Hannes Giessler Furlan - Verein freier Menschen?

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Ihrer Idee nach sollte die kommunistische Gesellschaft viel gerechter als die kapitalistische sein und überdies nach Marx ein »Verein freier Menschen«. Doch im Namen des Kommunismus verwirklicht hat sich im 20. Jahrhundert vor allem eine totalitäre Gesellschaft. Die Ursachen des Misslingens sucht Hannes Giessler Furlan dort, wo der Kommunismus ansetzte: in der Ökonomie. Mit Sympathie für die Beweggründe, aber ohne falschen Respekt zeigt der Autor, wie die kommunistische Idee eines vernünftig eingerichteten Produktionsprozesses in der Realität einen gewaltigen Staats- und Planungsapparat bedingte, wie sie scheiterte, und was von ihr übriggeblieben ist.

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Hannes Giessler Furlan

Verein freier Menschen?

Idee und Realität kommunistischer Ökonomie

2018 zu Klampen Verlag Röse 21 31832 Springe wwwzuklampende - фото 1

© 2018 zu Klampen Verlag · Röse 21 · 31832 Springe

www.zuklampen.de

Umschlaggestaltung: Groothuis. Gesellschaft der Ideen und Passionen mbH · Hamburg

Satz: Germano Wallmann · Gronau · www.geisterwort.de

ISBN 978-3-86674-708-1

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹ http://dnb.dnb.de› abrufbar.

Inhalt

Cover

Titel Hannes Giessler Furlan Verein freier Menschen? Idee und Realität kommunistischer Ökonomie

Impressum © 2018 zu Klampen Verlag · Röse 21 · 31832 Springe www.zuklampen.de Umschlaggestaltung: Groothuis. Gesellschaft der Ideen und Passionen mbH · Hamburg Satz: Germano Wallmann · Gronau · www.geisterwort.de ISBN 978-3-86674-708-1 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹ http://dnb.dnb.de › abrufbar.

Einleitung

I Die Idee des Kommunismus

Vor Marx

Platons Politeia : die Herrschaft der Vernunft

Morus’ und Campanellas Inselstaaten: erste sozialistische Wirtschaftsutopien

Winstanleys Gütergemeinschaft: Wirtschaftsordnung im Sinne Gottes

Frühsozialismus: Kooperation statt Konkurrenz, Gemeinnutz statt Eigennutz

Kommunismus: Herrschaft der Vernunft?

Marx

Proportionale Produktion

Erste und höhere Phase der kommunistischen Gesellschaft

Exkurs I: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!

Aufzug in die höhere Phase: Industrialisierung

Arbeitsscheine in der ersten Phase: Notwendigkeit, Funktion, Konsequenz

Direktion des kommunistischen Wirtschaftsprozesses

Der Staat in der Kritik und sein Los in der kommunistischen Gesellschaft

II Die Realität des Kommunismus

Aufbruch

Die Ausgangssituation des Kommunismus 1917

Fehlende Industrialisierung

Rückblick auf die ursprüngliche Akkumulation des Kapitals

Die Landwirtschaft im alten Russland

Die Landwirtschaft in der kommunistischen Diskussion vor 1917

Kriegskommunismus unter Lenin

Neue Ökonomische Politik unter Lenin

Die Industrialisierungsdebatte

Ursprüngliche sozialistische Akkumulation unter Stalin

Pragmatismus

Entwicklung und Überforderung der Planwirtschaft

Grenzen des Staatssozialismus, Ansätze des Reformsozialismus

Sozialistische Waren, sozialistischer Markt

Kommunistische Arbeitszeitrechnung, sozialistisches Geld

Sozialistische Lohnarbeit, sozialistische Produktivität

Radikalismus

Guevaras Traum vom Neuen Menschen

Maos Volkskommunen

III Fragmente des Kommunismus

Herrschaftsfreiheit

Die Aktualität des Anarchismus

Kropotkins Anarchokommunismus

Rätekommunismus und Syndikalismus

Gesetzeskommunismus

Exkurs II: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!

