Sogar die Art des Begräbnisses hat der Kaiser geregelt. Natürlich ist es ihm auch da um die Nützlichkeit gegangen. Der Körper soll schnell verwesen. Ein Sarg ist da nur hinderlich, und außerdem ist es eine Verschwendung, eine Truhe einzugraben, die könnte man schließlich mehrfach verwenden. Ergo schreibt der Kaiser Joseph den Sparsarg vor, der nach ihm auch Josephinischer Klappsarg heißt. Das ist eine Truhe, deren Boden aus einer Klappe besteht. Der Leichnam wird, in ein Tuch gewickelt, hineingelegt, zum Grab transportiert, der Sarg wird über das Grab gestellt und die Klappe betätigt. Schon plumpst der Leichnam in die Grube. Die Klappe wird geschlossen und der Sarg wartet auf seinen nächsten Benützer. Sie können sich denken, was in Wien los gewesen ist, wo vielen eine „scheene Leich“ 30mehr zählt als ein schönes Leben. Am 23. August 1784 hat der Kaiser die Verordnung erlassen, am 27. Jänner 1785 hat er sie wieder zurückgenommen. Richtig grantig ist der Kaiser da gewesen – warten Sie, das muss ich Ihnen wörtlich vorlesen: „Da ich sehe und täglich erfahre, daß die Begriffe der Lebendigen leider noch so materiell sind, daß sie einen unendlichen Preis darauf setzen, daß ihre Körper nach dem Tode langsamer faulen und länger ein stinkendes Aas bleiben: so ist mir wenig daran gelegen, wie sich die Leute wollen begraben lassen; und werden sie also durchaus erklären, nachdem sie die vernünftigen Ursachen, die Nutzbarkeit und Möglichkeit dieser Art Begräbnisse gezeigt habe, ich keinen Menschen, der nicht davon überzeugt ist, zwingen will, vernünftig zu seyn, und daß also ein jeder, was die Truhen anbelangt, frey thun kann, was er für seinen todten Körper zum Voraus für das Angenehmste hält.“
Es kommt aber noch grotesker: Der Kaiser hat befunden, dass Pfeffernüsse 31schädlich seien und sie deshalb verboten. Das ist so eine Art Wiener Pfeffernuss-Prohibition gewesen. Obendrein hat er sich vor Farbe im Gesicht geekelt. Deshalb hat er darauf gedrängt, dass sich die Hofdamen nicht schminken, und er hat Harlekine verabscheut.
Auch seinem Neffen und Nachfolger, dem Franz I. 32, hat er mit seinem ewigen Tadel das Leben so schwer gemacht, dass der Franz sich lieber in Gesellschaft von Blumen aufgehalten hat, weil die nicht die ganze Zeit motschkern 33. Seine Leidenschaft für alles Pflanzliche hat dazu geführt, dass er liebend gerne mit der Gießkanne in der Hand unterwegs gewesen ist, Unkraut gejätet und Rosen beschnitten hat. Er hat höchstderoselbst einen Garten gestaltet und ihn 1823 für alle Bürger geöffnet. Seither heißt er Volksgarten – und er schaut heute noch so aus, wie seine Majestät es für gut und richtig befunden hat. Auf dem Gelände von Laxenburg hat er einen künstlichen Teich anlegen lassen mit einer Insel in der Mitte, auf der hat er ein Kitsch-Schloss errichtet. Dann hat er sich ans Ufer der künstlichen Insel gesetzt und nach Dingen geangelt, die er zuvor selbst in den Teich geworfen hat.
