‚Hochgeehrte gnädige Frau! Die Jugend Geithains huldigt Ihnen. All die brennenden Lichter sind Flammen der Dankbarkeit und Verehrung für das Haus Guenther. Herr Guenther hat uns in seiner Heimatliebe und Herzensgüte das herrliche Schulhaus geschenkt, das wir täglich mit immer neuer Freude betreten. Möge es dem Hause Guenther wohl ergehen! Es lebe hoch!‘
Die Lampions bildeten auf dem Marktplatz ein reizvolles Bild. Am Schluss brachten die Kinder ein dreifaches Hoch auf das Haus Guenther aus, worauf sich der Zug auflöste. Unsere Schuljugend aber wird noch lange von dem ereignisvollen Tag erzählen. Abends halb 10 Uhr fuhr Frau Osgood nach Chemnitz zurück, nachdem sie sich wiederholt über ihren Aufenthalt in Geithain sehr befriedigt ausgesprochen hatte. Sie ist gewillt, im nächsten Jahre mit ihrem Vater Geithain zu besuchen. Die Dame wird sich in einigen Tagen nach Berlin begeben und Anfang November zu ihrem Gatten nach Amerika zurückreisen.“
Der im Bericht angekündigte Besuch Paul Guenthers in Geithain erfolgte tatsächlich ein Jahr später, am 19. September 1929, abermals ein Donnerstag. (6) Nach einem Kuraufenthalt in Deutschland kam er nach Chemnitz und Geithain. Dem Besuch in der Schule schloss sich eine Kutschfahrt durch die Stadt in Begleitung des Bürgermeisters Dr. Rudolf Focke und des Schulleiters Petermann an. „Mit besonderer Rührung las der Auswanderer in den alten Kirchenregistern von seiner Geburt und Konfirmation. Ein eindrucksvolles Ende fand der unvergessliche Tag mit einem gewaltigen Fackelzug von 600 Schulkindern .“ (15) Eine Reihe älterer Geithainer (Werner Pechstein, Elsbeth Ladegast, Frau Rademann, Manfred Wermann u. a.) erinnerten sich in Gesprächen um 1995 an die Rede des Schulstifters vom Balkon des Hotels „Stadt Altenburg“. Dass sowohl die Tochter Margarethe 1928 als auch Paul Guenther ein Jahr später den Besuch in Geithain mit einem Besuch der Verwandten und Bekannten in der Chemnitzer Gegend verbanden, ist sehr verständlich. Hier war von 1878 bis 1890 sein Lebensmittelpunkt.
Bild 29: Gedenktafel am Geburtshaus Paul Guenthers in Geithain
1.10 Nachhaltige Beziehungen zu Thalheim
Ehemalige Thalheimer, die schon mindestens seit den 1870er Jahren in Dover lebten, gaben Impulse für Guenthers Entschluss auszuwandern (s. S. 24). Er selbst und insbesondere seine erfolgreiche Entwicklung nach 1890 waren nun ihrerseits eine Ursache für die beeindruckende Auswanderungsdynamik im Dorf Thalheim bei Chemnitz. In der Zeit von 1908 bis 1928 wanderten 289 Thalheimer in die USA aus! Fast alle siedelten sich in Dover/N.J. an und fanden sofort Arbeit in Guenthers Full Fashioned Silk Hosiery. In Zusammenarbeit mit Heimatforscher Rudi Hofmann liegen von allen 289 Personen die Vor- und Zunamen, der Geburtstag und das Jahr der Auswanderung vor. Nach Zeitabschnitten gegliedert ergibt sich folgende Aufstellung:
Zeitintervall |
Anzahl |
1908–1910 |
19 |
1911–1915 |
91 |
1916–1920 |
44 |
1921–1925 |
90 |
1926–1928 |
45 |
In der Altersverteilung und an den Namen selbst ist erkennbar, dass sich Familien mit vielen Kindern auf den Weg gemacht hatten. Auch während des Krieges wanderten Leute aus. Im schlimmen „Kohlrübenwinter“ 1916 verließen 38 Thalheimer Deutschland. Kurz nach Ende des Ersten Weltkrieges gab es nur Einzelne, aber ab 1921 stieg die Zahl rasant. Die wenigen älteren Thalheimer (65 Jahre und älter) zogen als Großeltern zu ihren Enkeln, welche Jahre vorher Fuß gefasst hatten. Die Besuche in Dover 1990 bzw. 1996 brachten zwar erste Hinweise auf den Herkunftsort Thalheim, das wirkliche Ausmaß wurde jedoch erst durch Herrn Hofmanns Nachforschungen Ende der 1990er Jahre deutlich. Bei Gesprächen in Dover wurde oft betont, dass Auswanderer aus Thalheim auf Veranlassung Guenthers bei ihrer Ankunft in New York sofort nach Dover weiterreisen konnten, ohne Zwangsaufenthalt auf Ellis Island. Die Insel war lange Zeit Sitz der Einreisebehörde für den Staat und die Stadt New York und mehr als 30 Jahre lang die zentrale Sammelstelle für Immigranten in die USA. Zwischen 1892 und 1954 durchliefen etwa 12 Millionen Einwanderer die Insel. ( www.wikipedia.de, 12.03.2016)
Die Familie Hahn wurde oben (s. S. 28) bereits erwähnt. Sehr interessant war 1996 die Begegnung mit dem Ehepaar Grießbach.
Bild 30: Das Ehepaar Grießbach, links Frau Ulla Wienhöfer-Shuler, Lehrerin an der Dover High School, Aufnahme 1996
Walter Grießbach wurde 1907 in Thalheim geboren. Sein Vater wanderte 1911 nach Amerika aus, doch gefiel es ihm dort nicht, weshalb er bereits 1914 nach Deutschland zurückkehrte. Bei Kriegsbeginn wurde er eingezogen und war für die Dauer des Krieges an der Westfront eingesetzt. 1920 ging er zum zweiten Mal nach Amerika. Drei Jahre später ließ er seine Frau mit Sohn Walter (16 Jahre alt) und Tochter Frieda nachkommen. Alle fanden Arbeit in Guenthers Fabrik. Walter begann dort als Lehrling und blieb als Arbeiter viele Jahre. Der Verdienst betrug nach seiner Erinnerung 75 US-Dollar pro Woche (vgl. Seite 36, Verdienst Anfang des Jahrhunderts, G.S.). Walter Grießbach besuchte sein Heimatdorf 1929 „mit viel Geld in der Tasche“ , wie er sich ausdrückte. Bei diesem Besuch lernte er seine zukünftige Frau kennen. 1935 kam diese endlich nach Amerika und sie heirateten. Die Grießbachs konnten 1996 auf eine über 60-jährige glückliche, leider kinderlose Ehe zurückblicken.
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