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Bevor Sie den ersten Schritt tun
Ist es im Raum noch zu hell, dann decken Sie jetzt Ihre Augen ab. Dazu eignet sich beispielsweise eine Schlafmaske oder ein weicher Schal.
Bevor Sie nun endgültig zu Ihrer ersten schamanischen Reise aufbrechen, formulieren Sie dreimal still: »Ich reise in die untere Welt, um sie kennen zu lernen.«
Während Sie diesen Satz leise vor sich hin sagen oder denken, beginnt die Trommel. Kümmern Sie sich jetzt nicht weiter um die Formulierung, und lassen Sie sie so stehen. Das Einleitungsanliegen haben Sie gleichsam als Mission vorausgeschickt. Denken Sie sich stattdessen jetzt an Ihren Eingang zur unteren Welt, und gehen, springen oder schlüpfen Sie hinein.
Unternehmen Sie schamanische Reisen nüchtern und nicht nach Alkohol- oder Drogengenuss, sonst schleicht sich der Schrecken von ganz woanders her ein. Und machen Sie nie den zweiten Schritt vor dein ersten, d. h., halten Sie sich an die Reihenfolge der Reisevorschläge in diesem Buch.
Schon wenig später wird sich die Umgebung verändern. So kann es sein, dass Sie zwar in den Kanal, der vor Ihrem Haus vorbeifließt, gesprungen sind, sich aber plötzlich in einer weiträumigen Tropfsteinhöhle wiederfinden. Sobald ein solcher Wandel eintritt, hören Sie auf, Ihre Reise selbst zu beeinflussen; es sei denn, Sie kommen an bestimmten Stellen nicht weiter.
Ist das der Fall, dann überprüfen Sie zunächst erst einmal, ob Sie überhaupt weiter wollen oder nicht. Wenn nicht, bleiben Sie, wo Sie sind, und sei es auch noch so dunkel um Sie herum. Zieht es Sie aber weiter, dann suchen Sie nach einem Ausweg; zwängen Sie sich durch einen engen Spalt, oder gehen Sie durch eine scheinbar kompakte Wand hindurch. Sie werden sich wundern, wie leicht das geht. Dies allerdings nur unter einer Voraussetzung: Seien Sie sich bewusst, dass Sie nichts erzwingen können.
Machen Sie Ihre Erfahrungen
Bevor Sie Ihre Lektüre an dieser Stelle fortsetzen, sollten Sie auf jeden Fall erste Reiseerfahrungen - auch negativer Art - gesammelt haben. Sonst fühlen Sie sich durch alles, was auf den folgenden Seiten ausgeführt ist, auf Ihren späteren Reisen von vorneherein bevormundet. Dann sehen Sie zwar etwas, können es aber nicht wirklich mit eigenem Erleben identifizieren, weil Sie glauben werden, sich lediglich bildhaft das von einem Fremden Gesagte vorzustellen. Um dieser Gefahr zu entgehen, wiederhole ich meine dringende Bitte: Lesen Sie hier erst weiter, wenn Sie über eigene Reiseerfahrungen verfügen, sonst mag sich der Rest dieses Buchs als ziemlich wertlos für Sie herausstellen. Wie bereichernd dagegen ist es, selbst Erfahrungen zu sammeln und danach die Bestätigung zu finden: Was ich erfahren habe, ist keine bloße Phantasie, sondern eine fremde aber objektive Realität, die sich anderen Menschen ganz ähnlich darstellt und meist auch ähnlich empfunden wird.
Ursachen für eine fehlgeschlagene Reise
Wenn Sie an dieser Stelle weiterlesen, haben Sie bereits erste Reiseversuche unternommen. Es gibt nun grundsätzlich zwei Ergebnismöglichkeiten: Entweder Sie können auf bestimmte mehr oder weniger ausgeprägte Erlebnisse zurückblicken, oder es hat sich gar nichts getan. Zwischenstufen gibt es nicht.
Nichts zu erleben, kann sich auf zweierlei Weise äußern: Entweder ist bei Ihren Versuchen, schamanisch zu reisen, überhaupt nichts geschehen, oder Sie haben lediglich den Eingang zur unteren Welt visualisiert, den Sie sich vor der beabsichtigten Reise vorgestellt haben. Von dort aus ging es jedoch nicht weiter.
Nehmen wir zunächst den - weitaus unwahrscheinlicheren - Fall an, dass Sie wirklich gar nichts erlebt haben. Das ist kein Grund, gleich entmutigt zu sein. Verschiedene Ursachen können für diese verunglückte Reise verantwortlich sein. Um diese zu ergründen, beantworten Sie bitte ganz aufrichtig die folgenden Fragen.
