Übrigens: Geht es Ihnen auch so, dass wenn Sie sich ein besonders schönes Outfit ausgedacht haben, Sie sich auch so doll auf den nächsten Morgen freuen? Kurioserweise hat sich der Blick auf dieses Outfit über Nacht aber irgendwie geändert. Weiß der Geier wie das passieren konnte! Das, was ich am Vorabend noch phänomenal fand, sieht plötzlich am Morgen lächerlich aus. Als hätte ich einen im Tee gehabt, als ich das ganze Gedöns anprobiert habe.
Ich ärgere mich über mich selbst, schimpfe wie ein Rohrspatz, dass ich wieder viel zu viel Geld für die falschen Klamotten ausgegeben habe und dass ich wirklich überhaupt keine Ahnung von Mode zu haben scheine. Dann ärgere ich mich, weil ich mich so sehr über diese eigentlich banalen Dinge ärgere. Die Welt geht vor die Hunde und ich mach mir Gedanken über das Dienstags-Outfit. Mit mir stimmt was nicht! Ja, ich könnte mir am laufenden Band ständig selbst einen Vogel zeigen. Doch dann sage ich mir tapfer: "Das Aussehen ist doch nicht alles!", ziehe die olle Leggins und das verwaschene, viel zu kurze Kleid an, das am Hintern inzwischen ganz widerlich unvorteilhaft aufträgt und dann ist der Tag gelaufen.
An genau solchen Tagen ist man beileibe wahnsinnig anfällig für Neidattacken. Wenn ich dann eine Frau sehe, die wie die wunderschöne Französin Marion Cotillard persönlich daher kommt, dann fühle ich mich wie ein Wiener Würstchen, das versehentlich unterm Sofa gelandet ist und dort seit Wochen vor sich hin schrumpelt. Nicht mal der Hund findet mich noch appetitlich. Der blöde Köter. Ich halte hier gerade meine eigene Therapiesitzung ab, merken'se auch, ne?
Ist es nicht komisch, dass wir Frauen gelegentlich einfach nur neue Klamotten brauchen, um uns wieder besser zu fühlen? Doch natürlich genügt es uns eher selten, nur ein Kleid zu besitzen oder zwei oder zehn, wir denken ständig, dass wir im Grunde genommen eigentlich ganz dringend wieder was Neues zum Anziehen gebrauchen könnten. Ist in meiner Firma ein Fest, denke ich: ich brauche dafür ein neues Kleid, am Wochenende geht’s mit den Freundinnen zur "langen Nacht der Museen", ich hätte dafür gern neue Stiefel und immer so weiter, ja, leider, immer so weiter! Dabei kann ich diese prominenten Damen, die für Kamerateams ihre Kleiderschränke öffnen und den Damen zuhause vor der Mattscheibe einen Blick in ihr heiliges Klamotten-Reich gewähren, meistens überhaupt nicht leiden. Ich hab mir schon einen richtig arroganten Blick angewöhnt, wenn ich bei Frauke Ludowig sehe, dass irgend so eine reiche Schnepfe in Bell Air oder vom Starnberger See ihren begehbaren Schrank zeigt. Und sie dabei einerseits ein sehr stolzes, andererseits aber auch ein sehr verzweifeltes Gesicht macht, so in dem Sinne: "ja, also, eigentlich ist der Schrank - wie Sie sehen können - rammelvoll, aber ich habe nicht die leiseste Ahnung, was ich morgen zum Business-Dinner anziehen soll. Und am Abend ist das Pferderennen, da hab ich auch noch nix für!" Mir kommt da jedes Mal die Galle hoch, ich ereifere mich richtig und laufe rot an. Mein Mann fragt mich dann: "Wieso schaltest du denn nicht um, wenn du dich darüber so aufregst?" Womit er natürlich vollkommen Recht hat. Aber weil ich eben auch neidisch bin – ja, gebe es zu – und mich in diesem Dilemma wiedererkenne, hocke ich wie gebannt vor der Glotze und rege mich fürchterlich auf. Da ist jedes Mal Zeter und Mordio angesagt. "Haben die keine anderen Probleme?", meckere ich so sehr, dass ich schon kurz vor einem Herzkasper stehe, aber umschalten? NEIN! Niemals. Ich muss das sehen. "Wozu braucht die olle Pute dreihundert Paar Sandalen, wenn die Schuhe sich alle ähneln und man sie mit bloßem Auge gar nicht voneinander unterscheiden kann?", rege ich mich künstlich auf. Oft sieht man in den überfüllten Schuhschränken dieser Ladys auch Exemplare, die weder für den Alltag noch für eine Party geeignet sind. Schuhe, die so hohe Absätze haben, dass man darin keine hundert Meter zum Bus rennen könnte. Ich denke, dass es diesen Damen nicht um modische Vielfalt geht, sondern nur ums Horten und Raffen. Tja ja, das müssen die sich wohl bei mir abgeschaut haben oder anders herum. Welche traurig-schaurige Erkenntnis es doch ist, die reiche Damenwelt für das Anhäufen von Klamotten doof zu finden und selbst kein Deut besser zu sein.
