Anna-Irene Spindler - Paradies im Mondlicht

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Für die fünfzehnjährige Hamburger Adelige Marie-Helene beginnt ein großes Abenteuer, als sie mit ihrer Familie ans andere Ende der Welt reist. In der noch jungen Kolonie Deutsch-Samoa hofft sie den eng gesteckten gesellschaftlichen Konventionen der Heimat entfliehen zu können. Aber schnell muss sie erkennen, dass sich nur die Umgebung geändert hat. Die Regeln sind die gleichen geblieben. Ausgerechnet in einem Eingeborenen findet sie einen Freund und Seelenverwandten. Aber ihre Eltern haben ganz eigene Pläne für ihre Zukunft. Ein langer, harter und sehr schmerzhafter Weg liegt vor Marie-Helene.

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Anna-Irene Spindler

Paradies im Mondlicht

Als man in der Südsee noch Deutsch sprach

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Inhaltsverzeichnis

Titel Anna-Irene Spindler Paradies im Mondlicht Als man in der Südsee noch Deutsch sprach Dieses ebook wurde erstellt bei

Paradies im Mondlicht Anna-Irene Spindler Paradies im Mondlicht Als man in der Südsee noch Deutsch sprach Dieses ebook wurde erstellt bei

Das Abenteuer beginnt

Endlich da

Alles beim Alten

Ein Geheimnis

Das Fest

Nichts verraten!

Barbaren und Menschenfresser

Skandalös

Interessante Neuigkeiten

Elend und Leid

Alles wird gut

Erwachsen geworden

Für immer

Ein geschäftliches Arrangement

Ein Sturm zieht auf

Nie im Leben

Verbotene Verse

Horizonterweiterung

Herzliche Grüße

Die Entscheidung

Nur Mut!

Der Brief

Eine neue Erfahrung

Ein Gartenfest

Traurige Wahrheit

Ein Freund in der Not

Erinnerungen

Wie ist das möglich?

Eine große Neuigkeit

Nachwort

Anmerkungen der Autorin:

