1 ...7 8 9 11 12 13 ...38 In jener Zeit lebte er bei seiner Schwester Hedwig und ihrem Ehemann, bis sie 1728 verstarb. Nach ihrem Tod begann er das Leben eines Junggesellen und stellte einen Diener an. Sein Neffe und Schüler Erik Benzelius der Jüngere studierte bei ihm, lebte teilweise bei ihm und schloss sich ihm schließlich im Bergwerksdirektorium an.42
BERUFSLAUFBAHN, WISSENSCHAFTLICHE WERKE UND WEITERE STUDIEN IM AUSLAND
Von 1722 bis 1733 arbeitete Swedenborg neben seiner Tätigkeit am Bergwerksdirektorium ständig an seinem ersten großen Werk, Opera Philosophica et Mineralia . Nach seiner Vollendung stellte er das Manuskript im September 1733 dem Verleger Friedrich Hekel in Leipzig vor. Swedenborg begutachtete sein Werk Anfang 1734 und im Alter von 46 Jahren veröffentlichte er es als sein erstes eigenständiges wissenschaftlich-philosophisches Werk in drei Bänden.43
Der erste Band wurde unter dem Titel Principia bekannt. Der Untertitel lautet im Deutschen nach der englischen Übersetzung von 1845: Die ersten Prinzipien der natürlichen Sachverhalte, die neue Versuche zur philosophischen Erklärung der elementaren Welt darstellen. Dieser Band umfasste eine übergreifende Kosmologie, sowohl eine Sternennebel-Theorie als auch eine atomare Theorie der Arten. Die Prinzipien bildeten eine Studie des Endlichen, das seinen Ursprung im Unendlichen erkennt, ohne welches es nicht hätte entstehen können oder weiter existieren könnte. Alles wird durch dieses Gesetz reguliert, vom Kleinsten bis zum Größten, von den ersten Punkten und Teilchen der Existenz bis zu den Galaxien. Die Principia veranschaulichen Swedenborgs Bemühungen, eine Kosmologie zu präsentieren, welche die Ordnung und den Zweck der Schöpfung erklärt, und die ihn schließlich zu einer Untersuchung der Struktur der Materie von den ersten Teilchen bis hin zum gesamten Kosmos führt.44
Swedenborgs Theorie der feinsten Teilchen schloss eine Hypothese über die Bildung der Materie aus Energie ein, der zufolge sich reine Energie lokalisiere und sich zu einem ‚ersten Punkt’ bzw. einem ‚Einfachen’ bilde. Dieses sei das Medium zwischen dem Endlichen und dem Unendlichen, aus dem nach und nach alles andere entstehe. Das Medium selbst bestehe aus reiner Bewegung bzw. einer ‚Bestrebung’ zur Bewegung hin, da ohne Bewegung nichts existieren könne. Alle endlichen Sachverhalte stammten von dieser ersten Ursache. Zwar sei sie geometrisch nicht erfassbar, dennoch sei sie nicht Nichts.45
Diese ersten einfachen oder endlichen Punkte fließen in eine Spiralbewegung ein, welche das ‚erste Endliche’ als kleinste Entität der Natur hervorruft und aus der alles andere aufgebaut ist. Das erste Endliche ist geometrisch und besitzt eine spiralförmige Bewegungsfigur mit Polen, Äquatoren und Meridianen, die ihm eine achsenförmige und fortschreitende Bewegung verleihen. Sofern es in seiner fortschreitenden Bewegung schwingt, bezeichnet Swedenborg es als ‚Aktives’, wenn dies nicht der Fall ist, gilt es ihm als ‚Passives’.46
Obwohl dies ein faszinierender Ansatz ist, liegt Swedenborgs Konzept der Physik außerhalb des Interessenbereiches der vorliegenden Arbeit. Zusammenfassend lässt sich aber sagen: Die ‚Punkte’ der Bewegung sammeln sich zu ‚ersten Endlichen’ und verschmelzen mit anderen ersten Endlichen, um verschiedene Ebenen der Materie zu bilden. Swedenborg ordnete jeder dieser Aktivitätsebenen verschiedene Eigenschaften zu. Der erste und feinste natürliche Punkt schließt eine zirkuläre aktive Bewegung ein, die dann zu einem ersten Endlichen verbunden wird, welches wiederum eine spiralförmige Bewegung bzw. Drehbewegung einschließt und sich zu einem zweiten Endlichen als passivem Empfangenden von Bewegung verbindet. Schließlich wird ein elementares Teilchen gebildet, das echte bekannte Materie darstellt. Aus Swedenborgs Sicht schließen die feinsten Teilchen der Natur eine beständige Interaktion zwischen derartigen ‚Aktiven’ und ‚Passiven’ ein.47
