„Ehrlich gesagt, bin ich überrascht und zugleich erfreut. Du wirst jedoch verstehen, dass ich den Vorschlag erst noch mit Philipp besprechen muss. Ich persönlich könnte mir einen gemeinsamen Urlaub vorstellen, wobei wir dennoch unsere Freiheit haben möchten und nicht ständig zusammen hocken wollen. Das könnte durchaus stressig werden.“
„Selbstverständlich ist die Gestaltung des Tagesablaufes jedem Paar selbst überlassen, aber unsere Frauen könnten sich durchaus gesellige gemeinsame Abende vorstellen, wobei dies nicht jeden Tag der Fall sein muss.“
„Ich werde mit Philipp sprechen und ihm deinen Vorschlag erläutern.“
„Richte ihm viele Grüße aus und wir würden uns über seine Zustimmung freuen.“
Im Verlauf der nächsten Tage hatten die Mitarbeiter der Mordkommission mehrere Fälle zu lösen, sodass sie sich nur zu ständigen Einsatzbesprechungen beziehungsweise zu Notfalleinsätzen zu Gesicht bekamen, was die terminliche Einordnung des erwogenen gemeinsamen Urlaubes deutlich erschwerte, deshalb unterbreitete Frau Schlosser den Vorschlag, Jana Schubert und ihren Freund zu einem gemeinsamen Abendessen einzuladen. Das Abendessen verlief in einer entspannten Atmosphäre und zur Überraschung aller, besonders von Jana, war auch Philipp Schroeder von dem Vorschlag eines gemeinsamen Urlaubes begeistert. Nach längerer Diskussion wurde ein Kompromiss erarbeitet, der notwendig wurde, da zunächst keine Einigung über das Ziel der Reise erreicht wurde. Sie verständigten sich, zuerst an die Nordsee zu fahren und nach der Hälfte des Urlaubes an die Ostsee umzusiedeln. Als Ziele wurden die Campingplätze Markgrafenheide an der Ostsee und Tossens an der Nordsee festgelegt. Mit den erforderlichen Buchungen dieser Plätze wurden die Frauen beauftragt, da die Kriminalisten in nächster Zeit sehr in ihre Aufgaben eingebunden waren und nicht die erforderliche Zeit hatten. Zugleich sollten sie sich um die Beschaffung der benötigten Fahrzeuge bemühen und die terminlichen Möglichkeiten überprüfen.
Diese gesamten Vorarbeiten hatten die Ehefrauen von Ullmann und Schlosser gemeinsam bewältigt und dies mit großer Freude auf die bevorstehenden Tage, die durchaus abenteuerlich werden konnten, getan. Der heutige Tag und die kleine Urlaubsverabschiedung sollten der Beginn einer kurzen sorgenfreien Zeit werden. Die dienstlichen Festlegungen waren getroffen und mit dem vorgesetzten Polizeipräsidenten, der in ihrem besonderen Fall seine Zustimmung geben musste, abgestimmt. Hauptkommissarin Hannelore Meister übernahm als Urlaubsvertretung die Leitung der Mordkommission und die Aufgaben von Heinz Schlosser wurden in seiner Abteilung intern geregelt.
„Ich hoffe, sie haben schöne Tage und bestes Wetter“, sagte Helga Schneider, die stets freundliche und sehr pflichtbewusste Sekretärin von Ullmann.
„Wenn man den Wetterpropheten glauben kann, müssten wir Glück haben“, lächelte Frau Ullmann, die Frau Schneider sehr schätzte und deren Verbundenheit zu ihrem Mann kannte.
„Habt ihr auch Ersatzreifen mit?“, fragte Torsten Fleischer, der Leiter der operativen Einsatzgruppe des Präsidiums und langjährige Mitarbeiter von Kommissar Ullmann, der zu dieser Urlaubsverabschiedung, die für alle Kollegen sehr selten war, eingeladen worden war.
Die Urlauber schauten erstaunt und Torsten sagte: „Ihr seid mir Autofahrer. Große Reisen unternehmen wollen und nicht an das Nötigste denken.“
„Ich setze voraus, dass die Wagen Ersatzreifen haben“, sprach Schlosser.
„Einen Vorteil hat eure gemeinsame Fahrt, bei möglichen Pannen könnt ihr euch gegenseitig helfen.“
„Herr Fleischer, ich bitte sie. Bei einer solchen Fahrt wird nicht von Widrigkeiten ausgegangen. Sie möchten unseren Urlaubern doch nicht die Freude verderben“, sprach Frau Schneider energisch.
„Klaus weiß, wie ich es meine“, Torsten lächelte.
„Für den Fall, dass sie eine Leiche finden, können sie mich gern anfordern. Mir stünde zurzeit ein kurzer Seeurlaub gut zu Gesicht“, warf Frau Kesser, die anwesende Gerichtsmedizinerin, ein.