Impressum neobooks

Das Abenteuer beginnt

Sie beugte sich nach vorn und stützte den Ellenbogen auf ihr Knie. Das Kinn ruhte in ihrer Handfläche. Wenn sie den Kopf ganz nach rechts legte und dabei das linke Auge zukniff, hatte sie den Tassenrand genau in ihrem Blickfeld. Gleich war es wieder so weit! In der Dünung des Ozeans neigte sich das Schiff und der Inhalt näherte sich bedenklich dem Tassenrand. Diesmal würde der Tee bestimmt überschwappen. „Marie-Helene, nimm bitte eine aufrechte Haltung ein. Es sieht unmöglich aus! Möchtest du später einmal einen Buckel bekommen wie eine alte Katze?“ Die schrille Stimme ihrer Mutter ließ sie kurz zusammenzucken. Da war es auch schon geschehen! In der Untertasse hatte sich eine kleine Pfütze gebildet und sie hatte den Moment, in dem es passierte, wieder verpasst. Sie waren jetzt schon seit Wochen auf diesem Schiff. Keine Teestunde war seither vergangen, in der nicht mindestens einmal der Tee übergeschwappt war und sie hatte es noch kein einziges Mal geschafft, diesen Augenblick zu beobachten. Mit einem Seufzer setzte sie sich aufrecht hin. Ein schelmisches Grinsen huschte über ihr Gesicht, als sie die Teetasse mit der linken Hand hochhob, die Untertasse mit der rechten an ihre Lippen hielt und deutlich hörbar leer schlürfte. „Marie-Helene!“ Die Stimme ihrer Mutter überschlug sich. „Lass auf der Stelle diesen Unsinn! Du bist unerträglich.“ Besorgt blickte ihre Mutter nach links und rechts und vergewisserte sich, dass niemand das ungebührliche Benehmen ihrer Tochter bemerkt hatte. „Aber der Tee ist immer so heiß. Wenn ich ihn aus der Tasse trinke verbrenne ich mir jedes Mal die Zunge“, verteidigte sich das Mädchen. „Großmama hat ihren Kaffee auch immer so getrunken“, fügte sie noch trotzig hinzu um ihrem Argument mehr Gewicht zu verleihen. Ihre Mutter hob die vergoldete Lorgnette über die Nase und sah sie höchst missbilligend an. „Du redest wirres Zeug, mein Kind. Du weißt ebenso gut wie ich, dass Grandmère - Gott sei ihrer armen Seele gnädig! - so etwas niemals in der Öffentlichkeit getan hat. So und jetzt benimm dich bitte wie es sich für eine junge Dame geziemt. Und öffne um Himmels willen deinen Parasol, sonst bekommst du wieder diese fürchterlichen Sommersprossen auf der Nase wie im vergangenen Sommer. Es reicht schon, dass du so unanständig braun bist wie eine Bauernmagd.“ Nur äußerst widerwillig öffnete Marie-Helene den verhassten Sonnenschirm. Von je her hatte sie es als albern empfunden immer mit dem rüschenverzierten Schirmchen aus weißer Spitze herumlaufen zu müssen. Man konnte sich nie richtig bewegen. Immer wurde man durch das dumme Ding gestört. Andauernd stieß sie mit anderen Leuten zusammen. Sie verhedderte sich in ihren eigenen, oder was noch viel schlimmer war, in den Haaren fremder Frauen, die sich dann unter hysterischem Gekreische bei ihrer Mutter über ihr unmögliches Benehmen beschwerten. Brav hielt sie das Schirmchen in der Linken, fasste die Teetasse mit Daumen und Zeigefinger der Rechten, selbstverständlich ohne dabei die restlichen Finger ungebührlich weit abzuspreizen, und führte die Tasse möglichst anmutig an die Lippen. Kein Geräusch durfte dabei entstehen. Die Schlückchen durften nicht zu groß sein und die Tasse nicht zu hastig an den Mund geführt werden. Oh ja! Sie verabscheute die Teezeremonie von ganzem Herzen. Endlich war die Tasse leer. „Bitte, Frau Mama, darf ich aufstehen?“ Ihre Mutter legte großen Wert darauf von ihrer Tochter mit Frau Mama angeredet zu werden. Hierbei durfte niemals versäumt werden ‚Mama‘ auf der zweiten Silbe zu betonen, da dies französisch und somit vornehmer klang. Ihrem Vater, als preußischem Beamten durch und durch, war alles Französische verhasst. Aber ihre Mutter hatte ein Faible für alles, was sich jenseits des Rheins abspielte. Wann immer sie konnte, bei jeder passenden oder auch unpassenden Gelegenheit, verwendete Elisabeth Augustine Wilhelmine Freiin von Schlingenhard, Gattin des zweiten Direktors der Deutschen Handels- und Plantagengesellschaft und von ihrer gesamten Dienerschaft stets als ‚Madame de Slingenard‘ angesprochen, französische Redewendungen und Ausdrücke. „Gerne, liebes Kind“, nickte ihre Mutter huldvoll, neigte den Kopf leicht zur Seite und hielt ihrer Tochter die rechte Wange hin. Marie-Helene gab ihrer Mutter einen leichten Kuss und knickste artig, ehe sie sich zum Gehen wandte. „Achte auf die Sonne! Beuge dich nicht über die Reling! Halte stets deine Röcke fest! Und dass du mir ja nicht wieder mit den Matrosen kokettierst!“, gab Madame de Slingenard ihrer Tochter mit auf den Weg. Seit sie das Schiff betreten hatte, bekam Marie-Helene diese Ermahnungen Tag für Tag zu hören. Morgens, mittags, abends und zwischendurch selbstverständlich ebenfalls. „Denke stets daran: Du bist eine junge Dame, Marie-Helene!“, äffte sie ihre Mutter leise nach und verzog das Gesicht zu den schrecklichsten Grimassen. Oh, wie sehr sie es doch hasste eine junge Dame zu sein! Damen durften niemals auch nur den allerkleinsten Spaß haben. Sie durften nicht rennen, nicht schreien, nicht pfeifen, nicht fluchen, nicht spucken und auch nicht auf Bäume klettern. Und sie durften unter gar keinen Umständen rittlings auf einem Pferd sitzen. Stattdessen mussten sie diesen albernen Damensattel benutzen und stets darauf achten, dass selbst im wildesten Galopp die Knöchel züchtig vom Reitkleid bedeckt blieben. „Hallo Nene!“, tönte es von oben. Marie-Helene legte den Kopf in den Nacken und sah hinauf zur Takelage. Ihr großer Bruder Wilhelm, benannt nach dem deutschen Kaiser - Möge Gott ihm ein langes Leben schenken! -, kletterte in den Wanten herum. Sie seufzte leise vor sich hin. Wie sehr sie ihre beiden Brüder doch beneidete! Sowohl Wilhelm, mit seinen sechzehn Jahren der Älteste und somit der ganze Stolz seines Vater, als auch den kleinen elfjährigen Heinrich. Seit die ‚Kläre Auguste‘ den Hamburger Hafen verlassen hatte, tobten sie von morgens bis abends über das Schiff. Vom untersten Laderaum bis hinauf in den Ausguck. Ihrem Bewegungsdrang waren keine Grenzen gesetzt. In der ersten Woche hatte ihre Mutter noch versucht sie in Zaum zu halten. Sie mussten ordentliche Kleidung tragen. Pünktlich zu allen gemeinsamen Mahlzeiten erscheinen, immer adrett gekleidet und gewaschen. Und sie mussten am Unterricht teilnehmen, den Pastor Rieflein jeden Nachmittag für die drei Kinder abhielt. Aber bereits in der zweiten Woche konnte Madame de Slingenard ihre beiden Söhne nicht mehr bändigen.

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