Anna-Irene Spindler
Braune Augen
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Inhaltsverzeichnis
Titel Anna-Irene Spindler Braune Augen Dieses ebook wurde erstellt bei
Braune Augen Braune Augen „ Es gibt mehr Ding‘ im Himmel und auf Erden Als Eure Schulweisheit sich träumt, Horatio.“
Die Arbeit
Das Schloß
Die Begegnung
Das Wochenende
Die Vergangenheit
Der Besuch
Die Missgeschicke
Das Desaster
Der Jahreswechsel
Die Freundschaft
Der Aufdringliche
Die Tapetentür
Die Schöne
Die Eifersucht
Das Gemälde
Der Retter
Das Gewitter
Der Schurke
Der Triumph
Das Geständnis
Der Geburtstag
Die Uhr
Der Morgen
Impressum neobooks
„ Es gibt mehr Ding‘ im Himmel und auf Erden
Als Eure Schulweisheit sich träumt, Horatio.“
William Shakespeare, Hamlet
Die Novembersonne schien bleich durch die Fenster ihres Wohnzimmers. Teresa sah kurz hoch. Vor über einer Woche war es der Sonne zum letzten Mal gelungen die dichte Nebelsuppe zu durchdringen. Der Blick auf die Uhr bestätigte ihr jedoch, dass ihr keine Zeit blieb hinaus zu gehen und ein paar Bälle zu schlagen. Mit einem Seufzer setzte sie sich wieder an ihren Esstisch. Schön brav faltete sie weiter Briefe und steckte sie in Kuverts. Das Mitgliederanschreiben musste unbedingt heute noch zur Post. Die kleine Postfiliale hatte aber nur bis sechzehn Uhr geöffnet. Der Infobrief war am Morgen fertig geworden. Eigentlich hatte sie gehofft das Ganze bis zum Mittag abschließen zu können. Aber der blöde Drucker machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Die Laserkartusche war leer und sie konnte in dem kleinen Büro keinen Ersatz finden.
Endlich, der vierhundertsiebenunddreißigste Brief verschwand im Kuvert. Den Infobrief-Stempel hatte sie schon heute Vormittag von der Post mitgebracht. Tack – bom – tack – bom – tack – bom! Ihre Stempeltechnik hatte sie in den vergangenen vier Jahren nahezu perfektioniert. Unwillkürlich musste sie an Charlie Chaplins Film ‚Moderne Zeiten‘ denken. Ein Grinsen huschte über ihr Gesicht, als sie sich vorstellte, wie es wäre, durch den Ort zu gehen und den Leuten Infobrief-Stempel auf die Stirn zu drücken. Tack – bom! Der letzte Brief bekam seinen Stempel. Jetzt nur noch zählen, das Einlieferungsformular ausfüllen und dann ab zur Post. ‚Golf- und Landclub Berghof e.V.‘ schrieb sie als Absender in das vorgesehene Feld.
‚Ein ziemlich hochtrabender Name‘, schoss es ihr durch den Kopf. ‚Klingt nach einem vornehmen Clubhaus Marke Präsidentenmausoleum und einer Sekretärin in gelbem Kostüm, mit rot lackierten Fingernägeln.‘
So hatte sie es sich auch vorgestellt, als sie am ersten November ihre neue Stelle als Clubsekretärin antrat. Das Ganze entpuppte sich als sehr ländlicher Landclub, der soweit ab vom Schuss lag, dass sie sich bei ihrem ersten Besuch viermal verfahren hatte, ehe sie endlich das Clubhaus erreichte.
Sie packte ihre Briefe zusammen, es waren tatsächlich vierhundertsiebenunddreißig, und stapelte sie in einer Box. Sie stopfte den Geldbeutel in die Tasche.
Wo war nur wieder dieser blöde Autoschlüssel? Immer wenn sie es besonders eilig hatte war er weg. Sie überlegte angestrengt. Die Schuhe! Richtig, sie hatte ihn als sie nach Hause gekommen war gleich in ihre Schuhe gesteckt, damit sie später nicht nach ihm zu suchen bräuchte.
„Du bist aber auch ein kluges Kerlchen”, lachte sie ihrem Spiegelbild in der Diele zu.
Der Postbeamte erkannte sie gleich wieder. Vermutlich kamen nicht allzu viele fremde Kunden zu ihm herein.
„Na, da waren Sie aber ordentlich fleißig!”
