Das primitive Neuralrohr bildet sich durch die Faltung der neuralen Rinne zu einem Epithelrohr.
Die Rinne beginnt sich an der Mitte des Körpers sehr bald zu bedecken und schließt sich dann fortschreitend in beide Richtungen. Das kaudale Ende verschließt sich kurz nach dem rostralen Ende; und in dieser Zeit ist dann die Bildung des Neuralrohrs vollendet. Die drei primären Gehirnbläschen (Prosencephalon, Mesencephalon und Rhombencephalon) werden durch die Schließung und Vergrößerung des rostralen Endes gebildet. Das Neuralrohr unterhalb dieser Bereiche besitzt einen kleineren Durchmesser und wird zum Rückenmark.
In diesem frühen Stadium kann das gesamte Neuralrohr durch konzentrische Ringe und Längsstreifen analysiert werden. Die primitiven Vorder- und Rückwände sind von ihrer Struktur her primär ependymal und tragen nicht zur Verdickung der seitlichen Wände bei. Sie werden zur Boden- und zur Deckenplatte. Der Sulcus limitans markiert die Teilung in die sensorische rückseitige Platte und die motorische vordere oder Basisplatte.
Während sich das Neuralrohr in diese grundlegenden Anlagen des Zentralen Nervensystems formt, verdichtet sich das umgebende Mesenchym und wird zur äußeren Decke des Gehirns und des Rückenmarks. Dies sind die Meningen und das knöcherne Neurocranium.
ZEICHNUNG I–6: DAS GEHIRN IM QUERSCHNITT
Die Dura mater ist eine harte, aus Fasern bestehende, umschließende Membran direkt unter dem knöchernen Schädel. Die Membrana arachnoidea bedeckt die vielen Spalten des Gehirns. Die Pia mater legt sich in einer festen Verbindung an jede Unregelmäßigkeit der Oberfläche des Gehirns.
Auf der Oberfläche des Gehirns gibt es Hügel und Täler, die als Gyri und Sulci bezeichnet werden. Die Zerebrospinale Flüssigkeit verteilt sich an der Außenseite des Neuralrohrs unterhalb der Membrana arachnoidea im Spatium subarachnoidale. Innerhalb des Neuralrohrs ist sie im Rohrlumen und in den Ventrikeln vorhanden.
Wenn sich das Neuralrohr entwickelt hat und innerhalb des Schädels angelegt ist, hat es zwei Hemisphären und in jeder Hemisphäre vier Lobi. Diese sind wie voneinander getrennte Kontinente, die durch drei Fissuren abgegrenzt werden. Es ist hilfreich, sich diese Gehirngeographie im Gedächtnis zu behalten, solange man nicht vergisst, dass diese Landkarte nicht das Land selbst ist. 28
Unterhalb der Großhirnhemisphären befindet sich der Truncus cerebri und das Rückenmark. Das Cerebellum liegt oberhalb jener Teile des Truncus cerebri, die Pons und Medulla oblongata genannt werden. Die Medulla oblongata befindet sich gerade noch innerhalb des Schädels dort am Foramen magnum, wo sich das Rückenmark an seiner Eintrittsstelle erweitert. 29Dort sind die Kontrollzentren lokalisiert, die den Blutdruck, die Herzfrequenz, das Schlucken, Erbrechen, die Atmung, Sprechen und Singen regulieren. Die kleinste Abteilung des Truncus cerebri ist das Mesencephalon, welches oberhalb der Pons liegt und mit dem Diencephalon verbunden ist, dem ersten Anteil des Prosencephalons.
Mit dieser kurzen Übersicht richten wir unsere Aufmerksamkeit auf die physiologischen Zentren am Boden des vierten Ventrikels, in jener Schlüsselzone (dem ‚magischen Zentimeter‘) der Medulla oblongata. Das Atemzentrum hier ist von primärer Bedeutung für das Diaphragma und die Physiologie von Herz und Lunge. Ich bewies dies zu meiner eigenen Zufriedenheit an meinem eigenen Körper. Es war klar, dass die Zentren am Boden des vierten Ventrikels von primärer Bedeutung sind, und dass die Funktion von Diaphragma, Herz und Lunge sekundär ist.
Innerhalb des Truncus cerebri werden der dritte und der vierte Ventrikel durch den Aquaeductus cerebri im Mesencephalon verbunden. Der Canalis centralis des Rückenmarks liegt unterhalb des vierten Ventrikels, der ein ziemlich geräumiger kleiner Ventrikel mit offenen Türen in den Wänden ist. Es befindet sich auch eine ganze Menge Zerebrospinale Flüssigkeit darin. Am Boden verteilt und daneben befinden sich die Nuclei des dritten bis zum XIII. Hirnnerven. Diese sind für Funktionen zuständig, ohne die wir nicht leben könnten. Die Medulla oblongata und die Pons bilden den Boden des vierten Ventrikels.
