„Recht haben und Recht bekommen sind zwei Paar Schuhe“,sagt ein altes Sprichwort. Dementsprechend sind im BGB und in den oben genannten Nebengesetzen die Rechtsverhältnisse der Bürger zueinander geregelt ( Privatrecht:„Recht haben“), wohingegen die Zivilprozessordnung (ZPO)das gerichtliche Verfahren im Rechtsstreitund bei der Zwangsvollstreckungbehandelt ( Prozessrecht:„Recht bekommen“). Das bedeutet, dass das bürgerliche Recht bestimmt, welche Rechteund Pflichten die Bürger aufgrund rechtlicher Kontakte gegeneinander haben, wogegen das Prozessrecht Auskunft gibt, wie vorzugehenist, um das Recht zu verwirklichen und Ansprüche durchzusetzen. Diese zwingenden Verfahrensbestimmungen der ZPO sind Teil des öffentlichen Rechts.
§ 433 BGB: „Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen … Der Käufer ist verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu bezahlen …“ (Privatrecht).
§ 253 ZPO: „Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift). Die Klageschrift muss enthalten: …“ (Prozessrecht).
§ 704 ZPO: „Die Zwangsvollstreckung findet statt aus Endurteilen, die rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt sind.“ (Prozessrecht).
§ 803 ZPO: „Die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen erfolgt durch Pfändung.“ (Prozessrecht).
Wiederholungsfragen zum 1. Kapitel
1. Welche Verhaltensregeln bestimmen das Zusammenleben der Menschen?
2. Wodurch unterscheiden sich die Bestimmungen der Rechtsordnung von anderen Regeln des menschlichen Zusammenlebens?
3. In welchem Verhältnis stehen Recht und Moral zueinander?
4. In welche beiden Bereiche wird das Recht eingeteilt, und was sind die vorrangigen Kennzeichen dieser Bereiche?
5. Ist es eine Angelegenheit des öffentlichen Rechts oder des Privatrechts, wenn die staatliche Liegenschaftsverwaltung mit dem Bauunternehmer B wegen Renovierungsarbeiten bei einer Hochschule in rechtlichen Kontakt tritt?
6. Ist die Erteilung einer Baugenehmigung ein Vorgang des öffentlichen Rechts oder des Privatrechts?
7. In welchen Formen sind rechtliche Bestimmungen niedergeschrieben und wodurch unterscheiden sie sich?
8. Gibt es rechtliche Verhaltensregeln, die nicht schriftlich festgestellt sind?
9. Weshalb ist die „Rechtssprache“ für den Laien nicht leicht verständlich?
10. Was bedeuten die Rechtsbegriffe „Hausbesitzer“ und „Leihwagen“?
11. Wann ist das BGB in Kraft getreten?
12. In welche Bücher ist das BGB eingeteilt?
13. Was ist im Handelsgesetzbuch geregelt?
14. Welche Bedeutung haben Handelsbräuche im Geschäftsverkehr der Kaufleute?
15. Was bedeutet „Schweigen“ auf ein „kaufmännisches Bestätigungsschreiben“ unter Kaufleuten?
16. Welche vom BGB abweichenden Regeln kennt das Handelsrecht hinsichtlich Bürgschaft, Vertragsstrafe, Zinsen, Ansprüchen wegen Mängeln?
17. Welche verbraucherrechtlichen Themenbereiche sind seit 2002 zusätzlich geregelt und in das BGB eingefügt worden? Welche sind ausgegliedert?
18. Wie unterscheiden sich Privat- und Prozessrecht?
(Siehe auch „Privat- und Prozessrecht – Übungsaufgaben mit Lösungen“, Fall 1)
2.Personen und deren rechtliche Fähigkeiten
2.1 Personen im Recht
Personensind die ausschließlichen Bezugssubjekte für Rechtsverhältnisse des bürgerlichen Rechts. Man nennt sie auch Rechtssubjekte.Die Rechtsordnungist für Personengeschaffen.