Computersozialismus

Die Idee des Computersozialismus

Jacque Frescos Cybersozialismus

Gluschkows OGAS in der Sowjetunion

Wille und Zwang zur Ordnung

Beers Cybersyn in Allendes Chile

Commonismus

Kommunen und Peer-Ökonomie

Negris und Hardts Multitude-Commonismus

Schlusswort

Literatur

Über den Autor

Einleitung

Marx bezeichnet die kommunistische Gesellschaft auch als Verein freier Menschen. Das heißt: Einerseits werden sich die Menschen vereinen , andererseits werden sie in dieser Vereinigung frei sein. Dieses Vorhaben ist nicht einfach; seine Schwierigkeiten lassen sich illustrieren am Symphonieorchester, einem Beispiel für Kooperation, das auch Marx herangezogen hat. 1Die Musiker gewinnen durch die Vereinigung die gemeinsame Fähigkeit, eine Symphonie erklingen zu lassen, die kein einzelner Musiker erklingen lassen könnte, und profitieren auch individuell, indem sie innerhalb der Vereinigung einander zuhören, erhört werden, neue Fähigkeiten erlernen und an etwas Großem teilhaben, das sie alleine nie zuwege bringen könnten. Zugleich aber muss sich jeder Einzelne der Vereinigung fügen, indem er ihren Ansprüchen gerecht zu werden versucht, sich selber zurücknimmt und für sich sowie mit allen anderen Musikern gemeinsam übt. Der Dirigent steht dabei vor der schwierigen Aufgabe, die Einzelnen mit dem Orchester als Ganzem zu vermitteln. Er muss einerseits seinem Orchester zuhören, dessen Impulse aufnehmen und die Musiker als Künstler würdigen, statt sie sich mit seinem Taktstock zu unterwerfen. Da aber der Zusammen- und Wohlklang nicht die automatische Folge der Zusammenkunft der verschiedensten Musiker ist, muss der Dirigent die Musiker andererseits zur Verbesserung ihrer Fähigkeiten bewegen, zur Selbstzurücknahme anhalten und durch seinen Taktstock führen. Offenbar hat der Dirigent im Orchester ein ähnliches Werk zu vollbringen wie laut Platon der Philosophenkönig im Gemeinwesen, der darin »Wohlsein« hervorbringen soll, indem er »die Bürger ineinanderfügt und sie teils überredet, teils nötigt, einander mitzuteilen von dem Nutzen, den jeder dem allgemeinen Wesen leisten kann« (Platon, Politeia 519e–520a). Platon zufolge ist es durchaus ein Gebot der Vernunft, die Fähigkeiten und Bedürfnisse der Einzelnen zu erkennen und zu berücksichtigen. Dieses Gebot harmoniere aber nicht immer mit dem gleichsam vernünftigen Gebot des Allgemeinwohls (Letzteres steht in Platons Politeia im Zweifel höher). Einzelinteressen können dem Allgemeinwohl widersprechen und umgekehrt. Und die Freiheit des Einzelnen kann durch die Ansprüche des Gemeinwesens gefährdet sein. Dem Namen nach verkündet sich der »Verein freier Menschen« als Ausweg aus diesem Dilemma.

Dabei setzt der Kommunismus im Sinne von Marx vor allem auf eine andere ökonomische Ordnung. Die kommunistische Revolution soll die Kapitalisten enteignen und die Produktionsmittel vergesellschaften bzw. sozialisieren. Auf Grundlage des gesellschaftlichen Eigentums wird es keine Klassen mehr geben. Produktion und Distribution werden sich nicht mehr blind über Geld und Markt vermitteln, sondern vernünftig und gerecht gestaltet. Der Fortschritt der Industrie wird das Elend der Produzenten nicht mehr verschärfen, sondern die Arbeit erleichtern und den Reichtum aller mehren. Alle Individuen könnten sich freier entfalten, gemäß ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen. Was Marx in Aussicht stellte, wurde im Realsozialismus allerdings nicht erreicht. Die meisten sozialistischen Bürger sehnten sich nach mehr Freiheit. Dass der Kommunismus in der Praxis scheiterte und alles andere als Freiheit brachte, resultierte auch, so die These in diesem Buch, aus seiner ökonomischen Idee.

Neu sind die Zweifel an der kommunistischen Ökonomie nicht, auch nicht seitens jener, die der Idee des Kommunismus zugeneigt sind. 1896 äußerte der Anarchokommunist Peter Kropotkin die Befürchtung, eine Industriegesellschaft bedürfe, um vernünftig und ganzheitlich, also kommunistisch organisiert zu sein, der Oberaufsicht des Staates. Hans Kelsen fragte 1920 skeptisch, ob eine Planwirtschaft des Zwanges entbehren könne. Albert Einstein wies 1949 in seinem Plädoyer für den Sozialismus deutlich auf die Gefahren der Planwirtschaft hin: die autoritäre Bürokratie und die Unterjochung des Individuums. Max Horkheimer, der 1933 noch davon ausgegangen war, im Sozialismus ließen sich die Ideen der französischen Revolution allesamt verwirklichen, betonte 1970 den Widerspruch von Freiheit und Gerechtigkeit und nahm traurig Abstand von der sozialistischen Utopie. 2Und Theodor W. Adorno sprach das »zentralste Problem der materialistischen Dialektik« in seiner Vorlesung über

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