Der vierte Ventrikel hat ein Dach und das Cerebellum liegt darüber. All diese Bereiche füllen die Fossa cranii posterior unterhalb des Tentorium cerebelli. Das Mesencephalon liegt in der Einbuchtung des Zelts und genau oberhalb der sphenobasilaren Verbindung auf dem Clivus der knöchernen Schädelbasis.
Die offenen Türen in den Wänden des vierten Ventrikels lassen eine Verbindung zu zwischen der innen befindlichen Zerebrospinalen Flüssigkeit – der ventrikulären – und der außerhalb verteilten Flüssigkeit – der subarachnoidalen.
Die Ansammlung von Flüssigkeit in den Spatia subarachnoidea unterhalb des Gehirns wird Cisterna basalis genannt, die um den Truncus cerebri herum Cisterna magna. John Hilton nannte diese Cisternae das ‚Wasserbett‘, auf dem das Gehirn ruht.
In der Tat ruhen die zentralen Teile der Gehirnbasis nicht auf den Knochen des Schädels, sondern auf dieser Ansammlung Zerebrospinaler Flüssigkeit, die ein wunderschönes, wirkungsvolles und perfekt angepasstes Wasserbett für sie bildet. 30
Gehirn und Rückenmark sind von ihrer Konsistenz her wie weicher Pudding. Das gesamte Neuralrohr wird zum Schutz von Zerebrospinaler Flüssigkeit umgeben, sowohl innen als auch außen. Dieser gesamte Komplex, der in die Leptomeninx eingehüllt ist (Membrana arachnoidea – Pia mater), lebt innerhalb des knöchernen Neurocranium, welches sich aus Knochen bildet, die durch die Dura mater und ihre Spezialisierungen, die Falx cerebri und das Tentorium cerebelli zusammengehalten werden. Bei der Geburt ähnelt der gesamte Schädel einem Ei mit weicher Schale, denn es gibt zwischen den Knochen keine Gelenke außer jenem einen zwischen Atlas und Os occipitale.
Durch die Funktionen des Primären Atemmechanismus hängen die physiologischen Zentren in der Medulla mit der sekundären Physiologie des lebenden menschlichen Körpers zusammen. Durch diese große Batterie, die Tide, kommt es, dass das ‚höchste bekannte Element‘ zu diesen physiologischen Zentren transmutiert. Die Nuclei der Hirnnerven werden auch von dieser Tide transmutiert, von der Batterie, die den ‚Saft‘ enthält, der aus den materiellen Elementen herausgefiltert wurde, derer sich der Mensch bedient. Sehen Sie all diese Dinge statisch daliegen wie bei einem Toten? Nein. Sie sehen sie in Inhalation und Exhalation, in mechanischer Funktion.
Der lebende menschliche Körper ist ein Mechanismus, der nicht nur aus den Gelenken zwischen den Knochen besteht, sondern auch aus dem Fluss des Blutes in den Arterien und Venen, dem feinen Mechanismus, der als Lymphsystem bekannt ist, den weichen Geweben, den Eingeweiden und jenem großen hydraulischen System, der Zerebrospinalen Flüssigkeit.
Das Zentrale Nervensystem ist nicht nur ein Netzwerk, das Nervenimpulse weiterleitet, sondern es ist auch eine Struktur, welche die physiologische Funktion der Motilität ausdrückt 31. Es gibt Bahnen, die durch den Boden des vierten Ventrikels verlaufen. Innen, außen und in den Wänden bewegt es sich – in jenen gebogenen Wänden und in den Pedunculi und Bahnen, die zum Cerebellum hinauf verlaufen. Stellen Sie sich die Seitenwände des Neuralrohrs bildlich vor, sie besitzen sowohl Motilität als auch die Funktion, motorische Impulse übertragen zu können.
Visualisieren Sie nun die Formveränderung des Neuralrohrs innerhalb des Neurocranium und des Rückenmarkskanals, die ich als Inhalation und Exhalation bezeichne. Bedenken Sie zum Beispiel, wie sich das Rückenmark während der Inhalation hochzieht wie der Schwanz einer Kaulquappe und während der Exhalation wieder herunterkommt. Sie können einen Mechanismus erkennen, der die ganze Zeit über mit der gelenkigen Beweglichkeit des knöchernen Mechanismus zusammenarbeitet.
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