
Frau Rat: (Beifall im Abgehen) Was für ein Management, kolossal! Und Ihre Ideen, bester Herr!
Bürgerm.: Ihre Weitsicht. Männer wie Sie braucht unsere geliebte Karpfenpfeiferstadt.
Direktor: Nehmen Sie mich beim Wort. Meine Bank ist die Ihre.
Anita: (kriecht mit den Kameras des Japaners behängt aus dem Gebüsch und zieht den Rock tiefer) Bist du wirklich der Lässig? Dolfo, he, hast du dich aber rausgemacht!
Lässig: Nur der Fleiß. Nicht wie früher im MÖZEU. Und ehrlich, das währt am längsten.
Anita: Weiß ich, he. Ehrlich, bis auf die Knochen.
Lässig: Anita! Mädchen! Dass ich dich wieder treffe. Joi, joi! (Beide ins Autohaus)
Japaner: Wonderful! Wonderful! (Kriecht auf allen Vieren aus dem Gebüsch und wieder hinein) Wer haben meine Kameras, meine Kameras?
Brenn: Flämmchen, Flämmchen, Feurio! (Schleicht sich zündelnd heran) Und brennt die ganze Stadt / Ruinen hat sie satt / deshalb ich renn und brenn / Juchhe, Ruinenbrenner Brenn . (Sirenen und Trillerpfeifen)
Lässig: Haltet ihn! Haltet ihn! (Stürzt aus dem Salon. Brenn rennt ihn um und flüchtet)
1. Polizist: (Hält ihn mit dem Fuß nieder) Das isser. Ich riech’s. Das isser!
Lässig: Ihr Dussel! Mensch, ihr Pfeifen! Da vorne rennt er.
2. Polizist: Isser nicht. (steckt die Pistole weg und warnt) Fort ist er wieder mal, verpicht! Gerochen, ja, wie einer brändelt, bombardiert. So eine Büberei. / Da saust die Polizei. / Ja, wenn ich den erwisch, den Lumpenhund, / ich zerr ihn übern Tisch.
Lässig: Gerochen, jaja. (vor Hacke und Boxer, die emsig putzen und polieren) Meine OPELLAs! Autos, Autos, blitzeblanke Autos. Was fummelt ihr da herum. Keine Ausstrahlung. Kein Verkaufsflair. Und lahmarschig seid ihr auch. Nicht mal den Brändler fassen. Autos, blitzeblanke Autos und keiner kauft. Ran an die Kundschaft! Wirft ihnen Prospekte zu. OPELLAla, OPELLAla für Opa, Oma und Mama.
2.
Hacke und Boxer stürzen ohne Overall aus dem Autosalon. Ede und Karl dösen noch. Ede wälzt sich auf der Bank und der andere fällt herunter.
Karl: (Rüttelt ihn wach) Ssst. Ede, he! Hab ich’s nicht gleich gesagt? Er hat sie rausgeschmissen, ausgetrickst, so wie mich auch.
Ede: (Die beiden setzen sich mürrisch mit dem Rücken zueinander. Ede streckt sich) So ein Dunst und Beschiss. Wo man hinguckt, Dunst und Beschiss.
Karl: Durst meinst du wohl. Durst.
Ede: >Dunst hab ich gesagt. (Lässt sich eine Dose reichen und leert sie) Theater, alles Theater.
Karl: Was Theater?
Ede: Alles. kaputt. Alles hinüber.
Karl: Was denn hinüber?
Ede: Mach doch die Käsnäppeln auf. Die von der Verwaltung sparen sich noch tot, sie müssen. Und auf wessen Kosten?
Karl: Uns sparen sie tot, wen sonst.
Ede: Früher arbeiteten paar tausend beim VEB MÖZEU, Tischler, Anlagenfahrer, was du willst. Stadt der Möbel Weltstadt. Und was ist heute?
Karl: Musst du mir das sagen? Nicht mal mehr Geld hat unsere schöne Stadt auf der Höhe für ihr Karpfenpfeiferfest, geschweige denn für unsereins. Jeden Tag gucke ich zum Rathausturm hoch und sehe, wie die Göttin der Gerechtigkeit, unsere „Gette“ fröstelt.
Ede: Mit Waage und Schwert, haha. Dieses Eisen der Ungerechtigkeit. Mich fröstelt auch.
Karl: Das Loch im Sparstrumpf der Räte wird immer größer. Der Schwarm der Arbeitslosen wächst, uns eingerechnet. Wir modernen Sklaven.
Ede: (Winkt nach einer weiteren Dose, die Karl beflissen öffnet, aber antrinkt, leert und vor den Salon wirft) Durch diesen Autofritzen da drüben auch.
Karl: (Gegen Hacke und Boxer, die heran stolpern) Die zwei müssten es ja wissen.
Hacke: (Wütend) Der da, der Boxer.
Boxer: Ebenfalls wütend) Hacke, er selber, ha. Er ist schuld, dass ich rausgeflogen bin.
Hacke: Alles machte er mir zum Schur.
Karl: Jaja. Sich gegenseitig auf die Füße treten Möööönsch! (Zeigt einen Vogel) Rabotten wie verrückt und dann doch fliegen.
Ede: Mobbing.
Karl: Idioten.
Boxer: Genau das. Der da hat’s gemacht.
Hacke: Nein, der da. Immer auf mich rein. (Beide aufeinander los)
Ede: No, no, no. (Trennt sie) Und hast dich nicht gewehrt?
Hacke: Na, wie denn?
Ede: Das weißt du nicht?
Karl: (Ironisch, schulmeisterlich) Befreien Sie sich aus der Rolle des gedemütigten Opfers. Treten Sie ihren Widersachern selbstbewusst entgegen. Machen Sie ihm klar, dass Sie nicht länger gewillt sind, sich schikanieren zu lassen.
Ede: Ja, ja, ja, und …
Karl: Unterdrücken Sie alle Signale, die auf Angst hindeuten: stockendes Sprechen, hängende Schultern oder ausweichende Blicke.
Ede: Und …
Karl: Demonstrieren Sie Stärke durch aufrechte Körperhaltung, festen Schritt, offenen Blickkontakt, Ruhige Hände und …
Ede: Ja und, und, und …
Beide: Wenn Sie neue Arbeit finden, erwähnen sie niemals, dass Sie je gemobbt wurden, denn …
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