„Die Leiche lassen wir liegen. Wir haben Urlaub“, sagte Frau Schlosser.
„Man kann nicht wissen, Straftäter gibt es überall“, beharrte Frau Kesser.
„Wohin geht die Reise zuerst, Ostsee oder Nordsee?“, fragte Torsten.
„Wir fahren zuerst nach Tossens an die Nordsee?“, antwortete Ullmann.
„Weil wir das Beste zum Schluss aufheben“, schmunzelte Ulrike Schlosser.
„Ich denke, es wird uns überall gefallen“, sagte Jana.
„Wollt ihr eure Wagen gegenüber aufstellen?“, fragte Frau Kesser.
„Wie meinst du das?“, wollte Jana wissen.
„Naja, ihr könnt doch die Wagen so stellen, dass ihr euren eigenen Bereich habt und nicht von anderen Campern belästigt werdet.“
„Auf Campingplätzen gibt es keine Belästigungen, das sind alle friedvolle Personen“, erwiderte Schlosser.
„Wer führt eure Kolonne an?“, erkundigte sich Torsten.
„Die Jugend geht wie immer voran. Philipp und Jana werden uns sicher ans Ziel bringen“, erwiderte Klaus lächelnd und zwinkerte den beiden zu.
Die Verabschiedung endete nach circa einer Stunde und die Kriminalisten machten sich mit ihren Wohnmobilen auf den Weg an die Nordsee. Ihre Fahrzeuge hatten sie außerhalb des Polizeipräsidiums abgestellt, um den Trubel ihrer ungewöhnlichen Urlaubsverabschiedung nicht noch größer werden zu lassen.
An einer Schule, nahe Nordenham an der Nordsee gelegen, kehrte allmählich die Vorfreude auf die großen Ferien ein und die Stimmung der Lehrer und Schüler war im Allgemeinen gut, nur die bevorstehende Ausgabe der Zeugnisse bereitete manchem Schüler noch Kopfzerbrechen. Der Unterricht wurde in lockerer Atmosphäre durchgeführt, da alle erforderlichen Prüfungen und Klausuren abgeschlossen waren und der Lehrkörper mit der Zusammenstellung der Zeugnisse beschäftigt war. Die Schüler machten Scherze und vertrieben sich in den meist etwas länger gehaltenen Pausen mit Spielen und Telefonaten mit ihren Freunden und Bekannten die Zeit. Die Jungen und Mädchen beobachteten sich und es wurden zum Teil verlockende Blicke gewechselt. Der Schulhof war nicht besonders groß, aber für die Schule ausreichend und er hatte gleichzeitig einen Spielplatz, da der Hort im gleichen Gebäude im Erdgeschoss untergebracht war. Einige größere Jungs probierten sich zum Gelächter der anderen an den Spielgeräten.
Im Lehrerzimmer waren die Lehrer mit der Ausfertigung der Zeugnisse beschäftigt, wobei die meisten ihre Arbeit bereits abgeschlossen hatten. Zum Ärger der Lehrer hatten auch dieses Jahr wieder einige Schüler das vorgegebene Klassenziel nicht erreicht und mussten die Klasse wiederholen. Die Lehrer waren sich sicher, dass es wieder zu Streitigkeiten mit den Schülern und vor allem mit deren Eltern kommen würde, denn die letzten Jahre hatten mehrmals gezeigt, dass die Eltern der Schüler deren Zeugnis nicht anerkennen wollten. Die Eltern hatten sich zum Teil sehr schlecht und überheblich aufgeführt und die Lehrer aufs Übelste beschimpft und ihnen vorgeworfen, dass das Nichterreichen des Klassenzieles ihrer Kinder auf das Versagen des Lehrkörpers zurückzuführen sei. Einige Eltern hatten sich sogar an die Schulbehörde gewendet, um das Versetzen ihres Kindes zu erzwingen, was jedoch in allen Fällen gescheitert war.
Das Schulgebäude war ein U-förmiger Klinkerbau und in gutem baulichen Zustand. Die Schüler kamen aus den umliegenden Gemeinden und wurden zum Teil mit Schulbussen zur Schule gebracht. Das Verhältnis zwischen den Schülern und dem Lehrkörper wurde allgemein als gut eingeschätzt und die Schule hatte einen guten Ruf, sodass sie bisher in keinem Jahr Probleme mit der Belegung der Klassen hatten.
Gegenüber dem Hauptgebäude befand sich der Parkplatz, welcher an Schultagen meistens nicht ausreichte, da die Mitglieder des Lehrkörpers alle mit Fahrzeugen zum Unterricht kamen und teilweise auch einige Schüler bereits ein Moped besaßen und viele mit Fahrrädern erschienen. Aus diesem Grund hatte die Schulleitung feste Plätze für den Lehrkörper festgelegt, was nicht ausreichte, sodass die Schüler meist wild parkten und ihre Fahrzeuge in der Nähe des Parkplatzes abstellten.
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