Ingo Neumann - Melanchthon und Luther als Väter

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Wie verändert sich ein Gelehrter, wenn er Vater wird? Melanchthon hatte für seine Wissenschaft Schlimmes befürchtet. Er wird überrascht. Sein Ruhm wächst. Und: Er wird ein fürsorglicher Vater und erzählt gern davon. Etwa, wie die kleine Anna ihm in seiner Traurigkeit mit ihrem Nachthemdchen die Tränen abwischt. Im Melanchthonhaus gibt es nicht nur das Sterbebett zu sehen. In der Diele liegt Kinderspielzeug herum. Und wie ist das, wenn ein Mönch heiratet und Vater wird? Auch Luther im Schwarzen Kloster nebenan hat in seinen Tischgesprächen immer wieder die Kinder in die Mitte gestellt: als Lehrmeister im Glauben und als großes Glück. Das Refektorium kann man heute noch sehen, wo alle an einem langen Tisch versammelt waren. Karriere und Liebe zu Kindern – wie verträgt sich das? Bei Melanchthon und Luther können wir viel Unerwartetes darüber lernen – und über die beiden Väter auch.

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Ingo Neumann

MELANCHTHON UND

LUTHER ALS VÄTER

Ein Beitrag zur Reformationsdekade

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2015

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.deabrufbar.

Copyright (2015) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Titelfoto © Jürgen M. Pietsch, Spröda

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

INHALTSVERZEICHNIS

Cover

Titel Ingo Neumann MELANCHTHON UND LUTHER ALS VÄTER Ein Beitrag zur Reformationsdekade Engelsdorfer Verlag Leipzig 2015

Impressum Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Copyright (2015) Engelsdorfer Verlag Leipzig Alle Rechte beim Autor Titelfoto © Jürgen M. Pietsch, Spröda 1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015 Hergestellt in Leipzig, Germany (EU) www.engelsdorfer-verlag.de

Zitat Als ich mein Patenkind, Studentin der Journalistik, fragte, was ihr zu dem Wort „Glücksgewissen“ einfalle, sagte sie etwas verlegen: „… dass man ein schlechtes Gewissen hat, wenn man glücklich ist“. Dann aber lachte sie, und das Wort gefiel ihr sehr gut. Wir wissen nun, dass wir mit einem guten Gewissen glücklich sein können. Martin Luther

VORWORT

1. Orte der Erinnerung

Das Henkerhaus

Das Melanchthonhaus

Das Schwarze Kloster

Laboratorien einer neuen Zeit

2. Die Vertreibung aus dem Zölibat

Eine hohe Schwelle

Vitale Evidenz

Urteil Martin Luthers über die Mönchsgelübde (1521)

Ein Mönch konstruiert das Haus der Ehe

Vom ehelichen Leben (1522)

3. Mit den Kindern beginnt eine neue Geschichte

Wie bei Luther die Kinder in den Blick kommen, und die Frauen als Mütter und die Männer als Väter

Die Ehe von Nonne und Mönch als Zeichen gegen Teufel und Weltuntergang

Lass fahren dahin!

Der Tisch, wo alle Platz finden, auch die Kinder

1. Kinder sind für Luther ein großes Glück

2. Kinder nehmen ihr Recht ungeniert in Anspruch.

3. Kinder stehen unter einem uneingeschränkten Ja

4. Luther teilt seine Freude über das Verhalten der Kinder mit Gott

5. Der Vorrang der Kinder und Luthers geistlicher Neid

6. Das Verhalten von Hans erhellt ihm die Gottesbeziehung

7. In der Erziehung macht Luther Unterschiede

8. Die Liebe zu den Kindern und der Tod

9. Das Sterben der Tochter Magdalena

Die Liebe zu den Kindern in den Schulschriften

An die Ratsherrn aller Städte deutschen Landes, dass sie christliche Schulen aufrichten und halten sollen (1524)

Eine Predigt Martin Luthers, dass man Kinder zur Schule halten solle (1530)

Lebensphasen der väterlichen Liebe

1. Gottes Wohlgefallen lässt in Mühsal und Last Liebe und Zärtlichkeit aufleuchten (Vom ehelichen Leben, 1522)

2. Kinder als Einsatz des Glaubens in einer vom Ende bedrohten Welt (Briefe an Freunde)

3. Kinder als Lehrmeister und Kronzeugen des Evangeliums (Tischreden)

4. Kinder als Partner für den Erziehungsernst der Eltern (Tischreden und Schulschriften)

5. Liebe als tiefes inneres Verbundensein über einem Abgrund von Trennungsangst und Trennungsschmerz (Tischreden, Briefe)

6. Liebe als strategische Fürsorge für Zukunft und Karriere

4. Epochales

Leidzumutung und Glücksgewissen

Die dynamische Kraft des reformatorischen Modells

ANMERKUNGEN

LITERATUR

Als ich mein Patenkind, Studentin der Journalistik, fragte, was ihr zu dem Wort „Glücksgewissen“ einfalle, sagte sie etwas verlegen:

„… dass man ein schlechtes Gewissen hat, wenn man glücklich ist“.