Außerdem hat der Kaiser Franz sehr gerne Geige gespielt, nur leider nicht gut. Partout hat er im Quartett des Badener Bürgermeisters Johann Nepomuk Trost mitspielen wollen. Kann man einem Kaiser sein Begehr verweigern? Aber der Trost hat den Kaiser an die Zweite Geige gesetzt. Seine Majestät soll gegrantelt haben: „Aber in Wien spiel ich die Erste Geige.“
Über den Rudolf II. 34sollte ich eigentlich nichts erzählen – nicht, weil es nichts zu erzählen gäbe, sondern, weil er zwar ein ganzer Kaiser, aber kein richtiger Wiener gewesen ist. Das heißt: Geboren ist er in Wien, aber 1583 hat er seine Residenz nach Prag verlegt. Als Grund wird immer angegeben, dass er das Volk und den Adel Böhmens enger an das Reich binden hat wollen. Wissen Sie was? – Ich glaub’ das nicht. Ich bin überzeugt, es ist ihm um etwas Anderes gegangen. Prag hat damals als eine Stadt der Magie gegolten. Es ist die Stadt, in der Rabbi Löw 1580 den Golem geschaffen haben soll. Prag ist ein mystischer Ort gewesen, eine Stadt der Alchemisten, der Magier und Sterndeuter. Genau das hat den Rudolf fasziniert. Kaum ist er in Prag gewesen, hat er alle Künstler und Wissenschaftler geholt, die ihm etwas Geheimnisvolles bieten haben können. Da sind Astronomen darunter gewesen wie Tycho Brahe und Johannes Kepler, aber auch der Londoner Magier John Dee, der für seine Gespräche mit Engeln die henochische Sprache entwickelt hat. Und dann – bitte, schauen Sie sich einmal die Gemälde vom Giuseppe Arcimboldo an: Der hat sich zwar nicht erst für den Kaiser Rudolf seine eigenartigen Porträts einfallen lassen, in denen er Gesichter aus Früchten, Gemüse, Meerestieren, Blumen und Blättern zusammensetzt. Doch in Prag ist der Arcimboldo so richtig aufgeblüht. Er hat sogar ein Portrait des Kaisers gemalt, genannt Vertumnus, der Gott der herbstlichen Ernte, bestehend aus Gemüse, Obst und Blumen. Da steckt natürlich die Symbolik der Fruchtbarkeit und des Erntesegens drin, der Kaiser sorgt dafür, dass es allen gut geht. Auf mich jedoch macht das Bild einen irgendwie beunruhigenden Eindruck. Der Kaiser schaut so gar nicht gütig aus seinen Augenweichseln und seine Mundkirschen haben etwas Ungutes. Der Rudolf hat den Arcimboldo obendrein mit dem Bau von mechanischen Apparaten beauftragt, er hat Wunderdinge aus aller Welt gesammelt, je absonderlicher, desto besser, Tiere von seltsamem Aussehen, Korallen, eigenartige Steine und bizarre Kunstobjekte. Die ganze Versenkung ins Absonderliche hat dem Gemüt des Kaisers geschadet. Er hat panische Angst gehabt, vergiftet zu werden und hat sich einen magischen Pokal anfertigen lassen, der alle üblen Substanzen neutralisiert. Depressionen hat er ohnedies schon früher gehabt, in den späten Jahren kommt eine Urteilsunfähigkeit dazu, er dürfte am Rand des Irrsinns balanciert haben.
Der Erzherzog Karl Ludwig von Österreich 35ist zwar kein Kaiser gewesen, aber der Bruder eines Kaisers, nämlich vom Franz Joseph. Der Karl Ludwig ist ein heiligmäßiger Mann gewesen. Bei manch einer Kutschenfahrt ist es über ihn gekommen und er hat die Menschen aus seiner Kutsche heraus gesegnet. Sein religiöser Wahn hat zu seinem Ende geführt: 1896 hat er seinen Sohn Franz Ferdinand in Kairo besucht, der dort seine Tuberkulose kuriert hat. Wieder ist es den Karl Ludwig überkommen: Er bildet sich ein, er muss nach Palästina reisen, um dort Wasser aus dem Jordan zu trinken, das würde ihm eine religiöse Erleuchtung bescheren. Das Wasser ist allerdings verseucht gewesen. Er überlebt zwar die Heimreise nach Wien, stirbt aber wenig später.
Ein wahrer Schöngeist ist dafür der Leopold I. 36gewesen, der Vater von der Maria Theresia – Sie wissen schon: von der Erzherzogin, deren Mann Kaiser gewesen ist, weshalb man sie hartnäckig als „Kaiserin“ bezeichnet, obwohl sie keine Kaiserin gewesen ist, sondern immer nur die Frau von einem Kaiser. Der Leopold hat nie wirklich Kaiser werden wollen. Sein erster Berufswunsch ist Priester gewesen, sein zweiter Komponist. Er hat das Handwerk, also das des Komponisten, übrigens wirklich recht gut beherrscht. Mehr als 200 Werke gibt es von seiner Hand – aber das sind keine Kleinigkeiten: Messen, Kantaten, Ballette und Singspiele sind darunter. Seine Majestät hat mehrere Instrumente gespielt und das Hoforchester selbst dirigiert. Außerdem hat er sich der Prunksucht hingegeben. Am 12. Dezember 1666 heiratet er seine Nichte Margaretha Theresia von Spanien, die, das macht die habsburgische Heiratspolitik möglich, gleichzeitig seine Cousine ist. Sie kennen ja das habsburgische Motto: „Bella gerant alii, tu felix Austria nube.“ Wenn man nur unter diesem Aspekt Verbindungen eingeht, passiert es halt, dass ein bisserl zu viel Verwandtschaft ins Blut kommt. Das erklärt vielleicht einiges.
Die Hochzeit jedenfalls will gefeiert sein, und zwar nicht ein paar Tage lang, sondern ein ganzes Jahr zelebriert sie der Kaiser mit immer prunkvolleren Festen. Dann gibt er für das Geburtstagsfest seiner Frau im Jahr 1668 bei seinem Hofkapellmeister Antonio Cesti die Oper „Il pomo d’oro“ in Auftrag. Leopold höchstselbst komponiert mit. Das Monstrum wird ein einziges Mal aufgeführt, verteilt auf zwei Abende von je fünf Stunden. Einen Effekt hat der Anlass: Cesti hat den Prunk nicht mehr ertragen und seinen Abschied vom Wiener Hof genommen.
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