Ich habe inzwischen übrigens drei verschiedene Schränke. Sie sind nicht riesengroß aber sie sind, jeder einzelne, bis an den Rand gefüllt. Ich habe sogar ein Regal, in dem die ausrangierten Sachen darauf warten, in der Altkleiderspende zu landen. Aber immer wenn ich mir vornehme: So, diese Hose oder jenes Oberteil könntest du nun entsorgen, das hattest du seit Jahren nicht mehr an, kriege ich ein nervöses Zucken in den Fingern. Sie werden augenblicklich ganz steif und verkrampfen sich. Messie-Syndrom lässt grüßen! Na tolle Wurst! Oh Gott, werden sich jetzt gewiss vor allem meine Leserinnen fragen: hat die denn wirklich, wirklich, wirklich keinen anderen Probleme? Doch! Hab ich! Das ist ja das Schlimme!
Sie können sich nicht vorstellen, was für eine enorme Macht der Kleiderstapel in meinem Schrank auf mich ausübt! Der hat mich so was von im Griff! Ich fühle mich von dem bösen Stapel regelrecht unterdrückt und eingeengt. Von Demokratie kann in meinen Kleiderschränken keine Rede mehr sein, dort herrscht Diktatur!
Neulich habe ich mir in so einem italienischen Schuhladen sündhaft teure Schuhe geleistet. Im Nachhinein ist es schwer nachvollziehbar, was während des Kaufs dieser blöden Treter in meinem Gehirn abging: Ich betrachtete die Schuhe hundertmal. Als seien sie ein Geschenk, das mir mein Vater gemacht hat. Mit beiden Händen und geschlossenen Lidern bin ich mit den Fingern über die Schuhe gefahren, um das weiche Material zu fühlen und stellte fest: Schwarz wirkt immer eben, Lila angeraut, Rot zu lackiert, Weiß fühlt man nie. Vor dem Spiegel drehte ich den Kopf x-Mal zur Seite und legte die Hand auf die Brust, um das zu schnelle Pochen darunter etwas zu zügeln. Ich atmete tief ein und weit aus und zog die Augenbrauen halb kritisch nach oben, damit ich wenigstens mal kurz so aussehe, als würde ich mir Gedanken um den Preis machen. Und dann, jetzt kommt der Knaller: Habe ich die Botten gekauft und nicht ein einziges Mal getragen! Später habe ich sie bei Ebay verhökert. Für einen Spottpreis.
Mich ärgert mit dem Alter aber auch immer mehr, wie das heutige Bild der Frauen in der Gesellschaft aussieht, wie es geformt und zurecht gewurschtelt wird, wie Medien versuchen, jungen Mädchen zu suggerieren, dass sie erfolgreich sein werden, wenn sie schön und dünn sind. Blub, blub, blub. Neulich hielt ich in der Kaufhalle eine dieser Mode-Zeitschriften in den Händen. Dort gab es auf jeder Seite mindestens fünf Frauen, die allesamt Stil-Ikonen waren. Ich hab mich bei dem Anblick der Frauen gefragt, ob ich ja vielleicht auch eine Stil-Ikone bin ohne es zu wissen. Möglich wäre es doch. Nur, dass man mich mit i e schreibt: Stiel-Ikone für Arme.
Sie kennen bestimmt auch diese Model-Sendung mit unserem deutschen Exportschlager Heidi Klum, oder? Ich mag diese Sendung ja eigentlich überhaupt nicht, muss aber gestehen, dass wir sie in netter Frauen-Runde oft geschaut haben. Das war oft sehr amüsant. Vor allem die jeweiligen Abschlussfinale! Neben uns schauten sich hundert Millionen Deutsche vor den heimischen Flachbildschirmen die Augen wässrig und lauschten inbrünstig dem leicht nasalen Singsang samt Versprecher, Huhu's und Tschüssi's von Heidi Klum, Moderatorin der "sensationellen" Show. Das war ein "absoluter Wahnsinn", als die Heidi mit ihren 35 Zentimeter hohen Absatzschuhen auf die Bühne stakste, ganz oft "keine Spucke mehr im Mund" hatte, weil sie "wirklich sehr sehr aufgeregt" war, in einer Riesenhalle eine Riesenshow vor einem Riesenpublikum zu moderieren. Live! Alle (Publikum inklusive!) sahen "supertoll" und "Hammer" aus und freuten sich. Wir natürlich auch. "Sensationell, Wahnsinn, einfach großartig", diese Topmodels! Was die alles geleistet und auf die Beine gestellt haben! Ja, das muss ich schon zugeben, verdient Respekt. Ist bestimmt ja auch nicht so einfach, für ein Foto-Shooting in Amerika so lange von zuhause weg zu sein, in blöden Millionen-Villen zu wohnen, die in den meisten Fällen - wie furchtbar! - über einen hauseigenen Pool verfügen. Nicht zu vergessen, dass die armen Models dieser Show nach Hawaii, New York und sogar ins Meer mussten. Zum Arbeiten! Wie doof ist das denn?
Читать дальше