Nur Personenkönnen Träger von Rechten und Pflichtensein, also „Eigentümer“ von Sachen, „Inhaber“ von Forderungen oder „Schuldner“ einer Geldzahlung sein oder als „Erbe“ eines Verstorbenen infrage kommen. Diese Fähigkeiten hat weder ein Tier noch ein Gegenstand (Rechtsobjekte).
Testament eines Junggesellen: „Je ein Drittel meines Vermögens sollen meine Freundin Jacqueline, unser Gesangsverein ‚Frohes Lied e.V.‘ und mein Hund Bello erben.“ Wirksam ist das Testament nur bezüglich Jacqueline (natürliche Person) und bezüglich des Gesangvereins (juristische Person). Keine Person ist der Hund Bello; insoweit ist die Erbeinsetzung unwirksam.
In der Rechtsordnung wird grundsätzlich zwischen natürlichenPersonen und juristischen Personenunterschieden.
2.1.1 Natürliche Personen
„Natürliche“ Person ist der Mensch,solange er lebt.
Das ungeborene menschliche Leben(sog. „nasciturus“) gilt nicht als Person, es erfährt aber bereits einen entsprechenden rechtlichen Schutz durch die Regelung eines eingeschränkten Abtreibungsverbotes (§ 218 StGB).
Ebenso besteht nach dem Tod eines Menschendie von ihm zu Lebzeiten erworbene Menschenwürde als nachwirkendes allgemeines Persönlichkeitsrecht fort und schützt sein Lebensbild gegen grobe ehrverletzende Entstellungen („postmortales Persönlichkeitsrecht“).
Das BGB richtet sich generell an jede natürliche Person,insbesondere wenn es auf deren Rechtsfähigkeit, Geschäftsfähigkeit oder Deliktsfähigkeit, auf deren Namensrecht oder das allgemeine Persönlichkeitsrecht ankommt (§§ 1 bis 14 BGB). In besonderen Fällen unterscheidet das BGB jedoch bei den Personen zwischen Verbrauchernund Unternehmern(§§ 13, 14 BGB). Darüber hinaus können sie aber auch noch Kaufleuteim Sinne des HGB sein (§§ 1 ff. HGB, vgl. Einzelheiten 2.1.3).
2.1.2Juristische Personen
2.1.2.1 Juristische Personen des Privatrechts und des öffentlichen Rechts
Juristische Personen sind „künstliche“ Rechtssubjekte in den Formen des Privatrechtsoder des öffentlichen Rechts.
Juristische Personen des Privatrechtssind Zusammenschlüsse von zumeist natürlichen Personen,denen die Rechtsordnung eigene Rechtspersönlichkeitzuerkennt und die durch die Handlungen ihrer Organeselbstständig am Rechtsverkehr teilnehmenkönnen. Das sind einerseits Idealvereine,die lediglich ideelleund keine wirtschaftlichen Zwecke verfolgen, andererseits aber auch Gesellschaftenmit dem Zweck gemeinsamer wirtschaftlicher Tätigkeit.Es können sich auch mehrere juristische Personenzu einer neuen juristischen Person zusammenschließen.
> Idealverein:Gesang-, Sport-, Kunst-, Kultur-, Altertumsverein. Sie führen zum Vereinsnamen den Zusatz e.V., also „eingetragener Verein“.
> Zusammenschluss zu wirtschaftlicher Tätigkeit:Wirtschaftlicher Verein, Stiftung, Aktiengesellschaft (AG), Gesellschaft beschränkter Haftung (GmbH) oder eingetragene Genossenschaft (eG).
> Zusammenschluss juristischer Personen:Bundesligavereine zum DFB.
Juristische Personen des öffentlichen Rechtstreten als Gebietskörperschaften,als Personalkörperschaften,als Anstaltendes öffentlichen Rechts und als Stiftungenin Erscheinung. Im Privatrechtsverkehr spielen sie eine untergeordnete Rolle.
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