Verena Dittrich
Auf jeden Fall nichts mit Menschen
Geschichten aus dem Leben
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel Verena Dittrich Auf jeden Fall nichts mit Menschen Geschichten aus dem Leben Dieses ebook wurde erstellt bei
Vorwort Vorwort Dies sind Geschichten, die das Leben schrieb - literarisch und erfrischend verpackt von Verena Maria Dittrich, ein Zonenkind der etwas anderen Art. Aufgewachsen in der katholischen Lausitz, einer speziellen Nische des DDR-Alltags im tiefen Osten, inzwischen überzeugte Berlinerin und Sympathisantin des längst nicht mehr neuen, wilden Westens, macht sie sich in kurzweiligen Anekdoten und Reflexionen ihren eigenen wissbegierigen Reim auf das, was war und ist. Und natürlich spielen dabei die Menschen - einschließlich ihr selbst - zum Trotze der Titelaussage die Hauptrolle. Frau Dittrich mag es nämlich gelegentlich ein wenig provokant und nimmt es dabei mir der politischen Korrektheit nicht immer so genau. Mühelos gelingt es ihr beispielsweise, den Bogen vom Diktat der Mode zur SED-Diktatur zu schlagen und immer wieder mit höchst originellen Assoziationen zu überraschen, die diesen literarisch vergnüglichen ost-westlichen Kessel Buntes kennzeichnen. Und sie tut das in jenem Ton, der mittlerweile typisch für sie ist: pointiert, voller (Selbst-)-Ironie und Witz, leicht, ohne je seicht zu werden, unsentimental und doch zugleich mit einer Wärme, die hinter so mancher Schnodderigkeit kaum verborgen bleibt. Mathias Zschaler, Journalist und Autor (Spiegel Online)
Auf jeden Fall nichts mit Menschen
Plattenmädchen und Zonenkind
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Impressum neobooks
Dies sind Geschichten, die das Leben schrieb - literarisch und erfrischend verpackt von Verena Maria Dittrich, ein Zonenkind der etwas anderen Art. Aufgewachsen in der katholischen Lausitz, einer speziellen Nische des DDR-Alltags im tiefen Osten, inzwischen überzeugte Berlinerin und Sympathisantin des längst nicht mehr neuen, wilden Westens, macht sie sich in kurzweiligen Anekdoten und Reflexionen ihren eigenen wissbegierigen Reim auf das, was war und ist. Und natürlich spielen dabei die Menschen - einschließlich ihr selbst - zum Trotze der Titelaussage die Hauptrolle. Frau Dittrich mag es nämlich gelegentlich ein wenig provokant und nimmt es dabei mir der politischen Korrektheit nicht immer so genau. Mühelos gelingt es ihr beispielsweise, den Bogen vom Diktat der Mode zur SED-Diktatur zu schlagen und immer wieder mit höchst originellen Assoziationen zu überraschen, die diesen literarisch vergnüglichen ost-westlichen Kessel Buntes kennzeichnen. Und sie tut das in jenem Ton, der mittlerweile typisch für sie ist: pointiert, voller (Selbst-)-Ironie und Witz, leicht, ohne je seicht zu werden, unsentimental und doch zugleich mit einer Wärme, die hinter so mancher Schnodderigkeit kaum verborgen bleibt.
Mathias Zschaler,Journalist und Autor (Spiegel Online)
Auf jeden Fall nichts mit Menschen
Früher, in der DDR, hatten die Kinder oft so ein Poesiealbum, das sie in der Schule rumgehen ließen und in das jeder einen schlauen oder prosaischen Spruch geschrieben hat, irgendwas von Goethe oder Kästner oder dass man seine Eltern achten soll und so. Und später, in der Pubertät, wurden die Poesiealben durch elegante Freundschaftsbücher ersetzt, in die es natürlich nicht mehr der verhasste Mathe-Lehrer mit einem mahnenden Spruch geschafft hat, sondern vor allem die Jungs, für die man heimlich schwärmte. Und wenn diese Jungs dann auch noch die Musik hörten, die man selber cool fand, war eigentlich schon alles geritzt: der Weg fürs Verknalltsein war frei.
Ich erinnere mich, dass es in diesen Büchlein auch ein Kästchen zum Ausfüllen des Berufswunsches gab, ich hab da immer irgendwas hingeschrieben, was nicht stimmte, weil ich gar nicht wusste, was ich werden wollte und auch irgendwie nicht so richtig einsah, warum ich überhaupt irgendwas werden sollte. Also habe ich geschaut, was die anderen so schrieben. Die Mädchen wollten meistens Verkäuferin, Kindergärtnerin oder Friseuse werden. Das mit dem Mindestlohn war damals noch nicht so präsent. Die Jungs wollten Astronaut (bzw. Kosmonaut), Busfahrer oder Elektriker werden und wenn einer mal keinen Berufswunsch angab, schrieb er: "auf jeden Fall was mit Menschen".
Ich frage mich, was ich heute bei der Frage nach meinem Berufswunsch in so ein Freundschaftsbuch schreiben würde, heute, wo ich ja schon "was geworden" bin. Ich bin eine mittelprächtige Kunsthistorikerin und Literatur-Tante, popelige Germanistin und manche sagen sogar, ich wäre eine richtige Schriftstellerin. Ich gebe zu, diese Bezeichnung erfüllt mich noch immer mit Scham. Was die anderen Kinder wohl über mich gedacht hätten, wenn in meinem Kästchen: Schriftstellerin gestanden hätte? Oder Kunsthistorikerin und Germanistin. Diese Berufssparten waren in der DDR so rar wie – entschuldigen Sie den ausgelutschten Vergleich – Bananen.
Auch heute hätte ich Schwierigkeiten, nur einen Berufswunsch in das Berufswunschkästchen zu schreiben. Um es nicht unnötig zu spezifizieren, würde ich womöglich einfach nur schreiben: "auf jeden Fall nichts mit Menschen". Dieses Unspezifische könnte ich wiederum sehr genau spezifizieren: Weil sie anstrengend sind und gehässig, weil ich viele von ihnen nicht leiden kann, weil sie verlogen sind und peinlich, weil sie Eigenschaften haben, die ich nicht ertragen kann, weil sie verloren sind und mir schlicht und einfach auf den Keks gehen. Weil ich selber einer bin.
Will man, dass so jemand einem ins Freundschaftsbüchlein schreibt? Vielleicht aber ist das ein neuer Berufszweig, der sich mir da gerade offenbart: Ich entwerfe Freundschaftsbüchlein für überspannte Misanthropen. Vorbestellungen? Gern. Aber bitte nicht während der Rushhour. Da habe ich zu tun mit Menschen zusammen brüllen.
Plattenmädchen und Zonenkind
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