Er behauptete, dass die Folge von ‚Aktiven’, ‚Passiven’ und ‚Endlichen’ sich fortsetze, um komplexere Elementarteilchen auf verschiedenen Ebenen zu bilden. Im Kontext großer, aktiver solarer Räume würden sie komprimiert, veränderten sich zu neuen Entitäten und bildeten so unterschiedliche Atmosphären von Äther und Magnetismus. Darin forme sich aus einem solaren Strudel die Sonne, die als Ahnin der Planeten fungiere.48
Swedenborg erkannte, dass die Natur sich in den größten und den kleinsten Sachverhalten ähnlich ist – im Makrokosmos und im Mikrokosmos.12* Genauso wie sich magnetisierte Eisenteilchen entlang der Kraftlinien von Pol zu Pol um einen Magneten ausrichteten, so fungiere jede ‚Sonne’ in unterschiedlicher Weise als ‚Magnet’, wobei eine strudelförmige Drehbewegung die Planeten um eine zentrale Achse leite. Swedenborg verglich die Anordnung der Sterne mit jener der Galaxien und sogar noch größeren Systemen, in denen Galaxien eingebunden sind.49
Swedenborgs Sternennebeltheorie erklärt die Bildung des Sonnensystems ausgehend von Teilchen, welche sich von der Sonne wegdrehen und Nebel bilden, die wiederum zu um die Sonne kreisenden Gürteln verschmelzen. Diese zerbrechen und bilden die einzelnen Planeten in unserem Sonnensystem. Mit seiner Theorie ging Swedenborg der Kant-Laplaceschen-Nebelhypothese voraus und beeinflusste damit nachweislich Kant.50
Swedenborg schließt die Principia mit einer Erörterung der Menschheit. Denn er betrachtete den Menschen als Vollendung und Ziel der Schöpfung und platzierte ihn im Kontext des geordneten Universums. Die Menschheit mit ihrer Fähigkeit, dem Schöpfer zu antworten und ihn zu verehren, erwies sich dabei als Richtschnur für seine zukünftigen Werke. Swedenborg suchte unentwegt nach einem Punkt der Interaktion zwischen Gott und der Schöpfung – und er betrachtete die Menschheit als eben diese Verbindung. Die Principia dienten ihm als Vorbereitung des folgenden, tiefer gehenden Pfades, nämlich der Suche nach der Interaktion von Körper und Seele.51
Der zweite und der dritte Band der Opera Philosopica et Mineralica sind ihrer Natur nach eher technisch und praktisch. Der zweite Band handelte von Eisen und Stahl, der dritte Band bezog sich auf Kupfer und Blech. Wie zuvor erwähnt, waren Metalle für Schwedens Wirtschaft von vitaler Bedeutung. Diese praktischen Bände wurden als umfassende Werke zur Gewinnung und zum Schmelzen der besagten Metalle anerkannt und in Europa weit rezipiert. Aufgrund der Opera gewann Swedenborg zudem wachsende Aufmerksamkeit unter den Wissenschaftlern und Philosophen Europas.52
1734 kehrte der 46-jährige Swedenborg nach Stockholm zurück, und das aufgrund guter Rezensionen offensichtlich voller Selbstbewusstsein, da man ihn in ganz Europa als Wissenschaftler und Philosoph achtete.53
Nur ein Jahr darauf verstarb sein Vater im Juli 1735. Jesper Swedberg war 33 Jahre lang Bischof von Skara gewesen und wurde von vielen respektiert und bewundert, obgleich man ihn auch wegen seiner offen ausgesprochenen Sichtweisen kritisierte. Über Swedenborgs Gefühle wird nichts berichtet.
In dieser Zeit änderte sich jedoch die Ausrichtung seiner wissenschaftlichen Interessen. Er widmete sich vermehrt dem Studium der Anatomie und der Physiologie, indem er die gesamte Energie seiner früheren Werke auf diese Bereiche bezog. Er begann seine anatomischen Studien sogar bereits, als er noch auf den Druck der Opera Philosophica et Mineralica wartete, indem er Werke von Richter und Heister studierte, medizinische Standardlehrbücher jener Zeit. Auf der Suche nach der Offenbarung der Seele im Körper ließ Swedenborg Mineralogie und Kosmologie hinter sich und konzentrierte sich ganz auf das Studium des menschlichen Körpers.54
Nach seiner Rückkehr nach Schweden im Jahr 1734 nahm er auch seine Pflichten als Assessor des Bergwerksdirektoriums wieder auf. Gleichwohl widmete er seine gesamte freie Zeit dem intensiven Studium des Gehirns. Er nahm intensive Notiz von den Schriften von Vieussens, Winslow, Ridley, Verheyen, Heister und anderen und baute zum späteren Gebrauch einen minutiösen Index auf.55
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