Dann aber lachte sie, und das Wort gefiel ihr sehr gut.

Wir wissen nun, dass wir mit einem guten Gewissen glücklich sein können.

Martin Luther

VORWORT

„Väter“ – ein altertümliches Wort. „Wir wollen frei sein, wie die Väter waren“ – der Rütlischwur tönt nach Mittelalter. „Väter“ – inzwischen fast ein Modewort? Ein Schweizer Philosoph, der eben noch über „Eltern“ geschrieben hat, bringt ein Buch auf den Markt über „Väter“ und nennt es „Eine moderne Heldengeschichte“.1 Geowissen druckt ein Heft mit dem einfachen Titel „Väter. Was sie so besonders macht“.2 Mein kleines Buch hieß einmal anders: „Glücksgewissen, Leidzumutung und die Liebe zu Kindern“. Da standen die Kinder im Mittelpunkt. Jetzt, in der zweiten Auflage, habe ich den Titel verändert: „Melanchthon und Luther als Väter“. Es ist noch derselbe Text. Man kann ihn immer noch als eine Liebeserklärung an Kinder lesen. Und doch sind die Väter in den Vordergrund gerückt. Ein abschließendes Kapitel beschreibt „Lebensformen der väterlichen Liebe“. Was macht das Nachdenken über Väter auf einmal so interessant? Und nun auch noch aus der Perspektive ihrer Kinder?

Über Luther und Goethe ist aus der Perspektive ihrer Frauen schon geschrieben worden. Auch über Luthers Kinder gibt es ein Buch.3 Über Melanchthon und Luther als Väter, soweit ich sehe, noch nicht. Und doch geraten die Väter immer mehr in den Brennpunkt unserer Aufmerksamkeit. Frauen versichern, dass oft die Männer es sind, die keine Kinder wollen.

Ich denke, es ist ein Riesenschritt, wenn Männer in der Öffentlichkeit wieder als Väter erscheinen. Noch kürzlich hat Karl Barth über die Kinderwagen schiebenden Männer gespottet.4 Ja, bei Wahlkämpfen werden schon mal die Kinder mit ins Feld geführt. Aber welcher Professor zeigt sich mit Kindern? Gar mit einem Säugling? Welcher Mann definiert sich als Vater?

Damit sind wir schon mitten in der Relektüre meines Buches. Zu seinen erstaunlichsten Anekdoten gehört die Szene, wo ein ausländischer Gesandter Melanchthon besucht. Er findet ihn in seinem Arbeitszimmer, in der einen Hand ein Buch, mit der anderen eine Wiege schaukelnd. Man kann diese Szene symbolisch nehmen. Dann wird aus dem Gelehrten, der für alles Praktische zwei linke Hände hat, ein Vater, der beide Hände voll einsetzen kann, die eine für die Wissenschaft, die andere für seine Kinder. Ein ganz neues Modell, für das es nicht mehr nur geistige oder geistliche Väter gibt – als einen solchen hat etwa Paulus sich gern apostrophiert – sondern wirkliche leibliche Väter. Die Reformation hat also auch die – bisweilen völlig vergessene – Seite, dass bisher ehelos lebende Männer zu Vätern werden und als Väter in der Öffentlichkeit erscheinen!

Warum ist das in Vergessenheit geraten? Eine schwer zu beantwortende Frage. Für Luther scheint das nicht zu gelten. In den volkstümlichen Bildern aus dem 19. Jahrhundert ist er zu dem vorbildlichen Familienvater geworden, mit der Laute unter dem Weihnachtsbaum. Aber mir geht es hier nicht um die Hausväter, sondern um Professoren, die hoch angesehene öffentliche Ämter bekleiden und die doch gleichzeitig Väter sind und sich öffentlich als Väter zeigen. Nicht nur bei Luther sammeln sich Kinder, Studenten, Kollegen und hochgestellte Gäste am Tisch, sondern auch bei Melanchthon. Wer aber hat sich bisher Melanchthon wirklich als Vater vorgestellt? Dabei war er der erste von beiden, der geheiratet hat, fünf Jahre vor Luther. Nach Luthers Tod geht er in den schrecklichen Wirren des Schmalkaldischen Krieges mit seiner Frau, seiner jüngsten Tochter Magdalena, seiner Enkelin Katharina und dem Famulus Koch auf die Flucht – mit der Universität, die aufgelöst wird.5

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