„Zum Glück hat der Golfclub hier nicht so viele Mitglieder. In meinem alten Club, waren es über achthundertfünfzig. Da habe ich zum Drucken, Falten und Kuvertieren einen ganzen Tag gebraucht.”
„Wo waren sie denn, ehe Sie zu uns hierher gekommen sind?” Neugierig schaute er sie durch seine Glasscheibe hindurch an.
„Es war ein Großstadtclub im Kohlenpott. Lange nicht so nett und gemütlich wie hier.”
Es konnte ja nichts schaden, wenn sie ein bißchen nett zu dem Mann war. In Zukunft würde sie noch oft mit ihm zu tun haben.
‚Na, hoffentlich ist er nicht von der ganz langsamen Truppe‘, dachte sie. Aber das Lächeln hatte offensichtlich doch etwas genützt. Schneller als erwartet war sie schon wieder auf dem Nachhauseweg. In den drei Wochen, seit sie hier wohnte, hatte sie ziemlich schnell den kürzesten Weg von Rietingen zum Golfplatz ausfindig gemacht. Eine schmale Straße führte am neu gebauten Clubhaus vorbei. Auf ihr gelangte man entlang der zweiten Spielbahn zum alten Gutsgebäude. Durch ein schmiedeeisernes Tor, das allerdings recht armselig und rostig in den Angeln hing, fuhr man in einen fast quadratischen Innenhof hinein.
Stilepochen waren zwar nicht unbedingt ihr Spezialgebiet, aber sie schätzte das Alter des Anwesens auf gut und gern dreihundert Jahre. Gegenüber der Einfahrt befand sich das Haupthaus. Es war zwei Stockwerke hoch. Die unzähligen Fenster riefen immer ein Gefühl der Hochachtung in ihr hervor, wenn sie an die Leute dachte, die für das Putzen der Fenster zuständig gewesen waren. Auf der linken Seite waren früher sicherlich die Stallungen gewesen. Jetzt war hier das Reich von Alex und seinem Greenkeeper-Team. Sämtliche Fahrzeuge und Maschinen des Golfclubs waren hier untergebracht. Die Platzarbeiter hatten hier ihren Aufenthaltsraum und Alex hatte sich ein kleines Büro eingerichtet. Er war neben ihr der einzige feste Angestellte des Clubs. Die vier anderen Arbeiter hatten sich mittlerweile für die Wintermonate arbeitslos gemeldet. Die meisten kleineren Clubs handhabten dies aus Gründen der Kostenersparnis so. Als sie in den Hof fuhr, war Alex gerade dabei, den Grünmäher zu putzen und für den Winter ‚einzumotten‘.
„Hallo schöne Frau! Wo kommst du denn her?” Alex‘ obligatorische Begrüßung hallte über den Hof.
„Ich habe den Weihnachts-Infobrief an die Mitglieder los geschickt.”
„Sei nicht so fleißig. Du weißt doch, je mehr man macht und je schneller man ist, desto mehr wollen sie von einem.”
Sie grinste ihn spöttisch an. „Tja, dafür bin ich für heute schon fertig und du noch nicht. Ätsch!”
„Wie viele Stunden arbeitest du denn jetzt?”
„Na ja, bis zum ersten März fünfzehn Stunden in der Woche. Danach je nach Bedarf. Du weißt doch wie es ist. Während der Turniersaison fang ich an Turniertagen um halb sieben an und bin abends um zehn fertig. Ich müßte mich schwer täuschen, wenn es in dem Club hier anders wäre.”
„Es ist nicht anders. Es ist schlimmer”, kam prompt Alex‘ Kommentar zurück.
Sie blickte über seine Schulter in die große Scheune, deren Tor weit offen stand.
„Glaubst du da drin ist noch Platz für mein Auto? Ich habe keine Lust im Winter immer gefrorene Scheiben zu kratzen.”
„Klar. Da auf der rechten Seite kannst du deinen Stadthopser bequem hinstellen. Ich denke dort schaffst sogar du das ein- und ausparken.”
Sie streckte ihm die Zunge heraus und musterte die angegebene Stelle eingehend.
„Willst du tatsächlich den ganzen Winter hier alleine wohnen?” Fragend sah Alex sie an.
„Natürlich. Mir gefällt es hier ausnehmend gut. Außerdem kann ich mir keinen Zweit- oder Drittwohnsitz leisten.”
„Wenn du meinst. Aber es ist verdammt einsam hier draußen.”
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