Auch die Reise des Odysseus, des Helden der griechischen Mythologie, kann als Schamanenreise verstanden werden. Nach der Einnahme Trojas tritt er die Heimfahrt an, auf der er die seltsamsten Abenteuer bestehen muss. So wird er beispielsweise von einem einäugigen Riesen in eine Höhle gesperrt und soll am Eingang zur Unterwelt den Schatten eines Sehers über sein weiteres Schicksal befragen.
Die Frage nach der inneren Überzeugung
War es vielleicht Ihre bewusste oder unbewusste Absicht, sich selbst oder anderen zu beweisen, dass schamanisches Reisen grundsätzlich nicht möglich ist oder sogar, dass Schamanismus nichts anderes ist als Scharlatanerie oder Aberglaube?
Überdenken Sie dabei einmal das Folgende: Ein Mensch, der beispielsweise romantische Gefühle als unlogisch und unrealistisch oder lediglich als Symptome körpereigener chemischer Prozesse betrachtet, wird sich niemals aus vollem Herzen über die Schönheit eines bunten Schmetterlings freuen können und wird wohl auch niemals in der Lage sein, tiefe, bedingungslose Liebe zu empfinden.
Die Frage nach den Erwartungen
Hatten Sie vor Ihrer Reise überzogene oder ganz bestimmte, im Geist vorformulierte Erwartungen, und haben Sie sich dadurch womöglich unter eine Art Leistungsdruck gesetzt? Es muss jetzt unbedingt klappen! Andere können das schließlich auch. Ich darf keinesfalls versagen!
Bedenken Sie: Spirituelles Erleben lässt sich vom Verstand her nicht erzwingen. Stattdessen tritt meist eine Umkehrwirkung ein, die diese Art der Erfahrung eher behindert.
Hatten Sie Angst, etwas Schreckliches oder Gefährliches könne Ihnen auf Ihrer Reise zustoßen, dem Sie sich nicht entziehen können und stellen müssen?
Wenn Sie diese Frage mit Ja beantworten, dann können Sie es getrost gleich noch einmal mit einer Reise versuchen. Auf schamanischen Reisen geschieht nichts Gefährliches.
Auch bleiben Sie auf jeder Reise stets Ihr eigener Herr und vollkommen handlungsfähig. Der schamanische Bewusstseinszustand ist keine hypnotische Tieftrance. Wenn Sie der einfachen Reiseempfehlung in diesem Buch folgen und die vorgeschlagene Exkursion in die untere Welt unternehmen, dann können Sie sicher sein, dass Ihnen nichts Gefahrvolles oder Erschreckendes begegnet. Und sogar wenn Sie diesen Punkt überspringen und gleich von Anfang an daran gehen wollen, ein schweres Kindheitstrauma aufzuarbeiten, werden sich die Schrecknisse in verkraftbaren Grenzen halten. Schließlich hätte selbst die Konfrontation mit einem früheren traumatischen Erlebnis allenfalls den Charakter einer Heilkrise.
Um eine untere Welt geht es in dem berühmt gewordenen Roman »Alice im Wunderland« von Lewis Carroll, der 1865 erschienen ist. Die kleine Alice begibt sich auf die phantastische Reise dorthin.
Die Frage nach Befürchtungen für die Zukunft
Haben Sie befürchtet, Ihre beabsichtigte schamanische Reise könne etwas bewirken, das vielleicht Ihr gewohntes Leben verändern wird? Glauben Sie, dass Ihr ethisches oder streng naturwissenschaftliches Weltbild ins Wanken geraten könnte, wenn Sie auf der Reise erleben, dass Schamanismus tatsächlich funktioniert? Befürchten Sie aufgrund Ihrer Erlebnisse Veränderungen, weil Sie sich nun beispielsweise im Klaren darüber sind, dass Sie mit dem falschen Partner zusammenleben? Oder haben Sie Angst davor, eventuell erkennen zu müssen, dass Ihre bisherige berufliche Tätigkeit ethisch und im Sinn des Gemeinwohls unverträglich ist und dass es besser wäre sie aufzugeben, selbst wenn dies mit existenziellen Nachteilen verbunden wäre?
Wenn Derartiges im Spiel ist, dann überlegen Sie sorgfältig, was sich schlimmstenfalls in Ihrem Leben ändern könnte, wenn Sie einen spirituellen Weg beschreiten. Sind Sie nicht — oder noch nicht — bereit, einem möglichen Wandel zuzustimmen, dann unternehmen Sie keine weiteren Reiseversuche.
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