„Wir sind Gäste von Herrn Häußler, der wohnt doch hier?“, sagte Martin ganz ruhig. „Jawoll, der wohnt hier, woll’n se hier etwa ooch einziehn?“ Bei dieser Frage musterte er insbesondere Thelma.
Diese, eine zierliche attraktive Frau Anfang vierzig, bemerkte sehr wohl den Unterton in seiner Frage. Sie hatte es satt und antwortete deswegen auch etwas provozierend. „Das ist ein sehr schönes Haus. Herr Häußler hat es uns empfohlen.“ In diesem Moment kam Mike schon die Treppe herunter.
„Na, Herr Schulze, jetzt freuen Sie sich aber, wir werden immer mehr ‚multikulti‘ im Haus!“, sagte Mike lachend, während er Otto Schulze mit offenem Mund stehenließ und sich seinen Gästen zuwandte. „Guten Tag, meine Name ist Mike Häußler. Seien Sie willkommen.“ Mike begrüßte zuerst Thelma.
Sie trug einen weinroten Ledermantel und darunter ein helles Kleid. Ihre fast schwarzen Haare hatte sie zu einem Dutt zusammengebunden. Sie umrahmten ein ebenmäßiges Gesicht. Mund, Nase und Hautfarbe stimmten mit Mona überein.
„Sie müssen Monas Mutter sein. Wow, hab ich ein Glück!“
„Schön für Sie, verraten Sie mir auch warum?“ Thelma lachte dabei, sie hatte eine Ahnung. Martin dagegen verfolgte überrascht die Konversation.
„Ich weiß jetzt, dass Mona immer wunderschön sein wird.“ Thelma lächelte Mike an. „Vielen Dank für das Kompliment, so etwas höre ich gerne. Mein Name ist Thelma Rösler und das ist mein Mann Martin.“ Mike gab beiden die Hand und verneigte sich leicht. „Angenehm. Mir wäre es sehr recht, wenn Sie mich mit Mike und du anreden würden.“ Martin erwiderte kurz: „Bitte auch mich mit Martin.“ Und auch Thelma: „… und mich mit Thelma.“
Mike ging mit beiden in den ersten Hof, erzählte kurz die Geschichte des Hauses und zeigte dabei den Innenhof. Dieser war von den Bewohnern als Gartenanlage mit vielen Blumen und Grünpflanzen gestaltet worden. Als Mike mitten im Redefluss war, sah er im Augenwinkel Mona auf dem Balkon. Er unterbrach und winkte ihr zu. Mona lachte.
„Passt auf, dass er euch nicht zutextet. Mike redet furchtbar gerne.“
„Ich hab schon verstanden, wir kommen gleich rauf.“ Zwei Minuten später war Mona schon unten im Hof und begrüßte ihre Eltern. „Oh, ihr seid schon per du. Da hast du bei mir damals aber länger gebraucht.“
„Da war ich auch noch schüchtern.“
Thelma schob Mona zu ihrem Vater. „Geht schon mal hoch, ich muss mit Mike kurz unter vier Augen reden.“
„Mami? Muss ich mir Sorgen machen?“
„Nein, mein Kind. Musst du nicht.“ Thelma wandte sich an Mike, der sich fragte, was jetzt wohl auf ihn zukommt. Thelma legte ihren Arm um Mikes Schultern. „Wie lange kennt ihr euch jetzt?“
„Knapp fünf Wochen.“
„Und wie entwickelt sich aus deiner Sicht eure Beziehung?“ Mikes Augen bekamen bei der Antwort einen besonderen Glanz, der Thelma beeindruckte. „Darf ich offen sein?“
„Ich bitte darum.“
Mike fasste sofort tiefes Vertrauen zu Thelma und hatte keine Bedenken, ihr seine Gefühle mitzuteilen. „Ich liebe Ihre, Entschuldigung, deine Tochter über alles und ich lasse das mir von niemandem kaputtmachen. Weder von meinen Eltern, irgendwelchen uneinsichtigen Nachbarn oder falschen Freunden. Auch nicht von euch! … Entschuldigung, diese Bemerkung war dumm von mir. Ich wollte damit nur sagen, dass Mona für mich der wichtigste Mensch auf der Welt ist.“ Thelma war beeindruckt von Mikes Offenheit.
„Ich, und auch Martin werden euch mit allen Möglichkeiten unterstützen. Du bist willkommen bei uns. Ich denke, auch Mona kann sich glücklich schätzen.“ Mike umarmte spontan Thelma. „Danke. Es tut gut, wenigstens in einer Familie freundlich aufgenommen zu werden.“ Auch Thelma schloss diesen jungen Mann sofort in ihr Herz.
Anschließend gingen sie zum Fahrstuhl und fuhren nach oben. In der Wohnungstür wartete schon ungeduldig Mona. „Wo bleibt ihr denn so lange? Was war denn so wichtig?“ Thelma nahm ihrer Tochter schnell die Bedenken. „Ich denke, nicht nur Mike hat einen guten Griff getan, sondern auch du. Kann es sein, dass er ein kleiner Charmeur ist?“
Mona lachte. „Oh ja, das kann er sehr gut. Ist aber auch schön.“ Flüsternd wandte sie sich ihrer Mutter zu. „So was kannte ich bis jetzt gar nicht.“
Mike zeigte seinen Gästen die gesamte Wohnung. Nachdem sie die Wohnung besichtigt hatten, nahmen alle vier am Esstisch Platz. Mike hatte zusammen mit Mona gekocht. Ein viergängiges schwäbisch - französisches Menu hatten sie vorbereitet. Flädlesuppe aus Schwaben, Kross gebratenen, innen rohen Thunfisch auf Rucola - Papaya Salat als Vorspeise, Lammcarré mit grünen Spätzle, getrockneten Tomaten und Oliven als Hauptspeise und warme halbflüssige Schokoladentorte mit Vanilleeis und Basilikumhimbeersoße zum Dessert. Dazu gab es korrespondierende Weine. Man begann mit dem Aperitif, einem Kir.
„Mike, du hattest einen guten Geschmack und ein gutes Händchen bei der Wahl der Wohnung“, sagte anerkennend Martin. „Dann gefällt dir die Wohnung. Ich habe auch lange gesucht, ich steh nun mal auf alt, insbesondere auf Jugendstil. Angelika …, Entschuldigt bitte, meine frühere Verlobte konnte dieser Wohnung nicht ganz so viel abgewinnen, sie hätte lieber eine moderne Wohnung gehabt. Aber das ist jetzt ja nicht mehr wichtig.“
„Du kannst hervorragend kochen, ich bin überrascht. Mona, hilft sie dir?“, Thelma wechselte schnell das Thema. „Viel mehr, sie macht selber fleißig mit und hat ganz schön viel gelernt in der kurzen Zeit. Wir verbringen zusammen viel Zeit in der Küche, reden nebenher, probieren, es macht richtig Spaß!“
Mona bestätigte das und ergänzte noch: „Ja, und nicht das ihr meint, die vier Gänge sind heute was Besonderes. Wenn wir am Sonntag zu Hause sind, kochen wir immer so. Na ja, nicht ganz so aufwändig, oft gibt’s auch nur einen Salat als Vorspeise.“ Worauf Thelma sich die Bemerkung nicht verkneifen konnte, dass auch ihr Martin in der Küche eine gute Figur abgeben würde, wenn er denn nur wollte. Alle mussten lachen, als Martin ungeschickt versuchte sich herauszureden.
Als man schließlich beim Dessert angekommen war, betonte Martin nochmals, dass er die Beziehung zwischen beiden begrüßt.
„Schön, dass du das so siehst Papa, Mike braucht dringend Geld. Sein Ex-Schwiegervater will sein eingezahltes Geld für die Wohnung zurück.“ Mona überfiel mit dieser Ansage förmlich ihren Vater.
„Ah, haben dich deine Eltern an der Stelle auch gesponsert?“
„Natürlich Thelma, ich kann mir doch als neunundzwanzigjähriger nicht eine solche Wohnung ohne Eigenkapital leisten.“ Und zu Mona gewandt: „Mona musste das sein, hättest du damit nicht noch warten können. Irgendwie …“
„Irgendwie schaffen wir es vielleicht, aber möchtest du tatsächlich ausziehen? Das ist doch eine tolle Wohnung und ich fühle mich hier richtig wohl.“
Dann schaute sie ihren Vater so unwiderstehlich an, dass er sich verlegen räusperte. Thelma legte auch noch mal nach: „Nun gib dir schon einen Ruck, komm, bitte. Das ist doch eine Leichtes für dich!“
„Bei so viel Fürsprache kann ich überhaupt nicht mehr nein sagen. Wie viel?“
„50.000 Euro.“ Mona war schnell. „Mike hat 100.000 Euro von seinen beiden Elternteilen bekommen, seine Eltern haben bis jetzt das Geld noch nicht zurückgefordert.“
Martin überlegte kurz, jetzt kam der Geschäftsmann durch. „Okay, was kostet die Wohnung so wie sie jetzt ist.“
„250.000“, sagte Mike. „Gut Mike, du bekommst 280.000 Euro für die Wohnung, aber ich bin der zukünftige Eigentümer. Ihr beide habt kostenloses Wohnrecht, solange ihr zusammen seid. Wenn ihr euch trennt, muss Mike raus. Ist das ein Angebot?“
Mike überlegte kurz. „Ja, das ist absolut okay.“
Читать дальше